Rüdiger Stobbe / 03.11.2020 / 10:00 / Foto: Doenertier82 / 0 / Seite ausdrucken

Woher kommt der Strom? 43. Woche

Die 43. Woche  ist durchwachsen windstark (Abbildung, bitte unbedingt anklicken. Es öffnen sich alle Abbildungen & Mehr). Was bedeutet, dass sich recht starke Windstromerzeugung und Windstromerzeugung gegen Null abwechseln. Was für die konventionellen Stromerzeuger immer eine gewaltige Herausforderung darstellt (Abbildung 1). So kommt es in der Nacht am 22.10.2020 zu einer Stromüberproduktion, die es erforderlich macht, insgesamt gut 10 GW für 1,09 €/MWh zu veräußern (Abbildung 2). Zum Vergleich: Der normale Stromkunde zahlt gut 0,30 € pro kWh. Klar, sind diverse „Abgaben“ drin. Dennoch sieht man doch sehr schön, wie die Preisverhältnisse sind. Es wird die ganze Woche so viel Strom in Deutschland erzeugt, dass per Saldo so gut wie keine Importe nötig werden. So ist Deutschland fast komplett Stromexporteuer. Zu welchem Preis, bei welchen Käufern (Abbildung 3)? Die Preise, die Deutschland für seine Überproduktion erzielt, sind insgesamt nicht auskömmlich, wenn man einen konventionellen Einstandspreis von 40 €/MWh + Zertifikatkosten zugrunde legt. Von den EEG-Preisen ganz zu schweigen. Da zahlt der Stromkunde immer drauf. Egal, ob über seine Stromrechnung oder in Zukunft über das Steuersäckel. Kosten tut’s in jedem Fall viel Geld.

Die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und der daraus generierte Chart (Abbildung 4) wurde beim Im- und Exportbereich um die Länder Belgien, Luxemburg und Norwegen erweitert. Hinter den auf 2 Nachkommastellen gerundeten Werten liegen jetzt faktisch 6 Nachkommastellen Rechenwerte. Rundungsdifferenzen sind deshalb denkbar.

Der Bereich Im-/Export kann unter Abbildung 5 aufgerufen werden. Er wird ergänzt durch eine Kostenanalyse für das Jahr 2020, Stand 1. November 2020.

Seit Anfang des Jahres 2020 wird eine angenommene Verdoppelung der Stromerzeugung durch Wind- und Sonnenkraftwerke. Die ernüchternden Ergebnisse erfahren Sie nach den Tagesanalysen.

Die Tagesanalysen

Sonntag, 18.10.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 49,61 Prozent, davon Windstrom 29,92 Prozent, Sonnenstrom 6,30 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,39 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Sonntag ist bedarfsarm wie immer. Die konventionelle Stromerzeugung der mittels erneuerbarer Energieträger. Der Strompreis, den Deutschland erzielt, dümpelt um die 30 €/MWh, ist wenig befriedigend. Von 17.00 bis 21:00 Uhr allerdings, am berühmten Vorabend, steigt der Preis auf knapp 50 €/MWh (19:00 Uhr). Was den Tag ertragsmäßig mildert, aber nicht rettet. Diese Nachbarn kaufen den überschüssigen Strom. Bemerkenswert ist, dass Dänemark und Schweden Strom nach Deutschland liefern. Den ganzen Tag!

Montag, 19.10.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 30,56 Prozent, davon Windstrom 12,50 Prozent, Sonnenstrom 6,25 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,81 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Montag, Werktag, höherer Bedarf. Die konventionelle Stromerzeugung reicht gleichwohl aus, um den Bedarf Deutschlands sicherzustellen. Komplett, nein, eine kleine Importlücke tut sich auf. Die kann um 17:00 Uhr mit knapp 50 €/MWh geschlossen werden. Ansonsten liegt das Preisniveau mit um die 40 €/MWh ab 6 Uhr morgens in einem akzeptablen Bereich. Um 8:00 Uhr werden sogar satte 70,3 €/MWh kassiert. Die bezahlen diese Nachbarn.

