„Würden Sie bitte Ihren Rucksack öffnen?“ – „Ja, klar. Was glauben Sie eigentlich, da zu finden?“ – „Sie dürfen hier keine Getränke mit reinbringen.“
Den Dialog kennt man, allerdings vor allem von Veranstaltungen und Partys (früher: „Discotheken“), die vornehmlich von jüngeren Menschen besucht werden und bei denen der Flüssigkeits-, oder, seien wir an dieser Stelle ehrlich, der Alkoholkonsum eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Bei dieser Art Gast ist die Versuchung, das knappe Wochenendbudget bei gleichzeitigem Vollgenuss des Ereignisses durch das Einschmuggeln der einen oder anderen Flasche zu schonen, ebenso nachvollziehbar, wie das wachende Auge des Veranstalters, der – trotz aller philanthropischen Charakterzüge, die ihn auszeichnen mögen – über den Verkauf der eigenen Getränke einen Großteil seines Umsatzes generieren und das Geschäft am Laufen halten muss.
Die anfangs beschriebene Taschendurchsicht fand zwar auch vor den Toren eines Musikvergnügens statt. Allerdings gehört dieses einer anderen Kategorie an. Es handelte sich um ein – übrigens erstklassiges – Konzert im Rahmen der diesjährigen Halleschen Händelfestspiele. Veranstaltungsort war die dortige Händelhalle. Für mich war die Hürde schnell überwunden, der freundliche Herr war mit einigen Blicken in meinen Rucksack zufriedengestellt. Getränkefrei.
In den ziemlich genau anderthalb Jahrzehnten, in denen ich nun mit großer Freude die Festspielaufführungen besuche, war die einzige Voraussetzung für das Passieren der Pforte bislang das Vorzeigen einer gültigen Eintrittskarte. Warum jetzt diese Neuerung? Habe ich als Laie das Barockmusikgeschäft falsch eingeschätzt? Spielt der Pausengetränkeumsatz doch eine erheblich größere Rolle? Hat meine Wahrnehmung mir einen Streich gespielt und die Ausschankstellen waren in der Pause gar nicht so überlaufen, wie es immer den Anschein hatte? Sind die in der Regel dem Studentenalter deutlich entwachsenen Festivalbesucher doch eher knapp bei Kasse? Haben sich die grau- oder gar-nicht-mehr-haarigen Händel-Groupies ihre Eintrittskarte vom Munde abgespart? Ist es über Jahre meiner Aufmerksamkeit entgangen, dass sie sich folglich in den Ecken des Wandel-Areals ihren heimlich mitgebrachten Pfeffi hinter die Binde kippen mussten, um bei Laune zu bleiben? Sind die im Foyer der Händelhalle angebotenen edlen – aber eben doch in einem anderen Preis-Dröhn-Verhältnis stehenden – Saale-Unstrut-Weine bislang kistenweise übrig geblieben?
Fragen über Fragen. Sollte es so sein, dann hat die Taschendurchsicht wenig gebracht. In der Abwurfkiste befand sich lediglich ein reichliches Dutzend zerknautschter, kleiner Plasteflaschen, manche mit Restinhalt, fast sämtlich Wasser. Drei, vier Euro Pfand, mit etwas Glück vielleicht sogar mehr.
Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, zu vermuten, dass es bei der Kontrolle vielleicht gar nicht um die Suche nach Getränken ging. Das könnte verunsichern oder würde eindeutig in die falsche Richtung laufen. Etwa so, wie bei Weihnachtmärkten, bei denen stets aufs Neue die „zur Terrorabwehr aufgestellte Betonsperren“ völlig widersinnig mit der „Flüchtlingspolitik der Bundesregierung“ in Zusammenhang gebracht werden. Nichts hat mit nichts zu tun.