Rainer Bonhorst / 09.03.2018 / 16:47 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 4 / Seite ausdrucken

Wucht und Höhe

Zu meiner Zeit lief ich noch als unzweifelhaft mittelgroß durchs Gelände. Die mir folgenden Generationen sind trotz der sie von allen Seiten bedrohenden Umwelt- und Junkfood-Gefahren sichtbar höher geraten als ich alter Knabe. Auch die Zahl der Frauen, die mich überragen, hat zugenommen.

Heute freue ich mich, wenn ich mich gerade noch am unteren Rand der Mittelgröße festklammern kann. Zur weiteren Bedrängnis gehört, dass heutzutage auch Schlankheit Pflicht ist. Zu meiner Zeit zählte bei Personen, die Führungspositionen einnehmen wollten, noch das Prinzip der Luftverdrängung. Was nach oben nicht ging, ließ sich durch Breite im dreidimensionalen Sinne ausgleichen. Diese Chance ist im Zeitalter der bitter erkämpften Asketik den weniger Großen genommen worden.

So weit diese Vorrede. Warum hat sie überhaupt stattgefunden? Weil mir beim Betrachten der neuen SPD-Minister-Riege einiges zum Thema Körpergröße aufgefallen ist. Und zwar, dass zwei Ministerinnen, die Justizministerin und die Familienministerin den stärksten Mann in der SPD-Riege im Längenmaß klar überragen. Nur die neue Umweltministerin Svenja Schulze bewegt sich nach traditioneller Art etwas unterhalb des neuen Außenministers und Vizekanzlers. Ich würde Olaf Scholz auch nach heutigem Maßstab noch als mittelgroß bezeichnen. Aber, so ist die Entwicklung, Katarina Barley und Franziska Giffey toppen ihn deutlich.

Sagt uns das etwas und wenn ja, was sagt es uns? Wieviel ist bei diesem Größenvergleich der weiblichen Schuhmode geschuldet, die ja dem klassisch orientierten Mann versagt ist? Oder steckt nicht doch eine politische Botschaft in dieser Größenabstufung, eine optisch bewusst eingesetzte Vorausschau auf die politische Machtverschiebung vom Mann zur Frau?

Andrea Nahles, die als große Vorsitzende bei der Vorstellung der Minister die Fäden in der Hand hielt, wirkt auf den Fotos zwar nicht höher als ihr wichtigster Minister, wohl aber wuchtiger. Ihr ist zuzutrauen, dass Wucht und Höhe der Genossinnen in ihrem Kalkül durchaus eine Rolle gespielt haben. Die Zukunft gehört demnach den im körperlichen Sinne starken Frauen, selbst wenn ein mittelgroßer Mann noch eine Hauptrolle spielen darf.

In Höhe und Breite unschlagbarer Helmut Kohl

Allerdings haben wir es hier offenbar mit einem reinen SPD-Phänomen zu tun. Bei der CDU ist eine eher kleine, wenn auch nicht unkräftige Frau seit Ewigkeiten die Chefin. Als Nachfolgerin hat sich Angela Merkel eine auch nicht gerade hoch aufgeschossene Saarländerin ausgesucht. Und die Dritte im Bunde ist der zarteste Verteidigungsminister, den dieses Land und seine Truppe je gesehen haben. Der Vormarsch der Frauen scheint sich bei der CDU also unabhängig von der körperlichen Ausdehnung nach oben zu vollziehen, während die SPD-Symbolik etwas anderes suggeriert.

Lang ist bei der CDU hingegen der neu aufgestiegene und damit schlau eingebundene Quertreiber Jens Spahn. Der könnte glatt bei der CSU mitmachen. Denn dort geht es nach traditioneller Männerart zu: Der lange Horst Seehofer wird von dem noch eine Spur längeren Markus Söder abgelöst, und die fesche Ilse Aigner muss zuschauen und – so ist das halt im Süden – zu den beiden Langen aufschauen. So jedenfalls stellt sich die CSU heute dar. Zu meiner Zeit konnte ein Franz Josef Strauß noch bei mittlerer Größe durch Breite für die notwendige Luftverdrängung sorgen. Gegen den sowohl an Höhe als auch an Breite unschlagbaren Helmut Kohl hatte er allerdings schon damals keine Chance.

Wie auch immer: Noch herrscht im Freistaat kein Girls Camp, sondern eine Truppe anständig verfeindeter Mannsbilder. Von langen Kerls zu sprechen verbietet sich in Bayern. Und lange Mädels wie dort oben in Preußen bei der SPD habens mir Bayern keine net.  

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Bernd Ackermann / 09.03.2018

Wenn in der Politik der Quotient von Länge und Breite bzw. der eingenommene Rauminhalt ausschlaggebend ist - wie konnte dann damals Norbert Blüm durchflutschen, der ja kaum eine Handbreit höher als ein Rauhaardackel ist? Naja, Exzesse gibt es überall. Und dass die Verteilung von Posten und Pöstchen etwas mit dem Raummaß zu tun hat ist schon naheliegend, denn die fachliche Qualifikation ist offenbar nicht mehr entscheidend. Von “Mädels” zu sprechen ist übrigens sexistisch, damit landet man schneller bei #metoo als man denkt. Auch in Bayern.

Gernot Radtke / 09.03.2018

Ich würde dem künftigen Außenminister - die vielen Selbstkonstrukte der roten Genderwissenschaften geben das längst her - empfehlen, seine ersten Auftritte, um Gedanken über zu Kleines gar nicht erst aufkommen zu lassen, in High Heels zu absolvieren. Das könnte auch einen großwüchsigen Rabauken wie Trump beeindrucken, zu dem Maas ja bald hinmuß, um den deutschen Kratzfuß, schöne Grüße von Frau Merkel und wie immer etwas Germoney zu entbieten. Maas kann sich ja wohl schlecht, wenn der POTUS zu ihm spricht, auf einen Hocker stellen, um Trump in die blauen Augen zu schauen.

E. Fischer / 09.03.2018

Geschätzter Herr Bonhorst, Auf Höhe und Breite gehen Sie in Ihrer Analyse umfassend ein. Allein die Tiefe fehlt. Oder ... allein an Tiefe fehlt´ s ?! Die kann die Wucht wohl nicht ersetzen. Mit besten Grüßen E. Fischer

Helmut Bühler / 09.03.2018

Einige der Mädels mögen die Jungs überragen, im Durchschnitt ist die illustre Riege aber ziemlich kurz geraten. Das finde ich sehr passend, eine wunderschöne Konvergenz von Form und Inhalt. Passend zur Verzwergung der politischen Inhalte eine Verzwergung des Personals. Welch anmutige politische Ästhetik - Glückwunsch, SPD.

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