Akif Pirincci / 01.06.2013 / 15:20 / 0 / Seite ausdrucken

Youkenlicke – The Movie

Von Kindesbeinen an bin ich ein hoffnungsloser Filmfreak. Alles, was die Traumfabriken dieser Welt ausstoßen, verschlinge ich mit der Hast und Gier eines Ausgehungerten. Selbstverständlich gilt dabei mein Hauptinteresse Hollywood, jenes mythische sowie hyperproduktive Reich der Phantasie, das oft todgesagt wurde und sich doch immer wieder neu erfunden hat, um, angepaßt an die aktuellen künstlerischen und technischen Innovationen, mit doppelter Schlagkraft in die Kinosäle zurückzukehren. Hierbei bedienten sich die Massenpsychologen der Unterhaltung nicht allein bei erfolgreicher Literatur, der vermeintlich edleren Kunstform, sondern erschufen selbst unvergeßliche Ikonen des Storytellings. Ein “Terminator”, ein “Alien” oder ein “Indiana Jones” braucht sich keineswegs hinter Buchgiganten wie “Frankenstein” oder “Dracula” zu verstecken. Insbesondere im Horrorgenre, einem extrem optikaffinen Erzählzweig, trumpft Hollywood regelmäßig auf. Doch offenkundig will man nun sämtliche kreativen Kräfte bündeln, um das ultimative Horrormovie zu erschaffen, mit Produktionskosten von sage und schreibe von 300 Millionen Dollar, einem imposanten Staraufgebot und selbstredend in 3D.

Nach dem Lesen eines ausführlichen Berichts in einem Fachmagazin darüber gelang es mir über dunkle Kanäle im Internet an das Drehbuch des Mammutprojekts heranzukommen. Der Titel des Films “Youkenlicke” lehnt sich an das deutsche Wort “Jugendliche” an, doch um es für den Durchschnitts-US-Bürger aussprechbar zu machen, hat man dieses Wort hierfür “amerikanisiert”. Die Handlung dreht sich aber nur ansatzweise um heranwachsende Menschen, sondern als Inspiration dienten vielmehr sich immer mehr häufende bestimmte Vorfälle aus der jüngsten Zeit aus aller Welt, vor allem aus Europa, namentlich aus Deutschland. Das Ganze ist so eine Art Zombiestory, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, daß die agierenden Grauenskreaturen Narrenfreiheit genießen und ihre Gräuel einer ansonsten modernen und aufgeklärten Zivilisation unter dem Deckmantel eingebildeter Diskriminierung und auf das Beharren von Religionsfreiheit für ihren Gewaltkult aufzwingen und schleichend zur Normalität werden lassen. Paradoxerweise werden sie von den Regierungsstellen, insbesondere von einer mit der Gefühlskälte von Psychopathen vorgehenden Medienelite mit Verständnis überhäuft und in Schutz genommen, sobald sie ihre Grauenstaten verrichtet haben. Schon der Titel “Youkenlicke”, also Jugendliche deutet auf die Vision einer verdrehten Welt hin. Bisweilen können diese “Jugendlichen” nämlich, deren Heimatplaneten die Presse tunlichst zu nennen vermeidet und wenn es sich gar nicht mehr vermeiden läßt, von einem “Südland” spricht, schon Ende Zwanzig sein.

Der Drehbuchautor hat sich mit der Motivation der Figuren enorm viel Mühe gegeben. Zum einen sind da die Monster. Obwohl sie hier, also auf dem Planeten Erde, aus ihren Eiern geschlüpft sind und meist großzügig mit einer Spezialnahrung namens Socialhülfe versorgt werden, betrachten sie uns Menschen weiterhin als Abschaum, die es insbesondere im Nahverkehr totzutreten gilt, vornehmlich vermittels Kopftritte. An einem der Höhepunkte des Skripts schlachten mitten in London und am helllichten Tag zwei Youkenlicke einen unbewaffneten Soldaten ab, schneiden ihm mit einem Hackebeil den Kopf ab und weiden ihn richtiggehend aus. Und all die Menschen um sie herum gehen selenruhig an dieser Monströsität vorbei und ihren Tagesgeschäft nach, ja halten einem von ihnen sogar ihre Handykameras entgegen, damit er in staatsmännischer Pose eine kleine Pressekonferenz über seine schizoiden Beweggründe abhalten kann. Als die Polizei schließlich der beiden Ungeheuer habhaft wird, beeilen sich sämtliche Politiker des Landes umgehend, der Bevölkerung zu erklären, das alles habe nichts mit ihrem Gewaltkult zu tun und sei nur geschehen, weil die Youkenlicke keine Perspektive auf eine S-Klasse-Rakete von Daimler Benz zu ihrem Heimatplaneten gehabt hätten. Okay, klingt nicht sehr realistisch, funktioniert jedoch in der Filmlogik durchaus.

