Der Arbeitsmarkt brummt. In Berlin wird die Stelle eines Bundespräsidenten frei. Die Konditionen sind gut: Fünfjahresvertrag, 217.000 Euro Gehalt per annum. Zusatzleistungen: Dienstwagen ( 333 PS), Dienstvilla (15 Zimmer, S-Bahn-Nähe). Spesen extra.
Doch die Suche nach einem passenden Kandidaten zieht sich dahin. Die Zeit bis zum 12. Februar, an dem der Vertrag fällig werden soll, wird langsam knapp: Zwei haben schon abgesagt: Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle und Ex-EKD-Vorsitzende Margot Käßmann. Schade, eine First Lady mit Punkten in Flensburg wäre mal was Neues gewesen. Ihr Promilleregister hätte sie aber nicht behindert, weil das Stellenangebot ja einen Achtzylinder-Wagen mit Chauffeur beinhaltet.
Die Unentschlossenheit der Bundesversammlung, die den Job zu vergeben hat, steht im Einklang mit dem allgemeinen politischen Klima in Berlin. Angela Merkel und Sigmar Gabriel können sich ja auch nicht entscheiden, ob sie 2017 Bundeskanzler werden wollen. Wenn das Volk den Gauck-Nachfolger direkt wählen dürfte, hätte Außenminister Walter Steinmeier sicher die Nase vorn. Dieter Bohlen und Boateng wären auch ganz passable Nennungen, aber die 1260 Deputierten haben diese überhaupt nicht auf dem Zettel. Als wenn ein Poptitan und ein Fußballer a priori weniger qualifiziert wären als eine Pastorin und ein Gerichtsherr. Nicht Volkes Wille entscheidet eben, sondern Koalitions- und Lagerarithmetik. Das hindert seine Betreiber nicht, das Ganze als einen demokratischen Vorgang zu verstehen.
Gabriel wagt sich aus der Deckung - und fällt auf den Bauch
Die politische Klasse, von links bis rechts, will auch keinen öffentlichen Dialog und keinen Durchblick. Der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger findet es "unverantwortlich, in der Öffentlichkeit mit Namen zu spielen." SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel hat sich nur bei einer potentiellen Bewerberin, nämlich Käßmann, aus der Deckung gewagt - und ist auf den Bauch gefallen.
CDU und Grüne nennen gar keine Namen. Wer ins Rennen geschickt wird, das soll hinter den Kulissen ausgekungelt werden. Zur Disposition stehen bis auf weiteres drei Modelle: rot-rot-grün, schwarz-grün und jeder gegen jeden für den Fall, daß kein Lager die absolute Mehrheit zustande bringt. Schwarz-rot scheidet, so wie die Dinge stehen, vermutlich aus. Merkel will Steinmeier nicht, die Sozis wollen keinen Schwarzen. Allerdings, da kann sich noch was ändern.
Das Amt, das es zu besetzen gilt, ist mit einem hohen Tabuzaun umgeben. Den Mann oder seine Wahl zu kritisieren, ist nicht erwünscht. Die Medien halten sich auch streng an das Unbeflecktheitsgebot. Kein hämisches Wort, kein respektloses Foto. Man dürfe das Präsidentenamt nicht beschädigen, hat Finanzminister Wolfgang Schäuble gesagt.
Warum eigentlich nicht? An allen Politikern darf man, nur an dem nominellen Staatsoberhaupt soll man keine Kritik üben. Jedoch, der Staat ist nicht und war noch nie „die Wirklichkeit der sittlichen Idee“, wie Hegel schrieb. Deshalb braucht er auch keinen Moralisten als obersten Repräsentanten. Einen Supermann auch nicht.
Ein Frühstücksdirektor wäre gut genug
Es wird ja nichts gefordert, was nicht ein normaler Frühstücksdirektor mit einer guten Anzugsfigur und ein wenig rhetorischer Begabung auch bringt. Schön natürlich, wenn er auch noch Ruckreden halten kann (wie Herzog), Erinnerungskultur schaffen kann (wie Weizsäcker) oder Gassenhauer singen kann (wie Scheel).
Aus gegebenem Anlass stellt sich die Frage: Wozu braucht man überhaupt einen Präsidenten? Weil fast alle anderen Staaten auch einen haben beziehungsweise einen Monarchen, Religions- oder Revolutionsführer? Chefsachen erledigt die Chefin, nämlich die Bundeskanzlerin, selbst. Für alle übrigen Verrichtungen hat der Staat Fachkräfte, die in ihrem Fach souveräner sind als der Souverän. Sein Geschäft sind Formalitäten und sonst nichts.
Das ist in Deutschland anders als in Österreich. Dort ist der Bundespräsident auch Oberbefehlshaber des Heeres. Er kann die Bundesregierung, wenn sie nicht pariert, nach freiem Ermessen entlassen und selbst zeitweilig per Notverordnungen regieren
Wollen die Deutschen überhaupt einen republikanischen Kaiser, der nichts zu sagen hat? Ja, doch, sie schimpfen zwar nach Kräften auf ihre Oberen. Aber einen wollen sie da oben, der über alle Anfechtungen erhaben ist. Gewiß, er nützt nichts, aber er schadet auch nichts. Früher sangen die Schulkinder: „Der Kaiser ist ein lieber Mann und wohnet in Berlin, und wär´ es nicht so weit von hier, so führ´ ich heut´ noch hin.“ Heute würden sie singen: „Der Buprä ist ein lieber Mann…“.
