Rüdiger Stobbe / 31.08.2021 / 10:00 / Foto: Doenertier82 / 3 / Seite ausdrucken

Woher kommt der Strom? Woche 33

Wieder schön sichtbar das clevere Handeln der Schweiz und Polens: Strom günstig einkaufen und zu höheren Preisen verkaufen. Wir machen es weniger clever.

In der 33. Woche (Abbildung) hat Deutschland insgesamt mehr Strom exportiert als importiert. Unter dem Strich kostete der Importstrom 89,84 €/MWh, für den Exportstrom bekam Deutschland 75,25 €/MWh. Den Vogel schoss diese Woche Österreich ab, welches für – zugegeben wenig – Strom, den es nach Deutschland exportierte, fast 110 €/MWh aufrief. Für den importierten Strom mussten hingegen nur 70,40 €/MWh hingelegt werden. Die „Batterie Deutschlands“ Norwegen zahlte für Strom, den es für Deutschland „einspeicherte“, 63,17 €/MWh. Wenn Deutschland die „Batterie“ anzapfte, verlangte Norwegen 95,98 €/MWh. Polen verkaufte durch geschicktes Agieren wieder eine Menge Strom nach Deutschland, der zu 3/4 aus Kohle gewonnen wird. Über 100 GWh wurden für 9,22 Mio € nach Deutschland vertickt. Für die etwa 35 GWh Strom, die Polen aus Deutschland importierte, mussten lediglich 2,48 Mio € hingeblättert werden. Strom, der in der 33. Woche gut zur Hälfte regenerativ und damit sehr teuer erzeugt wurde. Vergessen wir nicht die Schweiz, welche mit der deutschen Stromerzeugung schon immer wieder richtig gut Geld verdient hat. Über 100 €/MWh kassierte das kleine Land für den nach Deutschland verkauften Strom. Lediglich knapp 73 €/MWh musste es für den von Deutschland gekauften Strom bezahlen. Schauen wir hier mal auf die Jahresbilanz der Schweiz. Stromimport und Stromexport der Schweiz halten sich etwa die Waage. Unter dem Strich hat das Land dennoch bereits 100 Mio € im bisherigen Jahr 2021 verdient. Glauben Sie nicht?

Die Woche begann mit starker Windstromerzeugung (Abbildung). Was insgesamt zu niedrigen Preisen führte. Zur Wochenmitte erholten sich die Preise, um am Wochenende wieder zu sinken. Dem geneigten Leser brauche ich nicht zu erläutern, dass das Preisniveau (Abbildung 1) in dem Moment anstieg, als Deutschland Strom benötigte, also importierte. Die Konventionellen (Abbildung 2) fahren zu Wochenbeginn die Produktion herunter. Da der Bedarf im Gegensatz zum – z.B. vergangenen – Wochenende hoch ist, können jetzt negative Strompreise verhindert werden. Der Chart mit den Im- Exportaktivitäten der einzelnen Länder (Abbildung 3) belegt eindrucksvoll, wie Polen, die Schweiz, aber auch Dänemark und Schweden sowie weitere Länder absahnen. Nicht zu vergessen die deutschen Stromerzeuger, die selbstverständlich die gleichen Börsenpreise für ihren Strom erhalten. Wobei die Vergütung der regenerativen Erzeugung mittels Windkraft und PV immer dann bis zum per EEG versprochenen Strompreis aufgestockt wird, wenn der Börsenpreis nicht reicht. Zahlen müssen der Stromkunde und der Steuerzahler. Das aber ist nichts Ungewöhnliches. Die bezahlen schließlich immer. 

Die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und der daraus generierte Chart liegen unter Abbildung 4 ab. Es handelt sich um Werte der Nettostromerzeugung, dem „Strom, der aus der Steckdose“ kommt, wie auf der Webseite der Energy-Charts ganz unten ausführlich erläutert wird. Der höchst empfehlenswerte virtuelle Energiewende-Rechner (Wie viele Windkraft- und PV-Anlagen braucht es, um Kohle- und/oder Kernkraftstrom zu ersetzen? Zumindest im Jahresdurchschnitt.) ist unter Abbildung 5 zu finden. Ebenso wie der bewährte Energierechner.

Die Charts mit den Jahres- und Wochenexportzahlen liegen unter Abbildung 6 ab. Abbildung 7 beinhaltet die Charts, welche eine angenommene Verdoppelung und Verdreifachung der Wind- und Solarstromversorgung visualisieren.

Abbildung 8 weist auf einen Artikel hin, der sich mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm der Grünen befasst, welches sofort nach der Wahl gestartet werden soll, wenn die Partei in der Regierung sein sollte. Lesen Sie, was die „Ahnungslosen“ planen. Dabei wissen sie nicht mal, wie die 61 TWh Strom aus Kernkraft CO2-frei ersetzt werden sollen, die bis Ende 2022 garantiert wegfallen. Oder glaubt irgendjemand, es könnte diese Menge an Windkraft- und PV-Anlagen in 1 1/4 Jahren installiert werden?

