Wokeness & Co.: Schwarz-Weiß-Denken überwinden

Randale, Plünderungen, Tote – so die Bilanz nach einigen Ausschreitungen von „Black Lives Matter“ 2020. Dennoch kam BLM beim Establishment auf beiden Seiten des großen Teichs besser an als jüngst eine durchs Parlamentsgebäude laufende Truppe, zu der auch ein gehörnter „Schamane“ gehörte. So überlegt mancher sich zweimal, ob er sich mit „BLM“ anlegt, wird deren Ansatz doch von vielen gefeiert und von Mainstreammedien gepriesen.

Die Auseinandersetzung mit einer Bewegung, die sich Antirassismus auf die Fahnen schreibt, zugleich aber nach Rassenkategorien bewertet, tut jedoch not. Für den deutschen Sprachraum liegt seit letztem Monat ein Sammelband vor, der sich dieser Aufgabe annimmt. „Schwarzes Leben, weiße Privilegien?“ heißt der Beitrag von Sabine Beppler-Spahl.

„Die scharfe Trennung in ‚schwarz und weiß‘ sowie die Behauptung, es gebe eine ‚schwarze Stim­me‘ machen die BLM-Bewegung angreifbar“, urteilt die Herausgeberin. „Ihre politische Ideologie wird von einem Rassendenken getragen, das nicht dazu taugt, Diskriminierungen aufzuheben.“ Als Ansatz, Rassismus zu überwinden, tauge sie keineswegs, sondern spalte die Gesellschaft.

Das Privileg der Weißen empirisch nicht haltbar

Autoren aus vier Kontinenten, unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe beschäftigen sich in dem in der Edition Novo erschienen Band mit verschiedenen Aspekten von BLM. Coleman Hughes – unlängst in die Liste der 30 wichtigsten Medienschaffenden unter 30 des Forbes-Magazins aufgenommen – prangert in seinem Beitrag den „illiberalen Antirassismus der Rassenbewussten“ an. Und hält ihm für sein Land, die USA, den Traum Martin Luther Kings entgegen, „dass das, was wir gemein haben, letztlich wichtiger ist als das, was uns trennt“, dass Menschen unabhängig von ihrem Stammbaum einander auf Augenhöhe begegnen sollten. Hilfreicher als die BLM-Aggressionen wäre diesbezüglich, sich des Problems der Wohnsegregation in der amerikanischen Bevölkerung anzunehmen – dem geht ein Essay von Martin Bartholmy auf den Grund.

Ein Kernbegriff des der BLM-Bewegung zugrundeliegenden Denkens ist der des „White Privilege“. Xin Du wirft der Erfinderin des Begriffs, der Autorin Peggy McIntosh, „rassistische Verallgemeine­rungen“ vor, „wie sie auch ei­nem Ku-Klux-Klan-Mitglied nicht fremd wären“. Das Privileg der Weißen sei als empirische Diagnose nicht haltbar und müsse als Mythos entlarvt werden. Inaya Folarin Iman aus Großbritannien plädiert für ‚farbenblinde‘ Gleichheit und wirft der linken Identitätspolitik vor, Rasseneinteilung einfach in umgedrehter Form zu übernehmen: „Anstatt also ‚Weißsein‘ zu konstruieren, um Reinheit, Macht und Intelligenz zu konno­tieren, versuchen moderne Aktivisten, die Bedeutung umzu­kehren, so dass es an Schuld, Erniedrigung und Privilegien denken lässt.“

Im Falle europäischer Länder wird hierbei meist der Kolonialismus angeführt. In der „postkolonialistischen“ Bilderstürmerei gegen vermeintlich rassistische und kolonialistische Symbole wie Statuen, Abbildungen und Namen sieht Beppler-Spahl eine „Politik der ‚kulturellen Reinigung‘“ seitens „moderner Kreuzzügler“, die ihren Mitmenschen pauschal unterstellen, selbst heute noch in lauter einschlägigen Vorurteilen gefangen zu sein. „Der Kulturkampf gegen die Vergangenheit richtet sich zunehmend“, beklagt der britische Soziologe Frank Furedi, „auch gegen die zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheit als Ganze“.

Und geht dabei von falschen historischen Prämissen aus. So wendet sich der Historiker Ulrich von der Heyden im Interview gegen die Umbenennung der Berliner Mohrenstraße, deren Bezeichnung in keinem historischen Zusammenhang zum Kolonialismus steht. Die von Aktivisten anvisierte Einrichtung einer rein „schwarzen“ Hochschule in Großbritannien – mit „de-kolonialisiertem Lehrplan“ – ist Gegenstand eines Artikels von Joanna Williams, in dem die Autorin vermutet, dass derlei Pläne einer neuen Rassentrennung von zunehmend gängigen „Entkolonialisierungsbestrebungen oder Bewusstseinsförderungs­maßnahmen gegen Rassismus und Mikroaggressionen“ an britischen Unis angefacht werden.

