Claudio Casula / 08.06.2022 / 06:25 / Foto: Donkey Hotey / 129 / Seite ausdrucken

Wokeness, bis der Scheich kommt

In unseren Tagen wirbt praktisch jedes Unternehmen mit einem lautstarken Bekenntnis zu Vielfalt und Toleranz gegenüber Minderheiten. Allerdings nur, wenn der Gratismut dem Geschäft förderlich ist.

Früher war das so: Ein Unternehmen bot Produkte oder Dienstleistungen an, warb mit den Vorzügen derselben und brachte sie so an den Mann (!). Heute reicht das längst nicht mehr aus, oder jedenfalls nehmen die Marketing-Abteilungen der Unternehmen an, es reiche nicht mehr aus, vielmehr bedürfe es des „virtue signallings“, also des Zurschaustellens moralischer Werte. In unseren Tagen glaubt keine Firma mehr, ohne ein Bekenntnis zur Vielfalt, zur Diversität, Toleranz und Sichtbarkeit von Randgruppen et cetera auszukommen, man zieht es vor, sich ungefragt dem Zeitgeist anzubiedern.

Ob das die Kundschaft überhaupt will, ist fraglich. Manchen Menschen soll es ja reichen, über ein Produkt informiert zu werden und bei Erwerb einen funktionierenden Artikel vorzufinden, manche wären zufrieden damit, halbwegs sicher und komfortabel von A nach B gebracht zu werden. Was genau die Kunden der Hamburger Hochbahn davon haben sollen, wenn ein „rosafarbener, mit Regenbogen und dem Hashtag #RideWithPride gebrandeter Bus“ durch die Stadt kurvt, wie das Transportunternehmen stolz verkündet, mag sich nicht jedem erschließen. Wem nützt es überhaupt? Wirklich der „LGBTIQ+-Community“, und wenn ja, warum? Oder macht es wenigstens die Gleichstellungsbeauftragten der Behörden glücklich?

Die Bahn schafft es zwar nicht, ihre Züge halbwegs pünktlich ankommen oder einen ICE zur Abwechslung mal mit der richtigen Wagenreihung in den Bahnhof einfahren zu lassen, aber dafür hat sie, wie sie uns wissen lässt, „ihr LGBTIQ*(Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, Intersex, Queer)-Engagement in den vergangenen Jahren weiter verstärkt: Im Rahmen des LGBTIQ* Pride Sommers werden unsere Kund:innen und Mitarbeitende an zahlreichen Bahnhöfen in Deutschland mit der Regenbogenflagge als Symbol für Akzeptanz und Vielfalt aller Lebensentwürfe begrüßt.“ Sehr geehrte Fahrgäste, leider haben wir aktuell 110 Minuten Verspätung, aber freuen Sie sich doch auf die Begrüßung mit der Schwulenflagge am Ankunftsort!

Man will doch nur ein Regal, das nicht wackelt!

Denn: „PRIDE ist jeden Tag. Auch wurde ein besonderer Fokus auf das Thema Transition und Transgender gelegt. Hierzu gab es einen Deep Dive zum Thema ‚trans* in Unternehmen‘ in Zusammenarbeit mit Prout@work und der DB für interne und externe Fachkräfte.“ Das sollte allen Bahnkunden ein Trost sein, wenn beim nächsten Mal der Zug ersatzlos gestrichen wird oder im Hochsommer die Klimaanlage ausfällt. Progressives Image ist heutzutage so wichtig, und deshalb surfen die Konzerne auf jeder Zeitgeistwelle, die gerade angesagt ist. Gestern Black Live Matters, heute die Regenbogen-Community, morgen, wer weiß, die Solidarität mit Menschen, die unter dem Glabella-Defizit-Syndrom leiden oder irgendeiner anderen Minderheit, wenn es dann gerade schwer en vogue sein wird.

Nun ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich Firmen für berechtigte Anliegen von Minderheiten und gegen deren Diskriminierung einsetzen und etwa Behinderte einstellen. Obwohl man das auch praktizieren kann, ohne es an die große Glocke zu hängen. Aktuell kann aber die woke Pauke, die allerorts gerührt wird, gar nicht voluminös genug sein. Gerade wird ein Riesenbohei um „sexuelle Vielfalt“ und „Geschlechteridentität“ veranstaltet? Na, dann springen wir doch gleich aufs Trittbrett und zeigen, dass wir nicht nur Möbel herstellen und Köttbullar servieren können, sondern teilen der Welt mit, dass wir „einer Unternehmenskoalition zur Förderung der Akzeptanz von LGBT+-Personen in der Gesellschaft“ beigetreten sind, auch wenn das die IKEA-Kunden, die einfach nur ein Regal wollen, das nicht wackelt, so sehr interessiert wie ein Drittliga-Frauenfußballspiel in der Inneren Mongolei. Und lasst uns die Kunden doch gleich auch noch dazu auffordern, sich ein kleines Lexikon mit Begriffen aus der LGBTIQ-Community zu Gemüte zu führen:

„Nimm dir die Zeit für eine inklusive Sprache und informiere dich über die Probleme, mit denen sich Personen aus der LGBTIQ+ Community konfrontiert sehen.“ So erfährt man zum Beispiel, was man unter „Butch“ zu verstehen hat oder was „Deadnaming“ ist (zum Beispiel jemanden hartnäckig weiter Rüdiger zu nennen statt bei seinem neuen Namen Sophie Vivien, was, nebenbei, ein teurer Spaß sein kann). 

Mit Randgruppen-Ranschleime gegen das Spießer-Image

Warb Zalando, ein Online-Versandhändler für Schuhe, Mode und Kosmetik, zu Beginn noch mit Frauen, die das Eintreffen des bestellten Schuhwerks mit freudigem Kreischen quittierten, mussten es in einem Werbespot vor zwei Jahren schon ein schwarzes Plus-Size-Model, ein schwuler Skateboarder und ein Tänzer sein, der mit nur einem Arm geboren wurde. Schließlich bekennt man sich bei Zalando „zu Diversität und Inklusion im Unternehmen“.

Besonders divers gibt sich auch das Modeunternehmen Ralph Lauren. Ruft man die Website auf, lächeln einem mehr farbige als weiße Models entgegen, ob Männlein oder Weiblein. Was macht es da, wenn die Mehrheitsgesellschaft, die sich angesprochen fühlen soll, immer noch helle Haut besitzt? Und ein farbenfrohes Textil, getragen von einem Afrikaner, irgendwie keinen Eindruck davon vermittelt, wie es am Körper eines Bleichgesichts wirkt? Hauptsache divers! Und weil man sicher nicht nur wissen möchte, wie so ein Kaschmirpulli aussieht, wird auch gleich noch eine Story angeboten, die dem Zeitgeist Rechnung trägt: „LGBTQIA+-Koryphäen schreiben ein neues Kapitel des amerikanischen Traums.“ Ah, ja.

Und so nimmt es nicht wunder, dass auch die deutschen Automobilhersteller, einst weltweit gepriesen für die Zuverlässigkeit ihrer Marken, ihr Regenbogenfähnchen in den gerade wehenden Wind hängen und sich mit einem Engagement brüsten, das mit Karosserien und Motoren eher nichts zu tun hat. Mercedes-Benz, für manche der Inbegriff des fahrbaren Untersatzes für unsportliche Spießer, stellt inzwischen klar: „Wir möchten, dass sich unsere Beschäftigten offen zu ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität bekennen können. Das gilt für Homosexuelle und Bisexuelle ebenso wie für Trans*-Personen oder intersexuelle Menschen.“

Beim Geld hört die Wokeness auf

Auch BMW lobt sich selbst dafür, „im vergangenen Jahr das bestehende Diversitätskonzept mit den bisherigen Dimensionen Geschlecht, kultureller Hintergrund sowie Alter & Erfahrung weiterentwickelt und um sexuelle Orientierung & Identität sowie Behinderung ergänzt“ zu haben.

Aktuell wird mit dem „Pride Month“ hausiert und überall wehen die bunten Flaggen, demnächst auch über dem Reichstag.

Da aber auch das progressivste westliche Unternehmen die emanzipatorischen Anliegen von Minderheiten nur unterstützt, so lange die eigenen Geschäftsinteressen nicht gefährdet sind, überlegen sich die Marketingstrategen schon sehr genau, wo sie wie für was werben. Solidarität mit wirklich, vermeintlich oder auch nur gefühlt ausgegrenzten Gruppen wie Schwulen, Lesben, Bi-, Trans- oder Asexuellen lässt sich in Europa, Amerika, Australien oder Israel signalisieren, indem man das Firmenlogo in den Regenbogenfarben koloriert, nicht aber in der islamischen Welt, die gegenüber den genannten Gruppen eine beklagenswerte Intoleranz an den Tag legt, um es vorsichtig auszudrücken.

Deshalb macht Volkswagen das eine hier und das andere dort, so wie auch BMW das eine hier und das andere dort macht, schließlich will man weiterhin viele Autos verkaufen in arabischen Ländern, und mit Schwulen-Solidarität lockt man keinen potenziellen Käufer aus Dubai oder Abu Dhabi in den schicken Auto-Salon. Und der riesige chinesische Markt dürfte auf ein Unternehmen, das Rechte ethnischer Minderheiten anmahnt, auch eher allergisch reagieren. Tja. Wokeness, gut und schön, aber wenn man mit plakativen Aktionen kaufkräftige Kunden verprellt, ist Schluss mit Regenbogen-Logos.

Womit sich die ganze nervtötende, opportunistische Tugendprotzerei der Unternehmen als das entlarvt, was sie ist: pure Heuchelei.

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Leserpost

netiquette:

Heiko Loeber / 08.06.2022

“Willkommen zu Hause”  - 1990: Autowerbung vor der zweiten großen Entnazifizierungswelle? https://www.youtube.com/watch?v=gmDBBa0ObqY - Mittlerweile gibt man sich ja woke: Heute würde das Kamel am Steuer sitzen.

