Wo liegt mein Interesse, was habe ich davon, wenn ich wöchentlich seit Januar 2019 und angelegt auf die nächsten Monate und Jahre! die Stromversorgung in Deutschland begleite und analysiere? Diese Frage wurde mir indirekt gestellt, als in dem ein oder anderen Kommentar zu meinen Artikeln angedeutet wurde, dass ich womöglich nur das schreibe, was mir "passe". Dass ich teilweise in einer Art und Weise schreibe, dass dem Leser eine hintergründige Absicht vermittelt, besser "untergeschoben" werden soll.
Vor allem zwei Aspekte bewegen mich, die Artikel zur Kolumne Woher kommt der Strom? vollkommen unabhängig – ich beziehe keinerlei Vergütung – wöchentlich zu verfassen. Zum einem soll anhand der Zahlen, die von Instituten, welche die Energiewende positiv begleiten, dokumentiert werden, wie sich diese Energiewende auf die Stromerzeugung, auf die Strom-Versorgungssicherheit in Deutschland und in Europa auswirkt. Und wie sich diese Auswirkungen verändern, desto weiter der Umbau der Stromerzeugung – genannt Energiewende – in Deutschland fortschreitet.
Diese Dokumentation ist lückenlos, nachvollziehbar und überprüfbar. Woraus sich der zweite Aspekt ergibt. Denn zum anderen sollen die Menschen, insbesondere aber auch die Verantwortlichen für die Energiewende und deren Umsetzung, später nicht behaupten können, dass sie "das" aber nicht gewusst und schon gar nicht gewollt hätten. Wobei "das" den flächendeckenden Zusammenbruch der Stromversorgung in Deutschland, in Europa, kurz einen verheerenden Blackout meint. Achgut.com versteht sich nun seit fast 15 Jahren als ein Chronist der Zeit und diese Kolumne ist ein Bestandteil dieses Selbstverständnisses.
Die überwiegend positive Resonanz auf diese Kolumne kann zwei Gründe haben. Erstens: Die Leser sind gegenüber der Energiewende ohnehin kritisch eingestellt. Sie werden durch die Artikel in ihrer Meinung bestätigt. Zweitens: Die analysierten Fakten sprechen eine eindeutige Sprache, und die daraus von mir gezogenen Schlussfolgerungen sind generell einleuchtend. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem.
Helfen können nur Fakten
Um die Schweigespirale, die sich in Deutschland zumindest im Bereich der persönlichen Kommunikation – im Internet sieht es durchaus anders aus – in den letzten Jahre zu einigen Themen entwickelt hat, aufzubrechen, wäre es unbedingt notwendig, dass möglichst viele Menschen, die in dieser Spirale gefangen sind, auf Fakten von Befürwortern der Energiewende basierten Artikel lesen.
Weil der durch den Menschen verursachte Klimawandel (CO2-Ausstoß) und die "Bekämpfung" desselben mittels Energiewende ein Thema ist, welches heute nicht diskutiert, sondern nur als selbstverständlich vorhanden angesehen oder „geleugnet“ werden kann, trauen sich viele Bürger nicht, ihre Meinung zu den diversen und sehr teuren "Maßnahmen" zwecks „Rettung der Welt“ offen kundzutun.
Der ökonomisch-klimatologische Komplex hat Politik, Medien und Öffentlichkeit so fest im Griff, dass ein offener wissenschaftlicher Diskurs praktisch unmöglich ist. Zumal viele Protagonisten dieses ökonomisch-klimatologischen Komplexes mit Politik, Medien und Wissenschaft verschränkt sind. Der Hauptgrund für die Sprachlosigkeit und die Verunmöglichung eines Diskurses ist der triefend-moraline Aspekt, der zum Beispiel den Themen Klima, Klimaschutz und Klimawandel übergestülpt wurde.
Verbunden mit Endzeitvisionen, die angeblich innert kürzester Zeit Wirklichkeit werden könnten, ist diese Gemengelage bestens geeignet, auch eine Vielzahl von faktisch sinnlosen und überaus kostenträchtigen Maßnahmen ohne Widerspruch durchzusetzen.