Als US-Pendant zum europäischen Kolonialismus fungiert bei den historischen Mobilisierungsthemen die Sklaverei. Hier weist Promise Frank Ejiofor darauf hin, dass global gesehen Täter und Opfer nicht so holzschnittartig auf Hautfarben verteilt werden können, wie es manche zu tun belieben: Auf verschiedenen Kontinenten „gab es Käufer, Makler und Verkäufer, und ihre Identitäten waren so komplex wie der Handel selbst“. Er lehnt unter anderem deshalb Reparationen für Sklaverei ab.

Mehrere Beiträge widmen sich Persönlichkeiten wie Martin Luther King oder dem Antikolonialisten CLR James aus Trinidad. So erschließen sich Unterschiede zwischen verdienstvollen Befreiungsaktivisten einerseits und den Hysterien heutiger Tage andererseits. Ferner beleuchtet Kai Funkschmidt das Antisemitismusproblem bei BLM.

Der postmoderne, identitätspolitische, historisch minderbemittelte und zensorische Ansatz von Black Lives Matter feuert Schüsse ab, die nach hinten losgehen. Er schadet dem Anliegen des Antirassismus mehr, als er gegen echte oder herbeiphantasierte ethnische Diskriminierung in westlichen Gesellschaften auszurichten vermag. Dass seine Kritiker beileibe keine Rassisten zu sein brauchen – ganz im Gegenteil –, zeigt dieses Buch.

Sabine Beppler-Spahl (Hg.): „Schwarzes Leben, weiße Privilegien? Zur Kritik an Black Lives Matter“, 2020, Frankfurt/Main: Novo Argumente Verlag, hier bestellbar.

Foto: Tomaschoff

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Markus Kranz / 26.01.2021

Der IS kritisiert auch “Intoleranz” und “Rassismus” des Westens, Kim Jong Un auch - und das während sie zur Auslöschung von Franzosen, Schweizern, Amis, Israelis aufrufen. Gleiches gilt für Typen wie Yusra Khogali/BLM, Mahathir Mohammed usw., die viel rassistischer sind als jeder amerikanische Polizist je sein könnte. Und wenn Linke Seite an Seite mit solchen Typen gegen den Westen marschieren, dann könnten Sarrazin, Orban & Trump ohne weiteres ne Antirassismusdemo gegen die Linken abhalten - und hätten damit Recht.

Pedro Jimenez / 26.01.2021

Man kann das Buch übrigens auch direkt beim Verlag kaufen. Bin nämlich gerade amazonmäßig am “abspecken” und habe einen Kaffekapsel-Lieferanten über seinen Namen bei amazon gefunden und direkt bei ihm bestellt. Kostet zwar Lieferkosten, aber das ist es mir Wert. Amazon mischt sich in Politik ein. Und zwar einseitig. Das geht gar nicht. Deshalb schleiche ich langsam aus.

Christoph Lövenich / 26.01.2021

@ Harald Unger: Ich will Ihrer Sicht gar nicht grundlegend widersprechen. Der Ansatz des vorgestellten Buches geht den einen zu weit (auch einem langjährigen Novo-Kooperationspartner), den anderen nicht weit genug. So kann es durchaus Erkenntnisprozesse beschleunigen, die nicht mit dem Buch enden müssen.

Karl Eduard / 26.01.2021

Denen geht es nur um einen Platz an den Zitzen der Opferkuh. Leben auf Kosten der Gesellschaft unter Vorgabe, einen Anspruch wegen Rassismus usw. zu haben.

Mathias Hartmann / 26.01.2021

Es geht bei BLM nicht um die Bekämpfung von Rassismus, sondern um das Erringen von Macht. Die Strippnzieher dieser “Bewegung” schüren Konflikte, die sie propagandistisch für politische Ziele einsetzen. Die argumentative Widerlegung bringt wenig, solange die Finanzierung und Steuerung nicht unterbunden wird.

