Rainer Bonhorst / 25.09.2022 / 11:00 / Foto: Mattbuck / 25 / Seite ausdrucken

Woke-Fußball gegen Non-Woke-Fußball

Die brutalste Kritik an meinem letzten Text zur englischen Monarchie lautete: Das hätte so auch in der Süddeutschen Zeitung stehen können. Um eine solche Schmähung diesmal zu vermeiden, hier etwas völlig anderes. Oder, wie englische Komödianten sagen: Something completely different. Nämlich ein Stück über Europas überflüssigsten Fußball-Wettbewerb: die Uefa Nations League, unter besonderer Berücksichtigung der Liga A, Gruppe 3. In dieser Vierer-Gruppe tritt ein Verein mit Woke-Etikett, nämlich unserer, gegen zwei unwoke Vereine an und gegen einen, der auf dem besten Weg ist, der unwokeste von allen zu werden.

Woke ist natürlich die deutsche Nationalmannschaft als Vertreterin eines Landes, das zeitgeistgetreu von einer kuscheligen rotgrüngelben Koalition geführt wird. Unwoke sind die Ungarn mit ihrem EU-Rebellen und auch sonst dem Zeitgeist gegenüber unbotmäßigen Viktor Orbán an der Spitze der Regierung. Kaum weniger unwoke sind die Engländer. Nicht nur, dass sie die wunderbare Europäische Union verlassen haben, sie erschüttern unter Liz Truss den Zeitgeist auch mit massiven Steuersenkungen. Und hier und da sogar mit der Behauptung, dass Bio-Frauen und Trans-Frauen nicht hundertprozentig deckungsgleich sind. Zur Strafe haben sie gerade gegen Italien verloren und steigen wohl eine Stufe tiefer in dem überflüssigen Wettbewerb ab.

Sieger Italien ist ein Sonderfall. Dort ist eine gewisse Giorgia Meloni gerade dabei, ihre französische Kollegin Marine Le Pen zu übertrumpfen und – zusammen mit Matteo Salvini und Silvio Berlusconi – eine konservativ-rechte und entschieden unwoke Regierung zu versuchen. 

Dass Giorgia Meloni als Schwester ihre Fratelli d'Italia, also ihre Brüder Italiens, soweit vorangebracht hat, ist ein italienisches Unikat. Aber kein europäisches. Der rechte Flügel des konservativen Anti-Zeitgeistes scheint eine Vorliebe für das weibliche Geschlecht an der Spitze zu haben. Denn neben Marine Le Pen (Frankreich spielt in einer anderen Gruppe der überflüssigen Nations League) und Giorgia Meloni soll Liz Truss nicht vergessen werden. Sie fährt – obgleich oder gerade weil ehemalige Liberale und also Konvertitin – einen so scharfen konservativen Kurs, dass selbst ihrem Vorgänger Boris Johnson die Haare zu Berge stehen würden, wenn sie es nicht ohnehin schon täten. Aber – wie gesagt – ihre Fußballmannschaft ist von Giorgia Melonis Fußball-Brüdern abgestraft worden. Der Sport kennt nun mal keine politischen Verwandtschaften.

Wir Neudemokraten hatten Sepp Herberger

Und er belohnt auch keinen braven Wokismus in der Auseinandersetzung mit unzeitgeistigen Nationen. Womit wir beim Spiel der Deutschen gegen die Ungarn wären. Es gab kein Wunder von Bern sondern eine Pleite von Leipzig. Ein gewisser Adam Szalai versetzte mit einem Hackentrick den Deutschen eine Null-zu-Eins-Niederlage. Es war eine späte Rache für 1954. Damals siegte der Demokratie-Neuling Westdeutschland gegen den kommunistischen Favoriten mit einem wunderbaren Drei-zu-Zwei. Damals war die Welt noch nicht in woke und unwoke unterteilt sondern in kommunistisch und westlich demokratisch. Wobei der westliche, in Bern siegreiche Teil Deutschlands, wie gesagt, gerade erst taufrisch in der Demokratie-Gruppe mitspielen durfte. Dieser Einstig ließ ahnen, welches Primus-Potenzial in dem bekehrten Neuling steckte.

Den Kommunisten half kein Grosics, kein Puskás und kein Hidegkuti, denn wir Neudemokraten hatten Sepp Herberger, Fritz Walter, den Fußballgott Toni Turek und Helmut Rahn. Wer durch Rahns Geburtsstadt Essen fährt, kommt heute noch durch drei Unterführungen mit Rahn-Sprüchen des damaligen Reporters Herbert Zimmermann. Erste Unterführung: „Rahn müsste schießen“. Zweite Unterführung: „Rahn schießt“. Dritte Unterführung: „Tooor!“ So bleibt die inoffizielle Geburtsstunde der Bundesrepublik lebhaft in Erinnerung.

Aber das war einmal. Heutzutage, da uns kein eiserner, aber ein fein gesponnener Vorhang in woke und nicht woke spaltet, fuhren Orbáns widerborstige Mannen siegreich nach Hause. Während die Mannschaft aus Wokistan ihr Ziel, mal wieder Primus, also Tabellenführer zu werden, verpasst hat.

Sollte in diesem Text der Eindruck entstanden sein, dass er Politik und Fußball auf ungebührliche Weise vermischt – so kann ich dem nichts entgegensetzen. Meine Hoffnung ist allerdings, dass dieses Stück so nicht in der Süddeutschen Zeitung erscheinen könnte.     

