Von Rüdiger Stobbe.
Eine Kolumne, die sich mit der Herkunft des Stroms in Deutschland beschäftigt, muss selbstverständlich den Abschlussbericht der sogenannten Kohlekommission thematisieren. Nachdem bereits in der letzten Woche ein spezifischer Aspekt – die Abschaltung von 12,5 GW installierter Kohlekraftwerksleistung – behandelt wurde, steige ich nach der Analyse der 4. Woche Stromerzeugung in Deutschland, etwas tiefer in das Thema Kohleausstieg ein. Zunächst aber die Wochenanalyse 4. Woche 2019 auf der Datenbasis der vom Fraunhofer ISE bereitgestellten energy-charts.
Das schöne Winterwetter, das sich am Freitag der 3. Woche bereits andeutete, hielt an. Sonnenschein und oft fast kein Wind. Dabei angenehme Temperaturen, etwas höher als der Gefrierpunkt. Leider kein Wetter für die Energieträger Wind und Sonne. Die Sonne steht im Winter tief, hat wenig Kraft. Der Wind ruhte weitgehend. Folge: Kaum Strom durch Wind- und Sonnenkraftwerke. Schauen Sie sich die Tabelle mit den detaillierten Zahlen an. Bitte insbesondere auch die Ex- und Importdaten vom 24.1.2019. Das ist wichtig, weil an diesem Tag auf den ersten Blick gemäß des aus der Tabelle entwickelten Charts kein Strom exportiert wurde. Dieser Eindruck ist nicht richtig. Lediglich der Saldo beträgt 0 TWh. Faktisch wurden 0,05 TWh importiert und 0,05 TWh exportiert. Hier nun die Wochenanalyse. Klicken Sie auf das Tagesdatum und das jeweilige Chart klappt mit den wesentlichen Infos auf.
Erneuerbare im Tief
20.1.2019 Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 20,14 Prozent
Mit 0,12 TWh wird sehr wenig Wind- und Sonnenstrom erzeugt. Lediglich Biomasse und Wasserkraft – zuverlässige, aber kapazitätsmäßig nahezu ausgereizte erneuerbare Energieträger heben die Erneuerbaren gesamt auf 0,29 TWh. Was trotzdem nur 1/5 der Gesamtstromerzeugung ausmacht. Der Stromexport übersteigt mit 0,2 TWh die erzeugte Strommenge aus Wind und Sonne um 0,08 TWh. Das ist festzuhalten, weil immer wieder gerne behauptet wird, Deutschland exportiere den überschüssigen Wind- und Sonnenstrom.
21.1.2019 Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 21,51 Prozent
Etwas mehr Wind. Trotz Biomasse und Wasserkraft ist der prozentuale Anteil der Erneuerbaren dennoch kaum höher als gestern, am Sonntag. Montags wird mehr Strom gebraucht. Die konventionelle Stromerzeugung steigt von 1,15 TWh auf 1,35 TWh. Exportiert werden 0,19 TWh. 0,01 TWh weniger, als Wind- und Sonnenkraftwerke an diesem Tag geliefert haben.
22.1.2019 Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 27,72 Prozent
Obwohl sich die Windstromproduktion gegenüber dem 21.1.2019 mehr als verdoppelt, trotz Biomasse und Wasserkraft werden nicht mal 30 Prozent Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromproduktion (1,84 TWh) erreicht. Der Nettostrombedarf in Deutschland lag an diesem Tag bei 1,59 TWh. Also wurden 0,25 TWh exportiert.
23.1.2019 Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 21,88 Prozent
Wieder nur etwas mehr als 1/5 tragen die Erneuerbaren zur Gesamtstromerzeugung bei. Erzeugter Wind- und Sonnenstrom fallen wieder auf 0,2 TWh. Ohne Wasserkraft und Biomasse sind das gerade mal 11,5 % der Gesamtstromerzeugung (1,74 TWh) an diesem Tag. Zur Erinnerung: Ende 2018 betrug die installierte Leistung der Wind- und Sonnenkraftwerke über 50 Prozent der installierten Gesamtleistung.
24.1.2019 Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 15,34 Prozent
Ein schwarzer Donnerstag für die Wind- und Sonnenstromerzeugung. 0,07 TWh, verteilt auf 0,05 TWh Windstrom und 0,2 TWh Sonnenstrom, wurden erzeugt. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass eine Verdoppelung der Wind und Sonnenkraftwerkskapazitäten zum Beispiel beim Windstrom 60.000 – auch in Wald hinein gebaut – statt 30.000 Windräder heute, in Deutschland auch nur maximal 0,14 TWh liefern würde. An diesem Tag war der Saldo Ex-, Import gleich Null. 0,05 TWh wurden exportiert. 0,05 TWh wurden importiert. Woher, wohin, können Sie in der Tabelle sehen.
