Dirk Maxeiner / 07.08.2012 / 14:33 / 0 / Seite ausdrucken

Württembergische Grüne gegen Wald

Da sagt mal ein Politiker was Vernünftiges - und prompt ist er ein böser Bube. Der Baden-Württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) meinte in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung, es mache doch nichts, “wenn im Schwarzwald ab und zu mal ein Tal zuwächst”. Siehe hier und hier. Das war eine Anspielung auf die Subventionen, die Bauern mittlerweile für “Landschaftspflege” oder auch “Erhaltung der Kulturlandschaft” kassieren, also dafür auf Bergwiesen Kühe für Touristen auszustellen. Schmid kann sich vorstellen, dass man dieses Geld andernorts besser anlegen könnte, was durchaus nachvollziehbar ist. Verrückt an der Sache ist vor allem eines: Bis vor ein paar Jahren jammerte dieses Land und seine grüne Elite noch über das totale Waldsterben. Jetzt wächst der Wald und es ist auch nicht recht. Die Grünen samt Ministerpräsident Kretschmann distanzieren sich heftig von dem herzlosen Schmid. Schwarzwaldbauern empfinden sogar einen “Schlag ins Gesicht”. In der Schweiz ist das übrigens ähnlich, ich habe am vergangenen Freitag zufällig zu diesem Thema eine Kolumne in der Basler-Zeitung geschrieben. Passt prima zur Causa Schmid. Hier ist sie:

Anarchie auf der Alm

Die Schweiz ist von einer schleichenden Gefahr bedroht, die unbedingt „eingedämmt“ und „gestoppt“ werden muss, heißt es in einem Beitrag des landwirtschaftlichen Informationsdienstes „LID.CH.“, der sich an Medien, Schulen und Konsumenten wendet.  Ganze Berggemeinden sind mittlerweile vom Unheil „umzingelt“ und schauen fatalistisch zu, wie es sich ausdehnt und „breit macht“.  Ökologisch wertvolle Trockenwiesen seien durch das Böse ebenso gefährdet wie Wanderwege, Aussichtspunkte, Loipen und Suonen. Bedauerlicherweise fehle es den Einheimischen vielfach am Bewusstsein um sich der verhängnisvollen Entwicklung entgegenzustemmen. Besonders im Wallis ist es fünf vor zwölf.

Von welcher Bedrohung ist hier die Rede? Sind die Alliens am Aletsch gelandet? Breitet sich eine geheimnisvolle Seuche aus? Oder sucht irgendeine andere Art von Terror die friedliebende Schweiz heim? Die Lage ist in der Tat ernst: Das Reich des Bösen verbreitet sich unter einem grünen Deckmantel und dem harmlos klingenden lateinischer Tarnnamen „Silva“. Umgangssprachlich bezeichnet man das Phänomen gemeinhin als „Wald“. Der Kanton Wallis hat den Gemeinden bereits einen Leitfaden zugestellt, wie man gegen unerwünschten Waldwuchs vorgehen kann, denn er wächst dort Jahr für Jahr um 1000 Hektar. „Es ist praktisch unmöglich den Wald im gesamten Walliser Berggebiet zurückzudrängen“, beschreibt Mathias Hutter von der Walliser Dienststelle für Wald und Landschaft die grüne Urgewalt. Und es besteht Ansteckungsgefahr: Der Wald ist im gesamten Alpenraum auf dem Vormarsch. Eine deutsche Natur-Zeitschrift warnte schon eindringlich: „Bauminvasion gefährdet Almwiesen“.