 

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Karl-Heinz Vonderstein / 25.09.2022

Aber ist die englische Nationalmannschaft nicht die, bei der die Spieler vor jedem Spiel auf dem Platz den Kniefall machen, als Symbol gegen Rassismus? Ist doch auch woke oder? Ich weiß noch letztes Jahr als die Europameisterschaft stattfand, eine Europameisterschaft, die in mehren europäischen Ländern stattfand und wir unser drittes und somit letztes Vorrundenspiel gegen Ungarn in München hatten. Deutschland hatte alle drei Vorrundenspiele im eigenen Land. Zum Spiel gegen Ungarn wollte man als Zeichen gegen Diskriminierung von Homosexuellen, dass Münchener Fußballstadion in den Regenbogenfarben erleuchten lassen. Viktor Orban hatte kurz zuvor im ungarischen Parlament ein Gesetz durchgebracht, wonach den Kindern in den Schulen nicht mehr beigebracht werden soll, dass es noch andere sexuelle Orientierungen als Heterosexualität gibt. So berichteten jedenfalls unsere Medien darüber. Die UEFA hatte es jedenfalls nicht erlaubt, dass Stadion in den Regenbogenfarben erscheinen zu lassen. Da es ein politisches Statement sei und dies im Fußball nichts verloren habe. Was ich lustig fand, weil wir doch dauernd von so was bombardiert werden im Fußball. Jedenfalls fand vor dem Spiel in einem öffentlich-rechtlichen Sender, ich meine, es war die ARD,  eine halbstündige Sendung statt, in der sich ein Moderator mit Fußballexperten über das bevorstehende Fußballspiel unterhielt. Deutschland war noch nicht fürs Achtelfinale qualifiziert und konnte noch ausscheiden. Also wars ein entscheidenes Spiel. Und was passierte? Von der halben Stunde sprach man die ersten 25 Minuten nur über die Sache mit der UEFA und den Regenbogenfarben.

Heike Olmes / 25.09.2022

Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal freuen würde, wenn ein deutscher Torwart mit seinem modifizierten, heuchlerischen Woke-Abzeichen am Arm mal hinter sich greifen muß. Die Parallelen von Politik und Sport konnte man am Beispiel Löw und Merkel bewundern. Beide wußten nicht, wann es Zeit für den Abgang war und verstanden sich in ihrer Unerträglichkeit bestens.

Wolfgang Janßen / 25.09.2022

Unsere Wokisten können einfach nicht begreifen, daß die Ungarn Ungarn bleiben wollen und ihre Identität nicht aufgeben. Warum auch? Sie hatten eben keinen AH (wobei es in Ungarn auch Helfershelfer gab), Kolonien hatten sie auch nicht und waren viele Jahrzehnte osmanisch besetzt. Ihnen haben wir die Grenzöffnung von 1989 zu verdanken, was ihnen die Wokisten wohl verübeln. Wurde ihnen damit doch ihr Lieblingsspielzeug namens “DDR” weggenommen. Beeindruckend finde ich immer wieder, daß die Fußballer nach einem Länderspiel zum Abschluss noch einmal mit ihren Anhängern die Nationalhymne singen.

Jochen Lindt / 25.09.2022

In Italien ist die Squadra Azzurra wichtiger als die Regierung. Roberto Mancini mithin erheblich wichtiger als der/die [Name hier einsetzen]  Regierungschef.

Werner Arning / 25.09.2022

Je suis Ungarn! Ganz klar. Nein, in der Süddeutschen könnte das nicht stehen. Ungarn wird von der EU abgestraft, weil es sich dem Wokismus strikt verweigert. Da wechsle ich doch als Fußballfan ganz klar die Seite. Das ist man den Ungarn mindestens schuldig. Und man wünscht den Ungarn ebensolches Geschick im Spiel gegen Uschi und Co. Mach’s noch einmal, Adam.

Jutta Steiner / 25.09.2022

Hallo, Herr Bonhorst, steht da unter der Bruecke wirklich nur einmal “Tooor”?  Das habe ich anders in Erinnerung, naemlich dreimal, und zwar genauso unvergesslich wie die Nachricht vom Tod Kennedys (beim Nachhausekommen, durch meine Mutter) und die Worte der Nachrichtensprecherin, beim Mittagsabwasch: “In New York ist ein Flugzeug in einen der beiden WTO-Tuerme geflogen.”  Aber danke, die Erinnerung an Herbert Zimmermanns sich ueberschlagende Stimme ist mit Freude verbunden!

Mathias Rudek / 25.09.2022

Ihre Artikel, lieber Herr Bonhorst, eignen sich im Gegensatz zur Süddeutschen eindeutig nicht als Auslage fürs Katzenklo.

Wolfgang Heinrich Scharff / 25.09.2022

Sie haben das sehr schön auf den Punkt gebracht: Die Bolschewoken aus Woko Haram haben nun auch die deutsche Nationalmannschaft im eisernen Griff, und weil man “National” im Sozialismus (!!) nicht mehr sagen darf, heißt sie nur noch “Mannschaft” und sieht auch rein optisch eher wie eine Weltauswahl aus. So hielt ich gar nicht so ungern mit den unwoken Ungarn, deren Regierung unser Herz erfreut mit EU-rebellentum und sich auch nicht von irgendwelchen “Minderheiten” auf der Nase herum tanzen lässst!

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