25.1.2019 Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 22,49 Prozent
Auch heute ist das Ergebnis Wind- und Sonnenstrom unbefriedigend. Nur 0,21 TWh bringen die beiden Energieträger auf die Waage. Wiederum nur gut 1/5 tragen sie gemeinsam mit Biomasse und Wasserkraft zur heutigen Gesamtstromerzeugung (1,69 TWh) bei. 12,42 Prozent wären es, wenn nur Wind- und Sonne gewertet würden. 0,1 TWh werden exportiert.
26.1.2019 Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 41,46 Prozent
Aufatmen bei der Windwirtschaft. Endlich weht er wieder, der Wind, der zwar ein erneuerbarer und kostenfreier Energieträger ist, dem gleichwohl nicht zu trauen ist. Heute werden mit 0,52 TWh Strom aus Wind und Sonne zwar nur gut die Hälfte des Spitzenwerts vom 8.1.2019 erreicht. Aber immerhin. Die konventionelle Stromerzeugung fällt unter 1 TWh. 0,29 TWh werden exportiert, so dass die Erneuerbaren bei insgesamt recht wenig Bedarf (1,35 TWh netto) – es ist Samstag – zu einem Ergebnis kommen, das in etwa im Durchschnitt liegt.
Vollständige AKW-Abschaltung bis 2022? Eher nicht.
Wobei Durchschnitt eben nur Durchschnitt ist. Strom muss genau dann erzeugt werden, wenn er gebraucht wird. Die Speicherproblematik ist nicht mal ansatzweise gelöst. Wenn sich solche Tage wie in dieser Woche häufen – 2018 erzeugten an 40 Tagen sämtliche Windkraftanlagen in Deutschland jeweils unter 0,1 TWh Strom – dann ist die Versorgungssituation ohne ausreichende konventionelle Back-up-Kraftwerkskapazitäten gefährdet. Wenn es nicht Kohle- oder Atomkraftwerke sein sollen, bleibt nur der Strom aus Gas. Gas, das importiert werden muss. Gas, das teuer ist. Gas, das bei der Verbrennung – wenn auch weniger als Kohle – CO2 übriglässt.
Die Sicherstellung der Versorgung mit genügend Strom ist der Aspekt, der für meine Analysen zunächst vorrangig ist. Hier zunächst auch nur der Zeitraum bis 2022. Das Jahr steht praktisch vor der Tür. 2022 soll der Ausstieg aus der Kernenergie komplett vollzogen und die Abschaltung von 12,5 GW durchgeführt worden sein. Plus weiterer Ausbau der Erneuerbaren. Alles andere steht in den Sternen. Wobei ich die vollständige AKW-Abschaltung bis Ende 2022 noch nicht so sehe. Warum?
Die Empfehlungen des Abschlussberichts zum besagten Zeitraum bis 2022 sind recht überschaubar. Die installierte Leistung Kohlekraftwerke gesamt soll auf 30 GW (Gigawatt) reduziert werden. Zur Erzeugung des 2018 insgesamt erzeugten Kohlestroms – in etwa 207 Terawattstunden (TWh) – ist eine installierte Leistung von 23,6 GW nötig. 30 GW verbleibende Leistung reichen aus, um die 2018 benötigte Kohlestrommenge plus Reserve zu erzeugen. Die Ersparnis CO2 ist gleich Null. Im Bericht ist vorgesehen, die freiwerdenden Emissionszertifikate nicht weiter zu verkaufen. Es soll ja nicht das theoretisch (faktisch durchaus nicht) eingesparte CO2 in Deutschland womöglich anderswo erzeugt werden. Diese Erhöhungsvermeidung CO2 (Keine CO2-Ersparnis in Deutschland, aber auch keine anderswo in Europa) kostet den Steuerzahler sicher eine ganze Menge Geld. Weil werthaltige Emissionsrechte eben nicht verkauft werden.
Für das Verständnis meiner Ausführungen ist es notwendig, ein wenig Kenntnis von den Maßeinheiten und deren jeweilige Verwendung im Strombereich zu haben. Gehen Sie bitte auf diese Seite.
Die Politiker-Sachkenntnis ist oft mehr als schwach
Die versprochenen Informationen zur Aktuellen Stunde im Bundestag am 31.1.2019 in Sachen Kohleausstieg können Sie hier abrufen. Da reden die Leute, die später darüber entscheiden, wie was gemacht wird. Wo, in welchen Taschen die Millionen, Milliarden und Abermilliarden Energiewende-Euro landen werden. Die Sachkenntnis ist oft mehr als schwach. Ein wirklich abschreckendes Beispiel: Rita Schürzelühr-Sutter, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Sehen und hören Sie selbst.