Ich habe das von Anfang an gesagt! „Schatz“, habe ich gesagt, „Schatz, das ist doch Scheiße und kostet uns einen Haufen Geld!“ Aber wenn sich der Schatz etwas in den Kopf gesetzt hat, dann kann man nur sehr schlecht mit ihm diskutieren, wenn man nicht 14 Tage nur Salat mit Mozarella essen möchte.
Angefangen hat es damit, dass der Schatz um die beiden Bäumchen vor der Eingangstüre zwei Lichterketten geschmissen hat, deren Licht von Mignon-Batterien gespeist wurde, die seltsamerweise trotz Zeitschaltuhr nie länger als vier Stunden durchhielten, um dann, einem alten Leben gleich, langsam dahinzudämmern und schließlich stumm glühend ihre Leuchtkraft auszuhauchen. Also fanden der Schatz und ich es gut, die Beleuchtung auf Steckdoseneinspeisung umzustellen, da brannten die Lichtlein recht tapfer die ganze Nacht durch. Am Tag auch. Weil wir zu faul waren und es öfter vergessen haben, sie auszuschalten. Und weil die Lämplein das so gut durchhielten, meinte der Schatz, dass wir ja eine Lichterkette quasi um die Dachgauben und die Dachränder legen könnten, was ja erfahrungsgemäß sehr gut aussieht und nachts die Konturen des Hauses nach- und weichzeichnet.
Also stieg der Schatz auf eine Leiter (er ist größer als ich und hat damit eine höhere Reichweite. Das hat er mit dem Unterschied zwischen amerikanischen und nordkoreanischen Atomraketen gemeinsam) und nagelte eine hübsche Lichterkette in warmem Gelbton rund um den Dachfirst und die Dachenden und die Dachgaube, und als ich nicht hinsah, auch auf die Hausecken und rund um die Fenster und Außentüren herum, sodass unser Haus des Weihnächtens wie ein 3D-Modell unseres Hauses auf einem Rechner der 90er Jahre aussah.
Windenergie klappte auch nicht
Das Problem dabei war, dass wir jetzt nicht einmal die Kaffeemaschine anschalten konnten, ohne, dass uns die Sicherung um die Ohren flog, von einem beleuchteten Weihnachtsbaum ganz zu schweigen. Aber ich habe es nicht übers Herz gebracht, dem Schatz zu sagen, dass er die verdammten Lichter entweder wieder abmontieren soll oder wir sie einfach nicht einschalten, weil er sich doch so viel Mühe gegeben hat, der Schatz. Ganz abgesehen davon, dass unser Stromzähler derart schnell rotierte, dass er fast schon wieder als eigenständige Stromquelle hätte dienen können, wenn man mal die Physik außer Acht lässt. Aber weil ich nicht bei den Grünenden bin, kann ich sie eben nicht außer Acht lassen.
Versuche, eine zusätzliche Stromquelle durch den Anschluss der Leitung an einen extra gekauften Hamster nebst Hamsterkäfig mit Hamsterrad zu erschließen, scheiterten zuerst an der zuverlässigen Leistungsunfähigkeit des Hamsters und dann an unserer Katze, die sich über den possierlichen vorweihnachtlichen Spielgefährten einen Tick zu sehr freute. Tieren ist das physikalische Prinzip der Stromerzeugung leider gänzlich unbekannt und bei der einzigen Ausnahme – den Aalen – hatten wir beide zu wenig biologischen Einblick, um ein paar Exemplare anzuschaffen und sie ständig derart unter Stress zu halten, dass sie permanent Elektroschocks abgeben.
Solarenergie konnten wir mangels ausreichender und korrekt unmöglicher Ausrichtung vergessen, zumal wir meist im Schatten des Nachbarhauses liegen und Windenergie klappte auch nicht, weil gleich zwei Nachbarhäuser uns den Wind wegnehmen. Für eine Wassermühle war unser Bachlauf zu klein, und um an Erdwärme zu kommen, hätten wir den Erdkern anbohren müssen, was nur sehr wenige Fachfirmen für kleines Geld machen. Gas-, Diesel- und Kohleverbrenner schieden aus Umweltgründen ebenfalls aus, und aufs Trimmrad wollten der Schatz und ich uns ebenfalls nicht setzen, weil wir die Fettreserven noch für die kommenden schlechten Zeiten brauchen.
Die Nachbarn staunten nicht schlecht
Also habe ich mich eben hingesetzt und über Amazon einen Kernreaktor zuverlässiger russischer Bauart bestellt. Den gab es dort im Sonderangebot als Selbstbaubastelsatz, und außerdem gab es bei der Bestellung von zwei Brennstäben einen dritten Brennstab kostenlos dazu. Es ist fantastisch, was in der heutigen Zeit alles miniaturisierbar ist. Sicher, die Nachbarn staunten nicht schlecht, als die beiden Schwertransporter mit Wladiwostoker Kennzeichen die kleine Betonkuppel, die Brennkammern und die drei Uranstäbe nebst Zubehör abluden, aber meine Versicherung, dass das alles völlig legal und sicher sei, genügte der Nachbarschaft. Als Bonus versprach ich, wenn sie beim Aufbau helfen würden, sie zuverlässig mit Strom zu beliefern.
Und so kommt es, dass unser netter kleiner Ort die am besten illuminierte Ortschaft weltweit ist. Bauer Eckhardt hat sogar seinen Acker beleuchtet, wodurch Hintermondhausen auch bei Nacht aus dem Weltraum erkennbar ist. Und was nun ausgelutschte Brennstäbe angeht – wir in Hintermondhausen haben schon unsere Möglichkeiten, das Zeug irgendwo verschwinden zu lassen, wo es keiner findet. Beispielsweise als Fenstersturz in der örtlichen Kirche. Oder auf Bauer Eckhardts Acker, dessen dreiköpfiger Hund sogar zur Legende werden könnte.
Frohe Weihnachten!
(Weitere unglaubliche Geschichten des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro