Der Osterfrieden, den Christian Lindner etwas illiberal durch Armin Laschet gestört sah, liegt – gestört oder ungestört – hinter uns. Jetzt können wir den nachösterlichen Unfrieden in vollen Zügen genießen, vor allem das immer drängender werdende Hauen und Stechen der potenziellen Kanzlerkandidaten der Unionsparteien. Oder etwa nicht? Erleben wir etwas ganz anderes? Etwas Merkwürdiges?
So ist es. Quasi als Fortsetzung des Osterfriedens überrascht uns die christliche Union mit nicht nur einer, sondern gleich mit zwei wunderbaren Freundschaften. Diese Freundschaften, die man präziser Söder-Freundschaften nennen sollte, sind noch in der ersten Frühlingsblüte, aber sie sind umso wunderbarer. Die Freundschaft Nummer eins ist die immer liebevollere Annäherung Markus Söders an unsere Bundeskanzlerin. Die ersten Liebes-Chancen konnte Söder schon vor Ostern wittern, als nämlich Angela Merkel ihren lange bevorzugten Kanzlerkandidaten Armin Laschet öffentlich wegen seiner Corona-Politik tadelte. Damit stieß sie ein window of opportunity, ein Fenster der Möglichkeiten für Markus Söder auf.
Der (wenn auch fränkische) Bayer ließ sich diese Einladung zum Fensterln nicht entgehen. Bei Bild und Markus Lanz schmiss er sich verbal an die Kanzlerin ran und ernannte sie zur Kanzlerkandidatenmacherin. Natürlich müsse sie eine entscheidende Stimme bei dieser internen Wahl haben, sagte er und positionierte sich damit als offizieller Merkel-Verehrer. Ein schönes Kompliment an die Kanzlerin – mit eingebauter Gemeinheit in westliche Richtung? Also mit der Gemeinheit, sich genau in dem Moment an die Kanzlerin heranzumachen, da Konkurrent Laschet in Ungnade dahinschmachtet? Oder etwa nicht? Erleben wir etwas ganz anderes? Etwas Merkwürdiges? Stimmt. Denn zwischen Söder und Laschet erblüht gerade die andere, die zweite wunderbare Freundschaft, von der hier berichtet werden soll.
Das Wunder von München: Söder gibt dem Konkurrenten seinen Segen
Armin Laschet ist ja vom fröhlichen Landesvater in die Rolle des von allen Freunden (und guten Geistern?) verlassenen Einsamen abgerutscht. Er leidet nicht nur unter der Ungnade der Kanzlerin. Er leidet auch als möglicher Kanzlerkandidat unter mangelnder Begeisterung beim Publikum. Tja, und dann steht er jetzt auch noch einsam und verlassen auf seiner Lockdown-Brücke, die er unter dem Titel „Brücken-Lockdown“ frisch gebaut hat. Kaum hat er sie betreten, da droht sie unter den Attacken seiner Ministerpräsidenten-Kollegen schon wieder einzustürzen. Und was geschieht? Das Wunderbare. Markus Söder hebt den gefallenen Mitstreiter vom Boden auf und gibt zum allgemeinen Erstaunen dem Düsseldorfer Brücken-Lockdown seinen bayerischen Segen und damit einen dringend benötigten kräftigen Stützpfeiler. Und überhaupt findet Söder, sagt er, Armin Laschets Arbeit als Ministerpräsident „ganz hervorragend“. Ein beeindruckender Akt der Männerfreundschaft. Wie ist diese frisch erblühte Freundschaft zu verstehen? Was könnte Söder geleitet haben?
Da ist einmal das allgemein-menschliche Prinzip der Fairness, dass man jemanden, der am Boden liegt, nicht noch weiter quält, sondern ihm die Hand reicht. In der Politik kann noch die Überlegung hinzukommen, dass es beim Publikum gut ankommt, wenn man nicht nachtritt, sondern sich als fairer Mitspieler erweist. Hineinspielen kann auch die Überlegung, dass es bei Angela Merkel, der von Söder dazu ernannten Kanzlerkandidatenmacherin, einen angenehmen Eindruck hinterlässt, wenn man nicht nur Power zeigt, sondern auch die Fähigkeit zu Friede, Freude und Eierkuchen.
Nicht zu vergessen die jüngsten Ernüchterungen, die Bayerns korrupte Maskenraffkes ihm und seiner CSU zugefügt haben. Auch Söder hat erfahren müssen, wie schnell man einen politischen Blechschaden erleiden kann. Das stimmt milde gegenüber anderen Beschädigten. Und schließlich besteht da auch noch die Möglichkeit einer spontan geborenen Freundschaft ohne politische Haken und Ösen.
Soweit das Panorama dieser den Weißwurstäquator überschreitenden Freundschaften. Nun zu der Frage, ob beide wunderbaren Söder-Freundschaften – die in Richtung Berlin und die in Richtung Düsseldorf – eine Prognose für die kommenden Wochen möglich macht. Irgendwann in nächster Zeit muss ja entschieden werden, wer in Angela Merkels Fußstapfen treten soll.
Wer weiß, wo Merkels Geheimwaffe steckt?
Schon seit einiger Zeit führt Markus Söder (heimlich) das kleine Kandidatenfeld an. Und seine jüngsten Berliner Freundschaftsentwicklungen, gepaart mit Muttis Abstrafung ihres rheinischen Adoptivsohns, geben dem Franken einen weiteren Vorsprung. Aber jeder Besucher von Pferderennen weiß: Der Sieger drängt sich oft auf den letzten Metern am Feld vorbei nach vorn. Und keiner weiß, ob Angela Merkel, die stets ihr Girls Camp gepflegt hat, nicht noch eine Geheimwaffe in petto hat, die den galoppierenden Herrenclub in Angst und Schrecken versetzen könnte.
Naja, zu sehen ist da niemand. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer hat sie keine ganz glückliche Hand gehabt. Ursula von der Leyen musste sie mit Hilfe einiger Freunde nach Brüssel in Sicherheit bringen. Keine ermutigende Bilanz.
Bleibt also nur Söder? Oder kann Laschet ein Comeback feiern? Und war da nicht noch einer? Natürlich, Friedrich Merz, der dritte Mann. Könnte er das dark horse sein? Oder hat er schon aufgegeben, weil keiner ihn liebhat und die Kanzlerin schon gar nicht? Und wo ist eigentlich Jens Spahn? Er war schon zugunsten Laschets ins zweite Glied getreten und hat sich dann als Corona-Spahn noch unbeliebter gemacht als der im Beruf unverzeihlich erfolgreiche und wohlhabende Merz.
Schließlich: Gehört Söder überhaupt zu den Kandidaten? Bisher hat er das noch nicht zugegeben. Die Kandidatenmacherin Merkel müsste ihn schon kräftig ziehen, damit er hinsinkt. Ja, er wird schon hinsinken, wenn sie ihn entsprechend zieht. Warum sonst hätte er Angela Merkel zur obersten Kandidaten-Instanz erklären sollen? Aber wird sie ihn ziehen, und zwar ausreichend kräftig, damit er hinsinken kann? Fragen über Fragen.
Es hilft alles nichts. Da gedeihen zwei wunderbar vielsagende Freundschaften, und man ist trotzdem so klug als wie zuvor.