Rüdiger Stobbe / 29.09.2020 / 10:00 / Foto: Doenertier82 / 9 / Seite ausdrucken

Woher kommt der Strom? 38. Woche

Der Höchstpreis für eine MWh Strom lag in der 38. Woche (Abbildung 1) bei 189,25 Euro, der niedrigste Preis bei minus 58,80 Euro (diese Abbildung anklicken. Es öffnen sich alle Abbildungen und Mehr). Dazwischen lagen zwei Tage. Fast alle Nachbarn Deutschlands profitierten von dieser starken Preisdifferenz (Abbildung 2). Zunächst nahmen sie Deutschland den Strom am Sonntag mit einem fetten Bonus ab. Am Mittwoch wurde Strom an Deutschland zu Höchstpreisen verkauft.

Am frühen Abend, wenn per Sonnenkraft kaum noch Strom erzeugt wird, wenn die Windstromerzeugung gering ist und der Bedarf steigt, stagniert oder weniger sinkt und deshalb nicht genügend Strom von Deutschland erzeugt wurde. Dann muss zugekauft werden. Die konventionellen Stromerzeuger stecken in dem Dilemma, dass sie die Strom-Erzeugung aus Kohle und Gas für diesen kurzen Zeitabschnitt in aller Regel nicht rentabel hochfahren können. Pumpspeicherstrom aber reicht eben nicht aus. Und auch Öl und andere kurzfristig einsetzbaren fossilen Energieträger helfen nicht weiter (Abbildung 3). Deshalb die regelmäßigen Versorgungslücken am frühen Abend, die dann mit viel Geld geschlossen werden müssen.

Die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und der daraus generierte Wochenchart (Abbildung 4) ergänzen die Analyse. Ebenso die Im-/Exportcharts für das aufgelaufene Jahr und die 38. Woche (Abbildung 5). Es fällt auf, dass Polen nur 0,05 TWh importiert hat. Sonst liegt der Wert um die 0,20 TWh. Wir werden das weiter beobachten, denn in Deutschland erzeugter Strom war bisher fester Bestandteil der polnischen Stromversorgung.

Unter der Annahme, dass Wind- und Sonnenkraftwerke dank Verdoppelung der installierten Leistung ihre Stromerzeugung verdoppeln, werden unter Abbildung 6 die Auswirkungen dargestellt. Der mittels erneuerbarer Energieträger insgesamt erzeugte Strom hätte auch in der 38. Woche nicht ausgereicht, um die Stromversorgung Deutschlands sicherzustellen. Geklappt hätte dies im Tagesdurchschnitt seit dem 8.7.2020 bis zum 19.9. 2020 nur an 6 Tagen.

Was reichlich ernüchternd ist. Ernüchternd sein müsste. Für unsere Freunde der Energiewende. Manchmal drängt sich der Eindruck auf, dass weniger die Weltenrettung, denn die Verdienstmöglichkeiten bei der Installation von Wind- und Sonnenkraftwerken im Vordergrund stehen. Sind die nicht attraktiv genug, wird eben nicht gekauft, gebaut, installiert. Dann muss der Staat ran.

Ob die im geplanten "EEG neu" vorgesehenen Maßnahmen (Abbildung 6) ausreichen, sei dahingestellt. Es wird jedenfalls noch geraume Zeit dauern, bevor eine Verdoppelung der Strommenge dank Verdoppelung der installierten Leistung Windkraft- und Sonnenkraftanlagen möglich wird. Wenn es denn überhaupt dazu kommt. Die Zahlen, die Vernunft, die Physik und mittlerweile auch viele Bürger lassen erhebliche Zweifel am Sinn der Energiewende aufkommen.

Mit zwei Prozent CO2-Ausstoß hat Deutschland, mit 10 Prozent CO2-Ausstoß hat Europa nur einen geringen Anteil an der weltweiten, menschengemachten CO2-Erzeugung. Andere Länder werden, auch wenn Europa 2050 klimaneutral sein sollte, diese Ersparnis mehr als aufgeholt, wahrscheinlich mehrfach übertroffen haben. Ob sich da die investierten Billionenbeträge lohnen? Rentieren tun sie sich sicher nicht. Andere Länder der EU kommen denn auch auf richtig teuflische Ideen. Teuflisch jedenfalls für die deutschen Energiewender. Nach den Tagesanalysen dazu mehr.

