Robert von Loewenstern / 25.09.2018 / 06:15 / Foto: Pixabay / 25 / Seite ausdrucken

Wohneigentum schaffen, Modell Hambach

Globalisierung, Digitalisierung, Islamisierung, Radikalisierung, Klimatisierung – die Herausforderungen der modernen Welt sind Legion. Immer mehr Menschen sind zutiefst verunsichert. Gleichzeitig werden die Anforderungen an das Engagement der Zivilgesellschaft zunehmend höher.

Um unseren Lesern bessere Orientierung in unübersichtlichen Zeiten zu bieten, wollen wir in Zukunft anhand praxisnaher Übungsfälle regelmäßig über juristische und soziale Implikationen zivilgesellschaftlichen Handelns aufklären. Hier Teil eins der neuen Serie „Achse hilft!“. Titel: „Dach auf dem Kopf“.

Der Sachverhalt: Sie sind der spontane, unternehmungslustige Typ. Außerdem sind Sie kontaktfreudig und feiern gerne. Ihre 1,5-Zimmer-Mietwohnung ist für diesen Zweck nicht ideal geeignet, weshalb Sie beschließen, Ihr Menschenrecht auf freie Entfaltung Ihrer wertvollen Persönlichkeit in Gestalt einer Partyhütte zu verwirklichen. 

Die Voraussetzungen sind ideal. Kürzlich haben Sie beim Discounter Ihres Vertrauens einen günstigen Akkuschrauber erworben, das Nachbargrundstück ist eine unbebaute Brache, und auf Ihrem Huawei P8 lite ermitteln Sie dank Telefónica Deutschland mit Edge-Verbindung in nur 18 Minuten den Standort des nächstgelegenen Baumarktes.

Bumbum, Fackseworld, Hero79 und Schlunzi

Ihre Vision publizieren Sie in der Whatsapp-Gruppe „Saufen für den Regenwald“. 162 begeisterte Unterstützer, die über ein vergleichbares Maß an Tagesfreizeit und Expertise verfügen, sichern Ihnen tatkräftige Hilfe zu. Zum großen Bau-Flashmob erscheinen am Treffpunkt außer Ihnen vier weitere Enthusiasten: Bumbum, Fackseworld, Hero79 und Schlunzi. Die beiden Letztgenannten kennen sich seit der Förderschule, kommen 45 Minuten zu spät und führen je ein Fuß-Pils mit sich. Ihre neuen Weggefährten zeichnen sich allesamt durch angenehme Entspanntheit und intellektuelle Unaufdringlichkeit aus.

Nachdem Sie die Mitstreiter mit Hilfe einer kühnen Skizze auf der Rückseite Ihres Hartz-IV-Bescheides auf das gemeinsame Projekt eingeschworen haben, kann es losgehen. Den Baumarkt verlassen Sie mit einer Handkreissäge (Wochenmiete 45 Euro), einem 50-m-Verlängerungskabel (stellt die energetische Grundversorgung aus dem Waschkeller ihres Wohnblocks sicher) und Zimmermannsnägeln (fünf Großpackungen à 200 Stück). Sechs Kästen 0,5-l-Flaschen „Hambacher obergärig“ vervollständigen die Ausrüstung. Den Weg in die Holzabteilung konnten Sie sich sparen, da es ausreichend Baustellen in der Nachbarschaft Ihres Vorhabens gibt.

Die folgenden sechs Wochen sind geprägt von nächtlichen Baustellenbesuchen und mehreren Aufenthalten in der chirurgischen Ambulanz bei Tage. Schließlich nimmt Ihr architektonischer Traum Gestalt an. Ihre Whatsapp-Einladung zur Einweihungsparty stößt auf große Resonanz. Diesmal erscheinen alle 162 der ursprünglichen Unterstützer. Außerdem finden sich Vertreter von Bauordnungsamt und Polizei in Mannschaftsstärke ein, um eine Räumungsverfügung des Grundstückseigentümers durchzusetzen.

Während die Staatsgewalt noch über die gebotene Einsatztaktik berät, erweist sich die freitragende Eleganz Ihres Bauwerkes als nicht von Dauer. Ihnen und Ihren Gästen fällt die Decke auf den Kopf. Einer der Anwesenden wird durch den unerfreulichen Vorfall vom Leben zum Tode befördert.

Die Fallfrage: Konsequenzen?

Was sind die Konsequenzen Ihres Handelns?

(a) Die Polizei stürmt das Gelände. Sie und die anderen Anhänger kreativen Bauwesens werden zur Feststellung von Personalien und Sachverhalten von den Ordnungskräften in Obhut genommen. Die zuständige Staatsanwaltschaft leitet umgehend ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung und Verletzung diverser weiterer straf- und ordnungsrechtlicher Vorschriften ein. Außerdem prüft sie, ob wegen Flucht- und/oder Verdunkelungsgefahr Untersuchungshaft anzuordnen ist.

(b) Sie bleiben unbehelligt. Die Behörden ziehen sich pietätvoll zurück und stoppen die Räumungsaktion vorläufig. Sie und Ihre Mitstreiter erhalten Gelegenheit, Beweismittel zu beseitigen und den Medienvertretern zu erklären, dass die Schuld am Tod Ihres engen Freundes, dessen Name Ihnen gerade nicht einfällt, unzweifelhaft bei der Polizei liegt. 