Helfen können nur Fakten. Am besten die Fakten, die die Befürworter einer Energiewende (Fraunhofer ISE und Agora-Energiewende) selber liefern. Genau diese verwende ich. Genau diese Fakten belegen, dass der Weg des von einer einsam und ohne jeglichen Widerspruch durch die Verfassungsorgane – kläglich vor allen anderen die Abgeordneten des Deutschen Bundestag – entscheidenden Bundeskanzlerin, dass dieser Weg, der Weg des plötzlichen Einstiegs in den Ausstieg aus der Kernenergie, vollkommen unüberlegt und unangemessen war. Zumindest, was die Versorgungssicherheit Deutschlands mit Strom anbelangt.
Es gibt keine eierlegende Wollmilchklimasau
Machtpolitisch war die Entscheidung natürlich ein Knaller. Angela Merkel sicherte sich so die Pole-Position bei anstehenden Wahlen und die Macht bis heute. Zum Nimbus der Klimakanzlerin kam nun noch der der Kanzlerin des Atomaustiegs, der Energiewende hinzu. Unsere Menschen mit Guten Gedanken schwenkten ein und machten das, was Visionäre gerne und fast immer tun. Sie reißen das Bestehende ein und versuchen das vermeintlich Neue, Bessere. Um dann festzustellen, dass es so einfach doch nicht ist, dass viele Dinge hätten bedacht werden müssen.
Dass viel zu einfach, viel zu eindimensional gedacht wurde. Dass es keine eierlegende Wollmilchklimasau gibt. Kurz, dass immer da, wo Licht ist, auch Schatten existieren. Der bisher letzte Akt der Energietragödie in Deutschland ist der beschlossene Kohleausstieg: Kein Atomstrom, kein fossiler Strom, ausschließlich Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energieträger, Schwerpunkt Wind- und Sonnenstrom plus Strom unserer europäischen Nachbarn. Dass dieser Strom zu einem großen Teil aus Kohleverbrennung und Kernenergie gewonnen wird, verdeutlicht die Lebenslüge, der unsere angeblichen Weltenretter erliegen.
Oder wissen sie ganz genau um diesen irrwitzigen Sachverhalt? Sagen sie sich einfach: „Die Deutschen wollen den Umbau der Energieversorgung. Nutzt zwar nichts, kostet dafür viel Geld. Geld allerdings, was in unsere Taschen fließt. Was also soll’s? Die Leute erkaufen sich ein gutes Gewissen, wir werden reich. Den Rest machen andere: Das benachbarte Ausland.“ Welches insgesamt nicht sehr begeistert ist. Die Schweiz zum Beispiel hatte ob des massiv notwendigen Stromexports nach Deutschland am 20. Mai 2019 sogar exorbitante Schwierigkeiten.
Leider ist die Geschichte, wenn man sie verantwortungsbewusst angeht, so schlicht, so einfach eben nicht. Die verlässliche und nachhaltige Versorgung der Menschen mit Strom ist eine der wichtigsten Aufgaben eines hochindustrialisierten Staatswesens wie Deutschland. Nur diese Versorgung mit Strom ermöglicht überhaupt erst persönliche Freiheit mit der entsprechenden Sicherheit für den einzelnen Menschen. Durch die bisherige Energiewende und die weiteren, geplanten Schritte wird dies leichtfertig auf’s Spiel gesetzt. Meine Artikel sollen einem steten Tropfen gleich dieses Drama begleiten, den Finger in die Energiewunde (!) legen und bestenfalls zu einem Umdenken beitragen. Sie, meine Leser, sollten bei jeder Gelegenheit die Kolumne Woher kommt der Strom? weiterempfehlen. Auch und gerade an die Menschen, die der Energiewende – oft aus Unkenntnis der Fakten – noch immer positiv gegenüberstehen. Dafür bedanke ich mich.