Dienstag, 20.10.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 48,08 Prozentdavon Windstrom 32,69 Prozent, Sonnenstrom 5,13 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,26 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

In der Nacht zum Dienstag zieht die Windstromerzeugung an. Die Sonnenstromerzeugung ist gering. Das wird in den nächsten Monaten immer häufiger der Fall sein. Diese geringe Sonnenstromerzeugung bewirkt allerdings, dass der Strompreis über Tag unter 30 €/MWh sinkt. Die konventionellen Stromerzeuger nehmen das in Kauf, denn ein Herunterfahren ihrer Kraftwerke hätte die berühmte Vorabendlücke zur Folge, deren Schließen mit Sicherheit erheblich teurer würde, als der Mittagstiefpreis an Ertrag kostet. Den überschüssigen Strom kaufen diese Nachbarn.

Mittwoch, 21.10.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 52,56 Prozentdavon Windstrom 38,46 Prozent, Sonnenstrom 3,85 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,26 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Mittwoch kommt wieder mit geringer Sonnenstromerzeugung daher. Dafür zieht über den Tag die Windstromerzeugung massiv an, so dass die konventionellen Stromerzeuger drosseln müssen. Zuviel Strom im Markt senkt die Preise, wie man gut erkennen kann. Wer kauft auch zum Vorabend günstig Strom?

Donnerstag, 22.10.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 56,97 Prozent, davon Windstrom 41,21 Prozent, Sonnenstrom 6,06 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,07 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Am heutigen Donnerstag sieht man noch mal, wie sich Sonnenstromerzeugung in einem gesättigten Markt (1:00 Uhr und weiter) negativ auf den Strompreis auswirkt. Die Windstromerzeugung lässt über Tag nach. Am Vormittag werden Preise über 40 €/MWh erzielt, am Vorabend sogar über 50 €/MWh. Der Sonnenstrom hingegen drückt den Preis um 12:00 Uhr auf fast 20 €. Wer kauft wann, zu welchen Preisen?

Freitag, 23.10.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 36,00 Prozent, davon Windstrom 21,33 Prozent, Sonnenstrom 3,33 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,33 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Am Freitag geht die regenerative Stromerzeugung in den Keller. Die konventionellen Stromerzeuger führen die Produktion so nach, dass keine Versorgungslücken entstehen. Entsprechend hoch liegt das Preisniveau ab 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr. Deutschland bekommt immer über 40 €/MWh. Auch in der Mittagsspitze. Diese Nachbarn zahlen.

Samstag, 24.10.2020: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 61,07 Prozent, davon Windstrom 41,98 Prozent, Sonnenstrom 6,11 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,98 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Einstieg ins Wochenende lässt die Strompreise wieder sinken. Wind- und Sonnenstromerzeugung ziehen an. Das Preisniveau sinkt wieder in 30 €/MWh-Bereiche. Zwar werden auch mal über 40 € erzielt, dafür sinkt der Preis manchmal an die 20 €/MWh-Grenze. Das Ganze rechnet sich für die konventionellen Erzeuger wahrscheinlich eher nicht. Doch sie müssen liefern. Sonst gehen die Lichter aus. Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke werden gedrosselt. Ihr Strom wäre zu teuer. Die Zertifikate wirken.

Wasserstoff – die ernüchternden Fakten

Eine angenommene Verdoppelung der Stromerzeugung mittels Wind- und Sonnenkraft ergibt für das Jahr 2020 recht ernüchternde Erkenntnisse. So hätte von den 298 Tagen bis zum 24. Oktober 2020 der mittels erneuerbarer Energieträger – Wind-, Sonnenkraft plus Biomasse und Wasserkraft, insgesamt erzeugte Strom – lediglich an 105 Tagen ausgereicht, um den Strombedarf Deutschlands zu decken. Wenn man den Chart analysiert, der unter Abbildung 6 als Excel-Tabelle heruntergeladen werden kann, wird man erkennen, dass an diesen 105 Tagen sehr, sehr oft eine erhebliche Stromüberproduktion, bezogen auf den tatsächlichen Bedarf, vorliegt. Da es nicht möglich ist, solche Strommengen zu speichern, bleibt nur das Abregeln insbesondere von Windkraftwerken oder das Veräußern dieses Stroms ins benachbarte Ausland.