Abbildung 9 zeigt einen Vortrag von Professor Brasseur von der TU Graz. Der Mann folgt nicht der Wissenschaft. Er betreibt Wissenschaft.

Beachten Sie bitte unbedingt die Stromdateninfo-Tagesvergleiche ab 2016 in den Tagesanalysen. Dort finden Sie die Belege für die im Analyse-Text angegebenen Durchschnittswerte und vieles mehr. Der Vergleich beinhaltet einen Schatz an Erkenntnismöglichkeiten. Überhaupt ist das Analysetool stromdaten.info mittlerweile ein sehr mächtiges Instrument der Stromdatenanalyse geworden.

Tagesanalysen

Montag, 16.8.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 64,23 Prozent, davon Windstrom 42,47 Prozent, Solarstrom 10,53 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,23 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Am Montag setzt sich die starke Windstromerzeugung des vergangenen Wochenendes fort. Deutschland benötigt nur wenig Importstrom. Der allerdings kostet sofort den Tageshöchstpreis. Die konventionelle Stromerzeugung steuert so nach, dass keine negativen Strompreise aufgerufen werden. Der Handelstag.

Dienstag, 17.8.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 69,85 Prozentdavon Windstrom 48,09 Prozent, Solarstrom 11,27 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,48 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Trotz weiterhin starker Windstromerzeugung, allerdings mit fallender Tendenz, kommt es zu einer Strom-Versorgungslücke am späten Nachmittag/frühen Abend. Die konventionellen Stromerzeuger wollen – wie fast immer – keinen Ausgleich schaffen. Lieber die hohen (Import-)Preise auch mitnehmen. Der Handelstag.

Mittwoch, 18.8.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 60,61 Prozentdavon Windstrom 39,18 Prozent, Solarstrom 9,69 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,75 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Heute wieder mal zwei Strom-Versorgungslücken. Entsprechend sind die Preise, die Deutschland bezahlen muss. Die Konventionellen halten sich bedeckt. Der Handelstag.

Donnerstag, 19.8.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 47,52 Prozentdavon Windstrom 25,06 Prozent, Solarstrom 9,91 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,55 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Die Windstromerzeugung bricht heute Zug um Zug ein. Auch die PV-Stromerzeugung lässt zu wünschen übrig. Um die beiden Versorgungslücken zu schließen, werden Höchstpreise aufgerufen. Es ergeben sich feine Geschäftsmöglichkeiten. Die Konventionellen verdienen mit. Mit ihrer Erzeugung loten sie das Preisoptimum aus. Der Handelstag.

Freitag, 20.8.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 37,36 Prozent, davon Windstrom 6,90 Prozent, Solarstrom 16,62 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,84 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Fast der ganze Freitag wird zum Stromimporttag. Die Windstromerzeugung geht gegen Null. PV-Strom: Naja. Sehen Sie sich den Preis-Chart und den Handels-Chart an. Da wissen Sie, welche Auswirkungen das hat, wie an der Strombörse dennoch Geld verdient wird. Die konventionelle Erzeugung.

Samstag, 21.8.2021: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 41,85 Prozent, davon Windstrom 2,94 Prozent, Solarstrom 23,80 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 15,11 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Einstieg ins Wochenende. Die Windstromerzeugung tendiert noch immer gegen Null. Die PV-Stromerzeugung mit gut 28 GW in der Spitze geht so. Sicher bleiben teure Stromlücken. Gewollte Stromlücken. Die Konventionellen optimieren den Preis. Unsere Nachbarn freuen sich. Der Stromkunde zahlt. Der Handelstag. Bemerkenswert, wie Polen seinen Kohlestrom an Deutschland, dem „Energiewende-Musterland“ (Ironie aus!) verkauft. Zu richtig guten Preisen. Übrigens auch am Morgen. Da ist die Nachfrage gering, da sind 80 und mehr €/MWh mehr als auskömmlich. 

Sonntag, 22.8.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 48,25 Prozent, davon Windstrom 21,23 Prozent, Solarstrom 11,55 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 14,87 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Sonntag wartet mit etwas mehr Windstromerzeugung auf. Dafür gibt es erheblich weniger PV-Strom (um die 13 GW in der Spitze). Das Preisniveau bewegt sich um die 70 €/MWh. Selbstverständlich nur bis etwa 18:00 Uhr. Dann muss Deutschland Strom importieren und in der Spitze um 20:00 Uhr knapp 100 €/MWh zahlen. Das Übliche also. Die konventionelle Stromerzeugung und der Handelstag. Wieder schön sichtbar das clevere Handeln der Schweiz und Polens. Strom günstig einkaufen und zu höheren Preisen verkaufen. Gratulation!

Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. 

Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

 

Rüdiger Stobbe betreibt seit über fünf Jahren den Politikblog http://www.mediagnose.de.