Zwei Beispielrechungen
Ab 27. Mai 2019 gehen gewartete Kernkraftwerke Zug-um-Zug wieder ans Netz. Lediglich Emsland A bleibt in der Wartung. Die 22. Woche mit dem verlängerten Vatertags-Wochenende und dem deshalb ab Donnerstag geringeren Strombedarf als üblich hält zusätzlich einige bemerkenswerte Aspekte bereit. Grund ist die starke Schwankungsbreite der Windstromerzeugung. Diese Woche belegt kompakt, dass ein Verzicht auf verlässlich steuerbare Stromerzeugung ein Gedanke ist, von dem sich Politiker, die verantwortungsbewusst für die Interessen ihrer Wähler, für die Sicherheit und das Wohlergehen der Menschen in Deutschland eintreten wollen, schleunigst verabschieden sollten. Wenn die unbedingt notwendige verlässlich steuerbare Stromerzeugung nachhaltig und CO2-arm sein soll, kann es nur Strom aus Kernkraft sein. Strom aus Kernkraftwerken, die in Deutschland stehen. Das europäische Ausland kann und will die Stromversorgung Deutschlands nicht übernehmen. Da hilft auch das Gerede von dem "europäischen Kontext" nicht, mit dem sich mancher Politiker, hier zum Beispiel Johann Saathoff, an fixe Ideen klammert.
Detaillierte Zahlen entnehmen Sie der Tabelle und dem daraus generierten Chart. Auffällig ist, dass der Saldo Im-, Exportstrom wie in der Vorwoche an einigen Tagen im Plusbereich liegt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen wird praktisch innerhalb jeder Stunde eines Tages Strom ex- und importiert. Die tatsächlich entstehenden Kosten können mittels des Saldos ermittelt werden. Klicken Sie hier und fahren Sie mit der Maus auf die lila Linie. Der aufklappende Stundensaldo (In der Darstellung Minus = Import, Plus = Export, in unserer Berechnung immer positiv) wird mit dem MWh-Preis, welcher auf der blauen Linie zur gleichen Stunde angegeben ist, multipliziert. Dann das Ganze mal 1.000, denn eine Gigawattstunde entspricht 1.000 Megawattstunden. Schon haben Sie den Preis, der bezahlt werden muss, um Strom zu kaufen, zu verkaufen. Ist der Betrag negativ muss dieser von Deutschland als Bonus zum abgegebenen Strom mitgegeben werden.
Erstes Beispiel: 26. Mai 2019 um 14:00 Uhr 9,397 GWh Export à 13,97 € = 131,276 x 1.000 = 131.276 € Bonus für die abnehmenden Länder. Zweites Beispiel: Am 28. Mai 2019 um 6:00 Uhr 12,614 GWh Strom Import à 49,9 € /MWh. Das macht 616,124 € x 1.000 = 616.124 € muss Deutschland bezahlen. Generell lässt sich sagen, dass negative = Importsalden kostenträchtiger sind, als positive Salden bezogen auf den aufgeklickten Chart des Agorameters.
Die Tagesanalysen
Sonntag, 26.5.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 68,91 Prozent
Ein Tag mit zunehmenden Wind, der ab 5:30 Uhr zusammen mit der aufgehenden Sonne und dem konventionell erzeugten Strom den Strombedarf Deutschlands deckt. Da die konventionelle Stromerzeugung nicht so schnell heruntergefahren werden kann, wie der Wind auffrischt, werden unter dem Strich 0,09 TWh exportiert. Den exakten Strom Im- und Export des Tages können Sie hier verfolgen.
Montag, 27.5.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 56,59 Prozent
So schnell, wie der Wind gestern aufgefrischt ist, flaut er auch wieder ab. Als ab 5:00 Uhr der Strombedarf ansteigt, reicht Deutschlands eigene Stromversorgung nicht mehr aus. Fast den ganzen Tag. Nur von 11:00 bis 14:00 Uhr sorgt eine starke Sonne für genügend Strom. Hier der Chart Im-, Export. Es werden 0,02 TWh saldiert an diesem Tag exportiert.