Frances Johnson / 26.01.2021

Schön, dass es sowas auch gibt. Im Prinzip entartet jede noch so berechtigte Kritik durch social media und einen Hype durch deren user, die oft historisch völlig unterbelichtet sind und zwischen berechtigten Anliegen und Übertreibungen nicht zu unterscheiden wissen. So würde es z.B., um ein Beispiel zu nennen, beim Punkt spanischer Kolonialismus, vollkommen untergehen, dass die verschiedenen mexikanischen Stämme schwer untereinander verfeindet waren und sich die gegenübeTenochtitlán unterlegenen mit Hernan Cortez verbündeten. Keine Rolle dürfte spielen, dass die unterlegenen Stämme Menschenopfer bringen mussten und die Spanier zunächst zumindest als Befreier empfanden. Auch Tikal in Guatemala stand vollständig unter dem Einfluus von Tenochtitlán. Geschichte fängt also grundsätzlich bei dieser Denkrichtung erst bei weißer Schuld an, was davor war, zählt nicht und ist vielen Individuen gar nicht bewusst. Gleiches gilt doch für Gestalten wie den brutalen Mzilikazi und generell für Sklavenhandel, den die Weißen nur als Endabnehmer bedienten. Daher ist das ein Krieg aus vielen Kleinkriegen gegen Weiße, mit teilweise an den Haaren herbeigezogenen einseitigen Argumenten, die wie eine Bleidecke über den berechtigten Vorwürfen liegen. Social media primitiva: 80 Mio sollen die Bilder des Palastes auf Kap Idokopas angeclickt haben, von dem aus man einen prima Überblick hat bis zur Krim, die am Rand mit abgebildet ist. Man unterhält sich aber derweil neiderfüllt darüber, ob das Anwesen VP gehört. Wie soll jemals Vernunft und Abgewogenheit damit zurückkehren, wenn jeder Esel seinen hasserfüllten Müll dort abladen kann, ohne jeden background und ohne wirkliche Gedanken oder gar Fragen? Man darf ja auch nichts wissen, wenn man mal Fragen stellt.

Petra Wilhelmi / 26.01.2021

Es gibt noch Menschen in Afrika, die sich positiv z.B. über den deutschen Kolonialismus äußern. Und wenn die Afrikaner klug gewesen wären, hätten sie aus diesem kolonialen Erbe etwas machen können. Sie haben Bodenschätze und viele Arbeitskräfte. Afrika hätte ein blühender Kontinent werden können, aber leider haben die Afrikaner kein Gespür dafür gehabt und haben es heute immer noch nicht. Wenn Schwarze Weiße hassen, so wäre es im Interesse der Schwarzen, die Weißen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Sie hätten Unternehmen gründen können, Banken auch, und sie hätten Patente entwickeln können und somit den weißen den Mittelfinger zu zeigen. Aber nichts von dem geschah. Sie wollen nur gepampert werden und - ich verstehe es - wenn einen nur Almosen zukommen, hasst man die Hand, die einen Almosen zuteilt. Das entschuldigt aber nicht den Hass gegen Weiße. Man hätte die Privilegien, was auch immer die für den weißen Normalo sein sollen, angreifen können, in dem sich die Schwarzen zusammentun, ob nun in Afrika oder anderswo, und ihrerseits blühende Landschaften entwickelt hätten und nicht nur von Unkraut gesäumte Stadtviertel. Die Schwarzen können lernen, studieren und Unternehmen eröffnen, aber man muss es wollen, sonst ist man selbst an seinem Status in der Gesellschaft schuld. Durch nichts kommt eben nichts. Dem gegenüber steht die Medienlandschaft. Es gibt jetzt - habe ich in der Programmvorschau gesehen - Sendungen die die Geschichte verändern: Geschichte anders gesehen oder so ähnlich. Das Umschreiben der Geschichte beginnt, aber es ist idiotisch. Man kann Geschichte umschreiben, aber eben nicht ändern. Sie ist wie sie ist bzw. war. Und wer sich schuldig fühlen will, ist ein Dummbatzen, weil er nicht für irgendwelche Vergehen oder nicht Vergehen seine Ahnen schuldig gemacht werden kann. Also immer Kopf hoch.

Harald Unger / 26.01.2021

Christoph Lövenich legt schmerzhaft offen, weshalb die Zurichter, wie u.a. BlackLiesMatter, gewinnen. Und das Bürgertum des Westens verliert: Unsere tapsige, pomadige und dummschlaue Diskussion hinkt mindestens ein Jahrzehnt, hinter der tatsächlichen Entwicklung der Wirklichkeit zurück. Ob allerdings das westliche Bürgertum jemals verstehen wird, daß dieser Vernichtungsfeldzug gegen unsere Kultur und Lebensweise sich nicht mit artigen Analysen der Oberflächen gewinnen lässt, siehe Novo, ist inzwischen kaum mehr anzunehmen. - - - BLM ist 2020 zum Milliarden Imperium aufgestiegen. Also dorthin, wo sein Franchisegeber, das SPLC, schon länger war. Großspender ist das GAFAT-Kartell ebenso, wie Soros und Corporate America, die mit Joe Xiden einen Demenzkranken ins Weiße Haus setzten, um Amerika nach Chinesischem Vorbild umzugestalten. Wie in Westeuropa schon weitgehend abgeschlossen. - - - Cancel-Gender-Klima-Rassismus-Virus-Wokeness sind lediglich Methoden der Zersetzung, Zerstörung und Eliminierung. - - - Der letzte Absatz des o.a. Artikels formuliert das ganze trostlose Elend des Unvermögens, zu erkennen, worum es tatsächlich geht. BLM schert sich einen Dreck um die Verbesserung des Lebens Schwarzer. Das zu entdecken, muss man der Spur der Macht und des Geldes folgen. Was in Sachen BLM, wie auch der übrigen Zurichter, Bände spräche.

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