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Leserpost

netiquette:

R.Hensel / 31.08.2021

@ Helmut Driesel. In den Wintermonaten importieren die ansonsten Atomstrom aus Schweden. Mit eigener Windkraft, oder zu Schleuderpreisen importierte Windkraft,  Stauwasser für den Winter sparen, würde schon fast Sinn machen. Mals so rein hypothetisch.

Thomas Brox / 31.08.2021

“Lesen Sie, was die „Ahnungslosen“ planen. Dabei wissen sie nicht mal, wie die 61 TWh Strom aus Kernkraft CO2-frei ersetzt werden sollen, die bis Ende 2022 garantiert wegfallen.” Die Ahnungslosen haben sehr wohl eine “Lösung” für das Problem. Laut [SZ: Kanzlerkandidaten zeigen sich im TV-Triell kämpferisch]: “Auch Scholz versprach, Bürokratie abbauen und Planungssicherheit für die Industrie schaffen zu wollen - etwa beim Strombedarf. Den zusätzlichen Strombedarf Deutschlands, um klimaneutral zu werden, wolle er per Gesetz festlegen.” Im Klartext: Stromrationierungen und weitere massive Verteuerung des Stroms, und falls das nicht reicht, zusätzliche Stromabschaltungen bzw. Lastabwürfe. Die parasitäre Bürokratie wird dabei nicht abgebaut, sondern weiter aufgebläht, aufgrund der rapide anwachsenden Planwirtschaft. Damit bedient die SPD ihre wichtigste Klientel, nämlich Beamte und den angestellten ÖD. ++ Zu dem Vortrag von Professor Brasseur hätte ich einige kritische Bemerkungen zu machen (vielleicht können die einschlägigen Autoren der Achse noch was dazu sagen). Das Fazit halte ich für geopolitisch(!) total illusorisch, obwohl es möglicherweise (ganz grob betrachtet) physikalisch durchaus logisch ist: Die Energieproduktion für Europa in die vorgeschlagenen Regionen zu verlegen setzt eine NWO-Diktatur für Europa plus Afrika plus Naher Osten voraus - China, Indien, USA, Russland, ... werden dabei ohnehin nicht mitmachen. Ich tippe eher, dass es aufgrund der physikalischen und demographischen Zwänge zu einem weltweiten Hauen und Stechen kommen wird. Es sollte sich jeder den Vortrag reinziehen, da die physikalischen und demographischen Randbedingungen schonungslos dargestellt werden.

Helmut Driesel / 31.08.2021

  Rein gefühlt lassen die Erträge aus Windkraft systematisch nach, obwohl noch gar keine Überkapazitäten installiert sind. Ich bin mal gespannt, wie das weiter geht. Die Norweger haben ja große Pläne, ebenfalls in die Windnutzung einzusteigen. Die erzielen jetzt schon dicke Gewinne aus Stromexporten, wobei der Mechanismus nicht leicht nachvollziehbar ist. Denn dort füllen sich im Frühjahr zur Schneeschmelze alle Speicherseen mit Wasser, das dann im Laufe des Jahres zu Strom “verarbeitet” wird. Da der meiste Strom im Winter gebraucht wird, wie bei uns auch, ist es gar keine schlechte Idee, im Sommer diese Reservoirs zu schonen und dafür Importstrom zu kaufen. Denn wenn die Vorräte in strengen Wintern nicht mehr ausreichen, können sie vor dem nächsten Frühjahr durch nichts ersetzt werden, es gibt einen Strommangel. Bleiben die Winter aber mild, laufen die Wasser der nächsten Schneeschmelze dann eben ungenutzt weg. Das tut niemandem weh. Es wird also Sicherheit gekauft von den Norwegern, nicht mehr und nicht weniger. Daraus folgt aber auch, dass die Weltmeister der Wasserkraftnutzung eigentlich nach zivilen Maßstäben gedacht außerhalb des Frühjahrs keinen Strom zu exportieren haben. Es sei denn, sie machen ein gutes Geschäft dabei, wenn sie bei späteren Importen Wasserkraft sparen können. Nach milden Wintern läuft die eingekaufte Energie aber dort für weniger als 1 Cent/KWh dann einfach weg. Da ist es nur für die deutschen Verbraucher ein Problem, denn sie haben ja den hiesigen Erzeugern die EEG-Umlage und sonstigen Zuschüsse und Steuerersparnisse spendiert. Das ist viel mehr als die Norweger im Schnitt für importierten Strom bezahlen werden. Dazu kommt, dass in Zeiten drohenden Blackouts im hohen Norden gerade auch nichts übrig ist. Ich glaube jedenfalls nicht, dass der dortige (Monopol)-Versorger den eigenen Leuten im Winter den Saft abdreht, weil gerade gute Geschäfte zu machen sind. Die Strombrücke zu Norwegen hat 2Mr E gekostet. Da muss jede Menge Strom fließen.

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