Die Tagesanalysen

Sonntag, 13.9.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 55,08 Prozent, davon Windstrom 23,73 Prozent, Sonnenstrom 18,64 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,71 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Richtig viel Geld musste Deutschland mitgeben, um am heutigen Sonntag den überschüssigen Strom an die Nachbarn zu verscherbeln. Wenig Bedarf, viel Windstrom, viel Sonnenstrom, viel zu viel Strom im Markt. Folge: siehe oben. Die konventionellen Stromerzeuger fuhren ihre Stromerzeugung, soweit es ging, herunter. Es half nichts.

Immerhin gelang das Hochfahren der konventionellen Stromerzeugung zum Abend hin. So konnte wenigstens das berüchtigte Vorabendstromloch vermieden werden. So verkaufte Deutschland den eigenen Strom in dieser Zeit für bis zu gut 50 €/MWh.

Montag, 14.9.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 34,31 Prozent, davon Windstrom 6,57 Prozent, Sonnenstrom 16,79 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,95 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Die Windstromerzeugung sackt ab. Sofort ergeben sich vor 8:00 und nach 17:00 Uhr Versorgungslücken. Liegt der Importstrompreis morgens in der Spitze noch bei gut 60 €/MWh, steigt er zum Abend auf gut das Doppelte (120,62 €/MWh um 19:00 Uhr).  Wer macht gute Geschäfte? Vor allem die Schweiz, Österreich, Tschechien und Polen.

Dienstag, 15.9.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 32,14 Prozentdavon Windstrom 5,00 Prozent, Sonnenstrom 15,71 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,43 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Heute das gleiche Bild wie gestern. Lediglich das Preisniveau hat sich verschärft. Heute legt Deutschland um 19:00 Uhr die bereits oben erwähnten gut 189 €/MWh hin. Macht in Summe 1,316 Millionen €. Allein um 19:00 Uhr. Der Im-/Export sah so aus. Sehr schön ist zu erkennen, wie geschickt vor allem die Schweiz die Preisdifferenzen, die über den Tag entstehen, nutzt, um richtig Geld zu verdienen.

Mittwoch, 16.9.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 38,62 Prozentdavon Windstrom 15,17 Prozent, Sonnenstrom 12,41 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,03 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Am heutigen Mittwoch zieht die Windstromerzeugung ab 10:00 Uhr massiv an. So stark, dass die Vorabend-Versorgungslücke ausfällt. Deutschland kann den überschüssigen Strom hochpreisig veräußern. Über 66 €/MWh erhält man um 19:00 Uhr. Am Morgen allerdings war die Windstromerzeugung noch sehr schwach. Deshalb musste Deutschland um 8:00 Uhr über 86 €/MWh bezahlen. Die Im- und Exportstaaten.

Donnerstag, 17.9.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 44,90 Prozent, davon Windstrom 21,77 Prozent, Sonnenstrom 12,93 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,20 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Donnerstag wartet mit einem nahezu ausgeglichenem Strombedarf-Stromerzeugungs-Verhältnis auf. Nur geringe Versorgungslücken entstehen. Die allerdings kosten. Kosten mehr, als die Exporte über die Mittagsspitze einbringen. Der Wind lässt in der Zeit der Sonnenstromerzeugung nach. Je mehr, desto mehr Sonnenstrom erzeugt wird. Daher das ausgeglichene Erzeugungsbild. Der Im- und Export.

Freitag, 18.9.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 44,90 Prozent, davon Windstrom 21,77 Prozent, Sonnenstrom 16,43 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,71 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Der Freitag zeigt auch ein recht ausgeglichenes Stromerzeugungsbild. Wieder ist der Windstromrückgang über Tag die Ursache. Dennoch entstehen Versorgungslücken mit entsprechend hohen Importstrompreisen.

Samstag, 19.9.2020: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 50,40 Prozent, davon Windstrom 20,80 Prozent, Sonnenstrom 17,60 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,00 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Heute gibt es keine Stromunterdeckung in Deutschland. Dementsprechend ist das Preisniveau. Ja, am Vorabend exportiert Deutschland Strom zu auskömmlichen Preisen. Der Einstieg ins Wochenende bringt wenig Bedarf, verbunden mit einer außerhalb der Zeit der Sonnenstromerzeugung guten Windstromerzeugung. Ich nenne das eine Windstromwanne. Diese sorgt dafür, dass die Differenz zwischen Mittagsspitze und reiner Windstromerzeugung verhältnismäßig gering ausfällt. Was zu einem ausgeglicheneren Erzeugungsbild führt.