War nicht irgendwann mal vom Waldsterben die Rede? “Es ist nicht fünf vor zwölf. Sondern es ist längst zwölf Uhr gewesen. Die Sturzfahrt ist in den freien Fall übergegangen”, beschrieb Moritz Leuenberger 1984 das definitive Ende des Waldes. Verena Grendelmeier Nationalrätin der LDU/EVP assistierte im gleichen Jahr:?“Wir stehen am Rande eines Abgrundes, einer Katastrophe.”?Und jetzt das. Keck widersetzt sich der dunkle Tann den politischen Prognosen. Heimtückisch machen sich Lärchen, Tannen und Ahorne über den rasierten Milka-Rasen her, der von untersubventionierten Bergbauern verlassen wurde. Wohin das führen kann, sehen wir in Österreich, wo massive Bauminvasionen Bären zurück in die Alpentäler lockten, und in Deutschlands Osten, wo die Wölfe in zurückeroberte Territorien vordringen. Auch Uhu und Schwarzstorch gehören zu den Trittbrettfahrern der verhängnisvollen Selbstbegrünung des Planeten. Sie tun das ohne uns zu fragen und ohne die Zustimmung von Politikern und Bundesräten. Da erhebt sich selbstverständlich die Frage: Dürfen die das?

Ohne unsere fleißigen Landwirte, da sind sich Grüne, Schwarze und Rote, Ökobauern und konventionelle Agrarier europaweit ungewöhnlich einig, würde unsere schöne europäische Kulturlandschaft zu einem hässlichen Gestrüpp entarten. So weit darf es nicht kommen. Auf die Traktoren ihr Bauern Europas, bekämpft die Bauminvasion! Denn was wäre die Natur ohne euch? Ein ungepflegtes grünes Kuddelmuddel in dem sich womöglich gefährliche Tiere versteckt halten. In jedem Grimms-Märchenbuch können wir lesen, wie bedrohlich die Natur außer Kontrolle geraten kann. Der Landschaftsgeometrie gehört die Zukunft! Folgerichtig gehört die „Arbeit für das Kulturgut Boden“ (landwirtschaftlicher Informationsdienst) mittlerweile zu den Standardargumenten für die Erlangung staatlicher Subventionen. Nieder mit der Laissez-faire-Wildnis! Und hoch die Heckenscheren!

Was zur nächsten Frage führt: Wie hässlich muss die Natur gewesen sein, bevor sie von Bauen und Landschaftsplanern gepflegt und säuberlich geordnet wurde? Und: Warum reisen eigentlich so viele Schweizer und Deutsche in die völlig ungepflegten Wildnisgebiete Australiens, Afrikas oder Nordamerikas? Warum lachen wir über Vorgartenspießer, die ihre rechteckige Hecke mit dem Rasierapparat stutzen - haben nicht auch sie ein Recht auf Subventionen und Landschaftspflegegeld?

Ob der menschliche Planungswille wirklich zum gewünschten Ziel führt, darf trotz aller Bemühungen bezweifelt werden. Dafür spricht zumindest ein exemplarischer Vorfall in Frankreich. Vor einem Gästehaus des französischen Außenministeriums lag einst ein idyllischer Teich. Leider war er seit langem ausgetrocknet. Dann beschlossen die Beamten, das Gewässer wiederherzustellen. Doch kaum war das Wasser eingefüllt, wucherten hässliche Algen und störten die geplante Idylle. Deshalb ließen die Beamten Fische aussetzen, um die Algen zu fressen. Doch anstatt Algen zu fressen, wurden die Fische selbst gefressen. Und zwar von ungebetenen Graureihern. Nun stehen Graureiher unter Naturschutz. Deshalb sollten Füchse sie dezimieren, weil sie das Gesetz ja nicht lesen können. Doch statt der Fischreiher schnappten sich die Füchse die Zierenten. Dank gesicherter Mahlzeiten vermehrten sich Füchse und Fischreiher prächtig und machten nun auch die Gärten und Teiche der Nachbarn unsicher. »Ein schreckliches ökologisch administratives Drama«, schrieb die Tageszeitung „Figaro“. Dann muss einem Fuchs im Außenministerium eine Eingebung gekommen sein: Die Wasserversorgung des Teichs hatte plötzlich einen mysteriösen Defekt. Es zeigte auch niemand Interesse daran, sie zu reparieren. Das Katastrophengewässer trocknete wieder aus. Wir lernen: Die Natur ist eine ziemlich dynamische Angelegenheit und zeigt keinerlei Bereitschaft, sich von Politikern und Bürokraten managen zu lassen. Was diese nicht daran hindert, es immer wieder zu versuchen.

 

 

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