Geld spielt keine Rolle. Der Präsidialbetrieb ist erschwinglich. Er verschlingt jährlich rund 30 Millionen Euro. Doch die Aufwendungen bewegen sich in der Größenordnung der Beträge, die andere Europäer für ihre Königshäuser aufbringen. Die spanischen Royals sind etwas billiger, die norwegischen etwas teurer. Buckingham und seine Dependancen kosten in etwa so viel wie Bellevue.
Und das Volk schweigt
Die Schweiz ist eine rühmliche Ausnahme. Sie hat kein richtiges Staatsoberhaupt. Und man könnte nicht sagen, die Eidgenossenschaft wäre keine gut funktierende demokratische Körperschaft. Immer einer der regierenden Bundesräte gibt nach dem Rotationsprinzip den Primus inter pares. Das System ist auch kostengünstig. Die amtierenden Hoheiten dürfen sich nicht mal Staatsbesuche leisten.
Die deutschen Verfassungsväter erwogen 1949 mit Blick auf die schlechten Erfahrungen in der Weimarer Repubik zunächst ein Triumvirat, sie entschieden sich dann aber doch wieder für einen Solitär. Sie waren großzügig, als sie die Eckwerte für das höchste Amt im Staate festsetzten, besonders bei der Besoldung und der Verrentung. Allein die Altersversorgung der vier noch lebenden Altbundespräsidenten kostet die Staatskasse jährlich fast eine Million Euro.
Und was sagt das Volk dazu?
Nichts. In den sozialen Netzwerken, die schon überschäumen, wenn ein User sich für freie Burkas stark macht oder wenn einer einen Schwarzen einen Neger nennt, sind die reichen Vier fast kein Thema.
Die Bilanz der elf Präsidenten, die die Republik in 67 Jahren hatte, ist überwiegend positiv. Deutlich unter der Norm blieb nur der Niedersachse Christian Wulff (CDU). 2014, zwei Jahre nach seinem Abgang, mußte er sich trotz seiner enormen Bezüge vorm Landgericht Hannover gegen den Vorwurf der Vorteilsannahme verteidigen. Weil er freigesprochen wurde, avancierte er nicht zum ersten vorbestraften Ex-Bundespräsidenten.
Der 52jährige Wulff , der nur gut anderthalb Jahre im Amt war, bezieht eine Pension, die so hoch ist wie die der zwei wichtigsten Bundeskanzler seit Adenauer zusammen. Wobei Kohl und Schröder in der deutschen Geschichte Spuren hinterlassen haben, Wulff aber nur in der deutschen Gerichtsbarkeit.
Steinmeier hat Wulff aufgefordert, wenigstens auf Dienstwagen und Büro zu verzichten. Aber der lehnte ab. Bei allem sonstigen Dissens sind sich die Deutschen ziemlich einig: So einen nicht wieder. Sympathien hat Wulff nur noch bei den Deutschtürken, die er seinerzeit mit dem Kalauer erfreute "Der Islam gehört zu Deutschland".
Keine Sternstunde für den Stern
Auch der Sauerländer Zwergschulabsolvent Heinrich Lübke war keine optimale Besetzung. Aber der Mann war in den letzten Jahren seiner Amtszeit hochdement. Und seine kindischen Sprüche ("Die Leute (in Afrika) müssen ja mal lernen, daß sie sauber werden", "Ich wünsche Ihnen eine gute Entwicklung da unten") haben Deutschlands Reputation als Kulturnation und Global Player auch nicht fühlbar beeinträchtigt.
Seine bescheidene Reputation verdankte Lübke nicht allein seiner Krankheit, sondern auch einem Kartell von Verunglimpfern, die sich nicht um die Würde des hohen Amtes scherten und ihm zum Teil frei erfundene Zitate anhängten. Ex-"Spiegel"- Kolumnist Hermann Gremliza berichtete später, der viel belachte Satz "Equal goes it lose" sei Ihm von einem Bonner "Spiegel"-Redakteur in den Mund gelegt worden.
Der "Stern“ beteiligte sich an der unfairen Hatz auf Lübke mit der Veröffentlichung von „Dokumenten“, die beweisen sollten, daß er im Dritten Reich "KZ-Baumeister“ gewesen war. Der Beweis wurde letztlich nicht erbracht. Bewiesen ist nur, daß die Dokumente der Redaktion aus der der Giftküche der Stasi zugespielt worden waren. Für den „Stern“ war das keine Sternstunde.
Multikulti-Zeitgeistler wollen jetzt der Bundesversammlung den deutsch-iranischen Schriftsteller Navid Kermani als Prätendenten verkaufen. Eine aparte Idee, sie ist aber nicht umsetzbar. "Spiegel"-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer schrieb gleichwohl an seine Leser: "Ja, Kermani wäre der Richtige.“ Nebbich, Kermani arbeitet freiberuflich als "Spiegel"-Reporter.
Die Investitur eines Moslems als Landesvater wäre in einem Land, in dem der Umvolkungsschmarren um sich greift, eine unkalkulierbare Provokation. Auch wenn er nicht ein Minarett im Park von Schloß Bellevue errichten ließe, wie rechts befürchtet wird.