Die Erzeugung von Wasserstoff wäre in einem gewissen Umfang sicher möglich. Da der überschüssige Strom aber sehr unregelmäßig und dazu noch in unterschiedlichen Größenordnungen anfällt, müsste trotz des erneuerbaren Stromüberschusses konventioneller Strom in die Wasserstofferzeugung einfließen. Grund ist kontinuierlich fließender Strom, der für die Wasserstofferzeugung benötigt wird. Der konventionell erzeugte Strom würde den mittels Wind- und Sonnenkraft erzeugten Strom glätten beziehungsweise dann Strom liefern, wenn solcher Strom nicht vorhanden ist.

Das ist bei unserer auf tatsächlichen Werten beruhenden Annahme immerhin an 193 Tagen der Fall. Da muss ohnehin zusätzlich erzeugter, konventioneller Strom den zur Deckung des Strombedarfs fehlenden, erneuerbar erzeugten Strom ergänzen. Insofern ist die Kurzzusammenfassung der Werte oben rechts im Chart irreführend. Da sieht es so aus, dass der überschüssige Strom annähernd die Hälfte des fehlenden Stroms ausmacht. Angenommen, der komplett überschüssige Strom könnte, so wie er unregelmäßig anfällt, zu Wasserstoff verarbeitet werden. Lediglich gut 7,5 TWh stünden nach der Transformation Strom-Wasserstoff-Strom zur Verfügung. 7,5 TWh, die eben bei weitem nicht ausreichen, um die fehlenden 64,42 TWh auszugleichen. Warum bringen 30 TWh Strom lediglich 7,5 TWh Strom nach Wasserstoffspeicherung? Klicken Sie unter Abbildung 7 die Bossel-Ausarbeitung an. Dr. Ulf Bossel hat bereits vor 10 Jahren nachgewiesen, dass Wasserstoff faktisch ungeeignet ist, um Energieprobleme nachhaltig und energieeffizient zu lösen. Wasserstoffwirtschaft kann nur dann funktionieren, wenn Strom in gigantisch-überschüssigem Ausmaß vorhanden sein sollte. Das wird mittels Wind- und Sonnenenergie in wirtschaftlich tragbarer Form niemals gelingen! 

Hauptsache, das Geld fließt

Eine Alternative wäre Strom aus Kernkraftwerken, der Wasserstoff für die Bereiche erzeugt, wo er sinnvoll ist. Gasheizungen zum Beispiel könnten nach der Methanisierung des erzeugten Wasserstoffs mit CO2-frei erzeugter Energie betrieben werden. Denn der komplette Umbau der Heizungssysteme in Deutschland auf das strombetriebene Wärmepumpensystem erscheint doch etwas blauäugig. Nun ist der Zug "Kernkraft" in Deutschland wegen einer vollkommen irrationalen Angst vor dem "Atom", und wegen einer genauso irrationalen, um nicht zu sagen irrlichternd-einsamen Entscheidung der Bundeskanzlerin nach der Havarie von Fukushima abgefahren.

Die Explosionen dort waren pikanterweise Wasserstoff- und keinesfalls Kernexplosionen (Abbildung 8). Wasserstoff bildet in Verbindung mit dem Sauerstoff der Luft ein hochexplosives Gemisch, genannt Knallgas (Abbildung 9). Leider stehen die verbliebenen Kernkraftwerke Deutschlands vor dem endgültigen Aus. Letzte Versuche, noch irgendetwas daran aufzuhalten, kamen zu spät und viel zu halbherzig. Es scheint, als hätten die Lobbyisten der Kernenergie nicht nur resigniert, sondern bereits das neue Geschäftsfeld "Die Erneuerbaren" entdeckt (Abbildung 10). Wie es dabei der Stromversorgung Deutschlands ergeht, was den Bürger der "Spaß" kostet, ist diesen Leuten offensichtlich vollkommen gleich. Hauptsache das Geld fließt in die richtigen Taschen. Die eigenen. 

Ordnen Sie Deutschlands CO2-Ausstoß in den Weltmaßstab ein. Zum interaktiven CO2-Rechner: Hier klicken. Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. 

Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

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