Das wiederum macht es den konventionellen Stromproduzenten leichter, den Restbedarf hinzu zu erzeugen. Deutschland erwirtschaftet zum Teil auskömmliche Strompreise, bezogen auf die konventionelle Stromerzeugungspreise. Dank Subventionierung liegen die Preise für Strom, der mittels Wind- und Sonne erzeugt wurde, höher. Das Gerede von den ach so günstigen "Erneuerbaren" ist propagandistischer Unfug (Abbildung 7). Und nicht nur die Subventionen schlagen zu Buche. Hinter jeder Solaranlage, hinter jedem Windkraftwerk muss noch ein konventioneller Stromerzeuger stehen, der einspringt, wenn die Sonne nicht (genügend) scheint und der Wind nicht (ausreichend) weht. Wie bisher immer in der Vergangenheit. Denn auch dann benötigt Deutschland Strom. 

Errichtung mehrerer Kernkraftwerke

Die Niederlande haben verstanden, dass das eben Beschriebene so ist. Deshalb ziehen sie nach der Stilllegung des Gasfeldes Groningen die Errichtung mehrerer Kernkraftwerke in Betracht. Energate.de berichtet: 

Die niederländische Regierung prüft den Bau neuer Atomkraftwerke. Nur wenige Tage, nachdem die Regierungspartei VVD von Ministerpräsident Mark Rutte einen entsprechenden Antrag ins Parlament eingebracht hat, präsentierte das Wirtschaftsministerium eine Studie zu den Vorteilen der Kernenergienutzung. Die Untersuchung der auf Nukleartechnologie spezialisierten Beratungsgesellschaft Enco sieht in der Atomkraft eine ernst zu nehmende Option neben Wind- und Solarenergie. Die Kosten seien nämlich vergleichbar, teilte das VVD-geführte Wirtschaftsministerium in Den Haag mit. [...] Dass die Kernenergie nicht teurer ist als Wind und Sonne, sei die zentrale Erkenntnis der Studie, heißt es weiter. Das gelte zumindest, wenn alle anfallenden Kosten in die Betrachtung einbezogen werden. So würden in der Regel die zusätzlichen Kosten der erneuerbaren Energien wie Netzanschluss, Netzregelung und Netzausbau außen vor gelassen und über den Netzbetreiber auf die Verbraucher abgewälzt. Um CO2 einzusparen, sei die Laufzeitverlängerung für bestehende Atomkraftwerke die wirtschaftlichste Option. Für den Neubau von Atommeilern in den Niederlanden sei es mit Blick auf lange Bauzeiten wichtig, Anschluss an die bestehende Serienproduktion im Ausland zu finden, empfiehlt Enco. (Abbildung 8)

Da wäre selbstverständlich ein Schlag ins Kontor für Deutschland, welches in den nächsten gut zwei Jahren die letzten noch verbliebenen Kernkraftwerke vom Netz nehmen wird. Da siegt offensichtlich Vernunft vor angstgetriebener Ideologie, kombiniert mit Millardenvernichtung. Ganz im Ernst: Es würde mich als Aachener persönlich überhaupt nicht stören, wenn eins der neuen niederländischen Kernkraftwerke im Umfeld des Gewerbegebiets Avantis bei Aachen gebaut würde.

Ordnen Sie Deutschlands CO2-Ausstoß in den Weltmaßstab ein. Zum interaktiven CO2-Rechner: Hier klicken. Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. 

Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

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Test 45: 62155

giesemann gerhard / 29.09.2020

Für Geld machen die Holländer einfach alles. Sogar Tomaten im Glashaus. Ich aber wünsche mir mit Deniz Yücel eine gemeinsame Grenze zwischen FR und PO, dann müssen die uns unter Strom setzen zu gleichen Bedingungen wie sich selbst; ich aber wäre gerne Franzose und der Polin Reiz ist unerreicht (Rudolf Schock im "Bettelstudent", gucksdu YT). Lege itzt paar "nocturnes" auf von Frédéric Chopin - da ist alles drin, was das Herz begehrt.

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