Jochen Lindt / 08.06.2022

Wenigstens die Ölkonzerne sind noch ehrlich: Sie zocken uns ab wo sie können.  Die 35ct Energiesteuersenkung sacken sie einfach ein.  Opfer können die Dummköpfe bringen, die an Moral und Menschenrechte glauben.  Sollen sie doch ruhig “Frieren für die Freiheit” (Joachim Gauck).  Dann frieren sie halt für die Freiheit abgezockt zu werden.  Who cares.

A. Smentek / 08.06.2022

@Gerard Doering: “... die kriegen mich noch in die rechte Ecke ...”—- Wieso sollte das ein Problem sein? Die Leute, die heutzutage von den ökosozialistischen Meinungsdiktatoren in die rechte Ecke gedrängt werden, sind - abgesehen von ein paar echten Nazis - die Vernünftigen in diesem Land, die Leute, die noch selber denken und sich nicht ein X für ein U vormachen lassen. So gesehen ist die Zugehörigkeit zur “rechten Ecke” heutzutage ein Qualitätssiegel!

Zdenek Wagner / 08.06.2022

Mittlerweile schalte ich in den Werbepausen um, da mich bei den meisten Werbespots aller tiefster E K E L überkommt! Nur noch Männerpaare die “ihr” Baby in den Schlaf wiegen, weiße Opas die ihre afrikanischen Enkelkinder (wie das wohl ging?) ins Bett bringen, kurz geschorene Lesben, die sich mit Zungenküssen verwöhnen und mit Schmuck behängen, Klimaretter, CO2, CO2, CO2, Queer, Regenbogen, dummdreiste unreife Gören die die Welt retten wollen ...  etc. etc.  etc.  U N E R T R Ä G L I C H ! ! ! Eines meidet man jedoch wie der Leibhaftige das Weihwasser: blonde Kinder / Menschen, Familien (Vater, Mutter, Kind) und auch noch den aller kleinsten Hinweis auf Heimat, Volk, Vaterland (doppelt schlimm! Mehr Nazi geht nicht!) ...  Natürlich ist das Alles geheuchelt und in den Arsch gekrochen! Für Geld würden die ihre Mütter verkaufen - wenn sie einer haben wollte. Was für eine A B S T O S S E N D verlogene Gesellschaft.  Immer öfter wünsche ich mich auf eine einsame Insel. Weg von dieser “göttlichen” Komödie!

A. Smentek / 08.06.2022

Dieselben Firmen, die sich heute vor Wokeness überschlagen, indem sie z.B. Weingummis o.ä. Bonbons nach islamischem Reinheitsgebot herstellen und alle Prospekte mit “P.o.C.” in Überzahl garnieren, würden sich schlagartig um 180° drehen und ab übermorgen Weingummis in Hakenkreuz-Form produzieren und ihre Prospekte ausschließlich mit blonden und blauäugigen Menschen bestücken, falls morgen wieder ein gewisser Herr H. an der Macht wäre. Das ist meine feste Überzeugung.

walter weissmann / 08.06.2022

Schwulen-Propaganda kann man ruhig weiter so exzessiv betreiben, auch bei der DB. So werden die zwei Züge “Islam” und “Schwule” noch beschleunigt in ihrer Kollisionsfahrt aufeinander zu. Um so schneller verstehen die linksgrünen Woken endlich wie irreal ihr feuchter Traum von der bunten Gesellschaft ist, aus der “der alte weiße Mann” ausgemerzt wurde.

Aaron Treppe / 08.06.2022

Was mich daran stört, ist, dass man schon den 10 jährigen in der Schule auf den Wecker fällt, mag sein, dass es ein tolles Konzept zur weiteren Verunsicherung und Atomisierung der Gesellschaft ist, vermutlich bleibt es eine Modewelle mit einer Horde Kinder denen irgendwelche Hormone gespritzt wurden, nachdem Mutti gesehen hatte, dass der Kleine ihre Pömps anprobiert hatte, denn keine Mutter ist eine tolle moderne Mutter, die nicht wenigstens einen Transanwärter oder eine Anwärterin in ihrer Kinderschar hat, mit dem sie so herrlich emotional rennomieren kann.  Ausserdem wird die grosse Diskrepanz zwischen wirklichen Fällen und der medialen Aufplusterung immer deutlicher, die arrogante und aggressive Fiesheit gegen andere Ansichten macht die auch nicht beliebter, kontraproduktiv das Ganze. Einerseits rennt die Bewegung offene Türen ein, andererseits fordert sie die Gegenseite, die es ja gibt, nur unnötig heraus und die werden dann besonders bockig. Unnötig also, aber man kann der Sache ja immer noch aus dem Weg gehen, siehe den netflix Umsatz, wenn die Sache mit den Kindern nicht wäre.

Eberhardt Feldhahn / 08.06.2022

Ich fass es einfach mehr.

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