Chinas Präsident Xi Jinping befindet sich derzeit auf Europareise, und die gewählte Reiseroute sagt viel darüber, was die kommunistische Führung in Peking von den verschiedenen Europäern hält.
Es sind Xis erste Staatsbesuche in Europa seit 2019, also durchaus etwas Besonderes. Allerdings will Xi seine Visite nicht als Besuch in der EU verstanden wissen, sondern als Besuch bei ausgesuchten Partnerländern. Eine kleine Stippvisite in Brüssel bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war dabei zwar auch drin, aber wohl mehr aus Höflichkeit. Interessant ist die Liste der Länder, die er besucht: Frankreich, Ungarn und Serbien.
Frankreich ist noch nachvollziehbar, das Land ist nach wie vor tonangebend in der EU. Gesprochen wurde dort natürlich über den Ukraine-Krieg und die französische Bitte, dass China doch nicht weiter Waffen an Moskau liefern solle. Wie erwartet, gab es von Xi nur die üblichen diplomatischen Floskeln. Etwas konkreter wurde es beim Thema Handel. Auch Frankreich sorgt sich um die Schwemme an Elektroautos, aber China will davon nicht lassen und droht, im Gegenzug keinen Cognac mehr zu importieren, sollte Frankreich seine Schleusentore für E-Autos schließen.
Abgesehen von Ukraine-Krieg und Handel sind die Kontakte mit Frankreich aus einem anderen Grund wichtig: Das Land pocht immer wieder auf seine Selbstständigkeit in außenpolitischen Fragen, gerade in Bezug auf die USA. Xi hatte bestimmt aufgemerkt, als Macron vor einiger Zeit sagte, Frankreich würde nicht zwingend dem Kurs der USA im Falle eines chinesischen Angriffs auf Taiwan folgen. Dass der Verlauf des Ukrainekriegs und die westlichen Reaktionen in China sehr genau beobachtet werden, um Rückschlüsse auf die Folgen eines möglichen Angriffs auf Taiwan zu ziehen, kann wohl als sicher gelten.
Ungarn und Serbien sind eher Randstaaten in Europa, aber Xi hat ein anderes Kalkül als Bevölkerungszahl und Wirtschaftsmacht, zumal im Vergleich zu China jedes Land Europas ein relativer Zwerg ist.
Serbien ist ein alter Freund Russlands und hat ein ambivalentes Verhältnis zur EU und zum Westen, außerdem ist es als kleines und wirtschaftlich abhängiges Land leichter zu beeinflussen als die größeren Länder. Weiterhin wird Xi in Serbiens Präsident Vucic einen politisch gestählten und machtbewussten Politiker finden, mit dem er möglicherweise wesensverwandter ist als mit verschiedenen EU-Staatslenkern. Da Serbien auf dem Gebiet der Industrie kein Weltmarktspieler ist, hat China hier einen willigen Abnehmer seiner Massenware. Wichtiger wird aber vermutlich das Kosovo als vermeintliches Spiegelbild von Taiwan sein. Hier sind China und Serbien auf einer Linie: Für beide Länder sind dies abtrünnige Provinzen, die „heimgeholt“ werden sollen – wenn es sein muss, auch militärisch. China ist überhaupt schlecht zu sprechen auf jede Form kultureller Selbstbestimmung, ein Prinzip, das die EU, zumindest selektiv, hochhält.
Ungarn hat wirtschaftlich starke Verbindungen mit China, ist aber vor allem innerhalb der EU immer wieder der Außenseiter mit der anderen Meinung, der auch gelegentlich von seinem Vetorecht gegenüber Brüsseler Beschlüssen Gebrauch macht. Das dürfte sich Xi auch beim Thema Importzölle auf chinesische E-Autos zunutze machen wollen, wenn es dazu kommen sollte.
Da Ungarn selbst keine Autos produziert, aber vom Import billiger chinesischer Autos profitiert und sich als Standort für chinesiche Produktion in Stellung bringt, ist das Interesse an Strafzöllen wohl gering.
Des Weiteren dürfte Xi mit Orban gut zurechtkommen, da beide, bei allen ideologischen und kulturellen Unterschieden, in erster Linie an die Interessen ihres jeweiligen Landes denken und dann erst an die der Region oder der restlichen Welt. In Deutschland ist es umgekehrt, weshalb Xi Scholz wahrscheinlich genauso wenig versteht wie andersherum. Auch dass Orban zum Thema Ukraine eher eine Mittlerposition einnimmt und auch bei Sanktionen nur widerwillig mitmacht, dürfte Xi im Hinterkopf haben.
Auffallend ist, dass Deutschland – immerhin noch das wirtschaftlich bedeutendste Land Europas – nicht angesteuert wird. Ist es trotz oder wegen des kürzlichen Besuchs von Kanzler Scholz im Reich der Mitte, das der Gegenbesuch nun ausblieb? Hatte man schon alles vor kurzem geklärt, oder hat Scholz Xi in der Überzeugung gestärkt, dass er seine Zeit sinnvoller mit Macron, Orban und Vucic verbringt?
Übrigens ließ Xi auch Italien, immerhin das drittwichtigste Land der EU, links liegen. Nachdem Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sich allerdings aus dem chinesischen Seidenstraßen-Projekt zurückgezogen hat, ist das Verhältnis zwischen den Ländern abgekühlt. Auch in Sachen Ukraine gibt es keine Doppeldeutigkeiten seitens Italiens, und daher ist für Xi hier nichts zu gewinnen.
Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten und lebt, nach vielen Jahren im Ausland, seit 2019 mit seiner Familie in Berlin.
Beitragsbild: Palácio do Planalto 49065441547/</a>, CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

„Auffallend ist, dass Deutschland – … – nicht angesteuert wird.“ Was sollte denn daran auffallend sein? Erstens weiß Scholzi morgen schon nicht mehr, wen er getroffen hat und zweitens will Xi als wirtschaftsorientierter Pragmatiker mit zurechnungsfähigen Partnern reden und nicht mit Leuten, die sich selbst den Strom abdrehen und die der Sprengung der eigenen Gasversorgung zustimmen. Wer 1.4 Mrd. Menschen regieren muss hat kein Interesse an Zeitverschwendung. Carpe diem !
Vielleicht orientiert sich Xi am Nutzen bei seinen Besuchen. Da wäre ein Besuch in D nutzlos. Den Leierkastenmann Scholz hat er schon gehört und das Mädchen AnnaTrampolena tut er sich ganz sicher nicht an.
Serbien und insbesondere Ungarn könnten durchaus auch als potenzielle Standorte chinesischer Produktionsbetriebe interessant sein. Dortige Produktion chinesischer Unternehmen würde natürlich als EU-basiert gelten und EU-Importzölle unterlaufen können. Von chinesischer Wirtschaftspolitik könnte Deutschland viel lernen: China first, Geben und insbesondere Nehmen, intelligente(!) Bildungs-, Bevölkerungs-, Aussen- und Industriepolitik, so wird man zur Weltmacht Nummer Eins.