Sie errichten einen Gedenkaltar, die Kirchen kündigen eine Kreuzprozession an, und Greenpeace sagt trauernd eine Pressekonferenz ab. Bereits einen Tag nach dem Todesfall erklärt die Staatsanwaltschaft, es gebe keine Anhaltspunkte für eine Straftat, ein Anfangsverdacht liege nicht vor. Die Reste Ihres Bauwerkes werden später auf Kosten des Grundstückseigentümers entfernt. Sie arbeiten zu diesem Zeitpunkt längst an einem neuen Projekt.

(c) Ähnlich wie (b). Der Unterschied: Jakob Augstein solidarisiert sich mit Ihnen auf „Spiegel Online“ unter der Überschrift „Für Schnitzel müssen Schweine sterben“ und erklärt den verunfallten Partygast zum Gefallenen im Kampf gegen das Schweinesystem. Sie können sich weiterhin auf dem Gelände aufhalten. Unter Anleitung des Fachberaters Sanitärkeramik aus dem Baumarkt, mit dem Sie sich mittlerweile angefreundet haben, errichten Sie eine standsichere Partyhütte 2.0, nennen Sie „Rote Tränke“ und bringen an prominenter Stelle eine Gedenktafel für Ihren verstorbenen Freund „Auf ex!“ an (Sie haben mittlerweile seinen Whatsapp-Namen erfahren). 

Fortan betreiben Sie ein erfolgreiches Gastro-Unternehmen mit vorgelagertem Biergarten. Ordnungs- und Finanzamt zeigen sich rücksichtsvoll und belästigen Sie nicht. Der Eigentümer des „Rote Tränke“-Grundstücks gibt entnervt auf und überlässt das Gelände für einen Spottpreis der Gemeinde. Langfristige Planungssicherheit verschafft Ihnen der Innenminister, der nach einem Jahr offiziell die Kapitulation der Staatsgewalt erklärt. Weitere vier Jahre später kaufen Sie den angrenzenden Wohnblock, in dem Sie früher zur Miete wohnten. Sie zahlen bar.

Die Lösung: alles richtig

Die richtige Lösung zu unserem Beispielfall: Alle Antworten sind korrekt. Das Grundgesetz legt in Artikel 3, Absatz 1 fest: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Aber zu jeder Regel gibt es Ausnahmen, besondere Umstände erfordern besondere Behandlung. Merksatz: „Manche sind gleicher.“ Hier die differenzierte Auflösung:

Antwort (a) gilt für alle Menschen. Außer Linke. Linke liefern grundsätzlich wertvollere Beiträge als andere zur Weiterentwicklung des Gemeinwesens und stellen daher ein besonders hohes Gut für die Gesellschaft dar. Ohne substanziellen linken Einfluss sind Kultur und Medien in einem modernen, aufgeklärten Staat nicht denkbar. Linke sind daher als besonders schutzwürdig anzusehen. 

Antwort (b) gilt für Linke in der Erscheinungsform „Aktivisten“. Sie zeichnen sich durch kreative Verhaltensauffälligkeit aus und machen auf eingefahrene Wege und verkrustete Strukturen aufmerksam. Ihr Leben haben sie in den Dienst an der Gesellschaft gestellt. Sie führen daher mit vollem Recht ein Leben auf Kosten der Gesellschaft. Leichte bis mittlere Gesetzesverstöße linker Aktivisten sind als Zivilcourage zu werten und nicht weiter zu verfolgen.

Antwort (c) gilt für Linke in der Erscheinungsform „extremistische Gewalttäter“. Sie sind die Crème de la Crème des Widerstandes gegen gesellschaftliche Missstände und Fehlentwicklungen. Mut, Entschlossenheit und Tatkraft dieser Helden verdienen höchste Anerkennung und den Respekt auch der obersten Repräsentanten des Staates. Schwere Verbrechen von Linksextremisten sind als „Gegengewalt“ zu verstehen und damit als Notwehr gerechtfertigt.

Tipps für die Praxis

Fazit: Wenn Sie ungewöhnliche zivilgesellschaftliche Aktivitäten planen, achten Sie darauf, diese kommunikativ stimmig zu begleiten. Für die Kategorie (b) genügt es, wenn Sie Transparente anbringen oder Wände beschmieren. Falls Ihnen keine politische Botschaft in den Sinn kommt, können Sie auf bewährte Kurzmitteilungen zurückgreifen, zum Beispiel „ACAB“, „R94“ oder „Haut die Bullen platt wie Stullen“. Zur Abrundung empfehlen wir eine Mahnwache und/oder einen Gesangseinsatz: „Bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao …“

Um in den Genuss des kompletten Linken-Bonuspaketes unter (c) zu kommen, achten Sie darauf, frühzeitig Staatsdiener körperlich zu verletzen (Steine und Stahlkugeln nicht vergessen!). Wichtig: Zeigen Sie sich gegenüber Journalisten und ähnlichen gesellschaftlichen Kräften (J. Augstein) transparent, und halten Sie sich an einen straffen Zeitplan, um breitenwirksames Bildmaterial zu erzeugen. Merksatz: „Pic or it didn’t happen.“ Achse-Extratipp: Für den Fall der Fälle, dass Ihre Aktion etwas aus den Fugen gerät, empfiehlt es sich, immer einen Niederländer oder Italiener in der Hinterhand zu haben, der zur Statuierung eines Exempels an die Staatsmacht ausgeliefert werden kann. 

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Dieter Weingardt / 25.09.2018

Hier noch eine Ergänzung: Geben Sie ein Interview im Deutschlandfunk, wo sie frank und frei behaupten dürfen „Die Steine tun den Polizisten nicht weh, die sind ja gepanzert und haben Helme auf.“ Das wird dann unkommentiert gesendet. (am Samstag Nachmittag, leider den Podcast nicht gefunden)

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