Die Youkenlicke beten einen Gott namens Mallah an. Er ist ein strafender und äußerst unsympathischer Gott, der sich bis in das Allerintimste seiner Geschöpfe einmischt und ihnen sogar Vorschriften macht, wann zu sie zu ficken haben und wann nicht – auf keinen Fall während der Regelblutung der Y-Frau. Bei Vergewaltigungen spielt diese Regel keine Rolle. Obwohl die meisten Youkenlicke die Lehre ihres Gewaltgottes nur rudimentär kennen, spüren sie instinktiv, daß es sich bei ihm um einen barbarischen Chauvinisten handelt, der ihre Herrenmenschenphantasien, ihre pathologische Frauenverachtung und ihre Neigung zum namenlosen Gewaltexzess mittels seiner Lehre legitimiert. In Wahrheit aber ist diese Lehre von wirklicher Spiritualität so weit entfernt wie Haß von der Liebe. Es handelt sich um eine perverse Ideologie des Zwangs, der Freudlosigkeit, der Seelenleere und des Todes.

Überall, wo die Youkenlicke auftauchen, wird die Welt auf den Kopf gestellt, und nichts ist mehr wie bisher. Diese Kreaturen haben eine besondere Psychomethode entwickelt, um die Menschen unter Druck zu setzen und immer mehr Einfluß auf Erden zu gewinnen. In den Schlüsselszenen des Filmes verbreiten sie Angst und Schrecken, indem sie selbst gebaute Bomben auf Sportveranstaltungen detonieren lassen, am Flughafen Soldaten befreundeter Staaten abknallen und im fast Wochenrhythmus echte Jugendliche z. B. nach Discobesuchen erstechen und hinrichten. Aus Angst vor noch mehr Terror und Gewalt und im Bewußtsein, daß sie die inzwischen zahlenmäßig stark angewachsene Youkenlicke-Population nicht so ohne Weiteres vom Planeten vertreiben kann, versucht die Regierung sowohl die Übeltäter als auch die eigene Bevölkerung zu beschwichtigen und gibt zu bedenken, daß ja nicht alle Youkenlicke so wären. Im Gegenteil, lügt sie weiter, die wahren Opfer wären die Youkenlicke selbst, weil ihnen völlig grundlos soviel Antipathie entgegenschlüge. Diese Steilvorlage wird wiederum vom Gegner dazu benutzt, noch mehr freche Forderung an den Gastplaneten zu richten, z. B. mehr Mallah-Tempel bevorzugt an exponierten Plätzen zu errichten, um zu signalisieren, wer der wahre Herr im Haus ist.

Interessant ist dabei die Rolle der Presse im Film. Sie verwendet stets die Verdünnen-bis-nix-mehr-übrig-bleibt-Technik. Wenn die Youkenlickes wieder eine unfaßbare Gewalttat begangen haben, gibt sie sich zunächst entsetzt, um jedoch schon am nächsten Tag die Was-haben-wir-nur-falsch-gemacht?-Frage zu stellen, um dieser dann am dritten Tag die Wir-waren-einfach-nicht-nett-genug-zu-ihnen-Antwort selbst zu geben, was am vierten Tag schon zu einer Konditionierung hinsichtlich der Maul-halten-und-nicht-weiter-darüber-nachdenken-wird-schon-wieder-alles-gut-Haltung des Publikums führt. Aber nichts wird gut, sondern alles wird schlimmer. Es ist leicht, diesen Pressefritzen eine verbohrte Gutmenschen-Gesinnung vorzuwerfen. Doch bis auf ein paar tatsächlich stalinistisch Verbohrte in dieser Sache geht es mehrheitlich um Karrieredenken. Das mediale System ist nämlich inzwischen gegen den gesunden Menschenverstand und wirkliche Empathie mit den Opfern derart lückenlos abgeschottet, daß bereits die kleinste Gegenmeinung die eigene Existenz zerstören kann.

Im letzten Viertel des Filmes wird es ziemlich enttäuschend, weil man von der Produzentenseite offenkundig auf simpel gestrickte Heldendramaturgie und jede Menge Spezialeffekte gesetzt hat. Ein knallharter Bursche namens Ken (Freund von Barbie?) Fuck taucht auf. Er (gespielt von Jason Statham) wurde in einer Höhle tief im Wald von Grizzly-Bären aufgezogen und blieb so verschont von der allgegenwärtigen Verweichlichung des westlichen Mannes. Durch eine Genmutation besitzt er nicht nur einen Penis vom Umfang eines Panzerkanonenrohrs, sondern er kann damit zudem auch Ejakulat-Geschosse abfeuern, welche die Youkenlicke augenblicklich paralysieren und sodann in den Orbit hinausschießen. Am Ende hat er solcherweise etwa eine Million von denen in ihre jeweiligen Heimatplaneten befördert. Der Rest ergibt sich und schwört beim Damenbart von Angela Merkel, daß er sich künftig ausschließlich von Currywurst ernähren und Bücher von Martin Walser lesen wird, dem alten Langweiler. Doch tröstet man sich mit dem Gedanken: Je langweiliger eine Welt, desto friedlicher.

THE END

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