Dienstag, 28.5.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 42,74 Prozent
Heute wieder eine Stromunterdeckung. Wann? Den ganzen Tag! Die Dokumentation dieser Unverfrorenheit – die Unterdeckung ist politisch gewollt, es soll kein Strom in Deutschland zusätzlich fossil erzeugt werden – tut fast schon körperlich weh. Weil die Bevölkerung die Zusammenhänge nicht durchblickt – der Strom kommt ja aus der Steckdose –, kann sie weiter für dumm verkauft werden. Und dumm gehalten werden. Schauen Sie sich die Stromimporte an und berechnen Sie den Preis, wenn Sie möchten. Die Stromversorgung Deutschlands ist komplett von massiven Importen aus dem benachbarten Ausland abhängig. Wehe, da ist mal was im Argen, sprich aus welchen Gründen auch immer – und seien es auch "nur" politische – es hakt. Dann Gnade uns der Stromgott.
Mittwoch, 29.5.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 44,07 Prozent
Der gleiche Albtraum wie gestern. Zu keiner Stunde reicht Deutschlands eigene Stromversorgung aus. Der Grund: Nachhaltige Flaute. Die Windstromerzeugung geht tagsüber fast komplett in den Keller. Auch eine kräftig scheinende Sonne (13:00 bis 14:00 Uhr über 23 GW Sonnenstrom) verhindert nicht, dass Deutschland wieder, den zweiten Tag in Folge, auf Strom aus dem europäischen Ausland, insbesondere der Schweiz und Frankreich angewiesen ist.
Donnerstag, 30.5.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 65,85 Prozent
Christi Himmelfahrt/Vatertag. Der Bedarf sinkt. Der Wind frischt kräftig auf. Die Stromversorgung Deutschland ist morgens und abends zwar auf Kante genäht. Doch es reicht. Sogar mehr als das. Über Tag kann Strom in erheblichen Umfang exportiert werden. Fast kein Import ist nötig. Von 10:00 bis 15:00 Uhr. Was höchst selten ist. Und was den Strompreis in die Nähe der Null € pro MWh senkt.
Freitag, 31.5.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 54,06 Prozent
Die Windstromerzeugung nimmt im Lauf des Tages erheblich ab. Die Bedarfssteigerung ab 5:00 Uhr kann trotz der aufgehenden Sonne und dem damit wachsenden Sonnenstrom nicht aufgefangen werden. Es entsteht eine Stromunterdeckung, die durch Import aus Frankreich und der Schweiz ausgeglichen werden muss. Über Mittag reicht der Strom für kurze Zeit. Ab 16 Uhr, mit schwächer werdender Sonne und nochmals sinkender Windstromerzeugung, ist trotz schwächer werdendem Bedarf wieder erheblicher Stromimport notwendig.
Samstag, 1.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 56,48 Prozent
Dank wenig Strombedarf und eine kräftig auf die Solarpaneelen scheinende Sonne, muss heute „nur“ morgens und abends Strom importiert werden und die Versorgung Deutschlands zu gewährleisten. Die Windstromerzeugung bleibt weiterhin schwach. Zur Nacht sinkt sie sogar nochmal ab. Von 23:00 bis 24:00 Uhr werden offshore 0,362 GW, onshore 1,845 GW Strom erzeugt. Die Sonne scheint ohnehin nicht. Da am Sonntag ein ähnliches Bild ansteht, kann man durchaus von Dunkelflaute reden. Und selbstverständlich muss Strom importiert werden.
Eine Dunkelflaute, die ohne Hilfe unserer Nachbarn nicht zu bewältigen ist. Es sei denn die konventionelle Stromerzeugung würde in Deutschland hochgefahren. Das aber ist aus politischen Gründen nicht gewollt. Deutschland muss die Klimaziele erreichen. CO2, das im Ausland produziert wird, wird da nicht angerechnet. Deshalb, und nur deshalb fährt Deutschland eine höchst gefährlich Strom-Nicht-Erzeugungsstrategie. Hoffen wir mal, dass es gut geht. Wenn nicht: Siehe oben. Beim Stromgott!
Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr.
Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.
Rüdiger Stobbe betreibt seit 3 Jahren den Politikblog www.mediagnose.de. Seit über einem Jahr beobachtet er dort die Stromerzeugung in Deutschland.