Wie letzte Woche bereits abzusehen, begann die 37. Woche mit sehr wenig Wind- und Sonnenstromerzeugung, so dass Deutschlands eigene Stromerzeugung bis genau Dienstag 8:00 Uhr nicht ausreichte, um den Strombedarf zu decken. Erst zu diesem Zeitpunkt endete die 88 Stunden andauernde Stromunterdeckungsphase. Deutschland verlässt sich in Sachen Stromversorgung offensichtlich ganz bewusst auf Stromimporte aus dem europäischen Ausland. Selbstverständlich wäre das Land in der Lage, den notwendigen Strom selbst zu produzieren.
Was bis April dieses Jahres auch regelmäßig geschah. Selbstverständlich werden für den Import entsprechende Preise aufgerufen. 71.360 Euro müssen für jede der am Montag um 8:00 Uhr benötigten 7,523 Gigawattstunden (GWh) bezahlt werden. Zur 13:00 Uhr Mittagsspitze des nächsten Tages – der Wind frischte auf – erzielt Deutschland für den Strom, den es nunmehr exportieren muss, 31.070 Euro pro GWh. 10,04 GWh waren es um diese Zeit. Nicht immer ist die Preisdifferenz mit 40.000 Euro pro GWh so massiv. Deutschland zahlt jedoch für Strom-Importe regelmäßig mehr, als es für Exportstrom erlöst. Das ist meines Erachtens das Gegenteil kaufmännischen Handelns.
Die Tabelle mit den Detailzahlen der 37. Woche rufen Sie hier auf. Den daraus generierten Chart hier.
Die Tagesanalysen
Sonntag, 8.9.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 31,63 Prozent
Der Tageschart für den heutigen Sonntag belegt das Dilemma der Stromversorgung mittels der erneuerbaren Energieträger Wind- und Sonnenkraft. Zum Glück ist der Bedarf wegen des Sonntags relativ gering. Nicht mal 1 TWh werden benötigt. Der Stromimport hält sich deshalb in Grenzen. Die Preise ebenfalls. Lediglich um 20:00 Uhr werden über 50.000 € pro GWh aufgerufen. Für insgesamt 4,01 GWh.
Montag, 9.9.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 31,36 Prozent
Ganz anders sieht es am ersten Werktag der Woche aus. Zwar steigt die erneuerbare Stromerzeugung etwas an. Doch der Bedarf steigt umso mehr. Jetzt sind Importe notwendig, die schon wesentlich kräftiger zu Buche schlagen. Über 70.000 kostet die GWh um 8:00 Uhr. Am Abend um 19:00 Uhr sind knapp 61.000 pro GWh € fällig. Es fehlten 6,563 GWh.
Dienstag, 10.9.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 48,55 Prozent
Aufatmen bei den Freunden der volatilen Stromversorgung. Wind- und Sonnenstromerzeugung ziehen merklich an. Zur Mittagsspitze um 13:00 Uhr ist sogar ein Stromüberschuss vorhanden. Am Morgen muss praktisch nur die Netzausregelungsreserve importiert/exportiert werden. Ab 18:00 Uhr allerdings fehlt wieder selbst erzeugter Strom. Die Preisdifferenz zwischen dem mittags exportierten, und dem um 20:00 Uhr importierten Strom liegt bei immerhin noch etwa 20.000 € pro GWh.
Mittwoch, 11.9.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 51,41 Prozent
Ab 10:00 Uhr steigt heute die Windstromerzeugung massiv an. Zusammen mit der zufriedenstellend scheinenden Sonne ist der Strom für den Rest des Tages nahezu ausreichend. Am Morgen fehlt Strom. Der kann allerdings günstig importiert werden.
Donnerstag, 12.9.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 46,38 Prozent
Zum Morgen nimmt die Windstromerzeugung ab. Es kommt zu einer Winddelle über Tag, die durch die Sonnenstromerzeugung aufgefangen wird. Obwohl am Abend Strom importiert werden muss, bleiben die Preise moderat. Was nichts an dem Sachverhalt "Importpreise sind höher als die Exportpreise!" ändert. Heute ist es mal moderat. Zumindest am Abend. Am Morgen liegt die Differenz in der Spitze (8:00 Uhr) wieder bei über 20.000 € pro GWh im Vergleich zum Mittagsexport (14:00 Uhr).
Freitag, 13.9.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 48,55 Prozent
Heute haben wir eine zufriedenstellende Stromversorgung durch Wind- und Sonnenkraft. Zumindest bis 17:00 Uhr. Dann flaut der Wind ab, die Sonne geht unter. Der Bedarf aber bleibt. Strom wird importiert.
Samstag, 14. 9.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 42,86 Prozent
Die sehr gute Sonnenstromerzeugung hilft über Windflaute und fehlende Windkraftstrom hinweg. Die Flaute ist allerdings in dieser Woche die Ruhe vor dem Sturm. Im wahrsten Sinn des Wortes. Am Sonntag trifft geringer Verbrauch auf viel, viel Wind. Plus viel Sonne. Dennoch reichen die Erneuerbaren nicht aus, um den Bedarf zu decken. Dazu mehr in der 38. Woche
Rechnen ist halt schwierig
Vergangenen Freitag war es so weit: Klimagroßkampftag. Alle Fridays-, Scientists- usw. for-Future Gruppen und über 100 weitere Organisationen, NGOs, Gewerkschaften und Kirchen, die Gruppierungen der sogenannten Zivilgesellschaft demonstrierten. Weltweit. Hunderttausende? Oder gar Millionen Menschen? Nun gut, vor allem in Deutschland, dem Epizentrum der Klima- und Weltenrettung wurde gehüpft, was das Zeug hält.
Hier in Deutschland wird auch politisch vorbildlich die Klimarettung inszeniert. Das Klimakabinett legte am Freitag all die Maßnahmen vor, welche die bundesdeutschen Bürger auf die richtige Klimarille bringen sollen. Zuckerbrot und Peitsche sind angesagt. Klimawohlverhalten wird gefördert; Klimaschädlinge werden abgestraft.
54 Milliarden Euro werden ausgelobt. So wird der Benzin- und Dieselpreis ab 2021 um 3 Cent angehoben. Wobei weitere Steigerungen durch den dann eingerichteten Emissionshandel sehnlichst erhofft werden. Dafür wird Strom billiger. 4.000 KWh kosten laut DPA 1.000 Euro pro Jahr weniger (Abbildung 0: Anklicken und so die weiteren Abbildungen gleichzeitig öffnen). Weil die EEG-Umlage ebenfalls ab 2021 um 0,25 Cent pro KWh gesenkt werden soll. Was nach meiner Rechnung im Gegensatz zur DPA nur glatte 10 Euro pro Jahr ergibt und nicht 1.000 € ausmacht. Eine lässliche Kleinigkeit? Rechnen ist halt schwierig. Bei großen und natürlich auch bei ganz kleinen Zahlen.
Gas und Heizöl werden Zug-um-Zug verteuert. Neue, moderne Ölheizungen werden zunächst noch gefördert, um später, wenn klimafreundliche Heizmöglichkeiten möglich sind, bei Neubauten und Ersatzanlagen verboten zu werden. Da wären zum Beispiel die Wärmepumpen, die von unseren Klimaschützern als Königsweg der Heizwärmegewinnung angesehen werden, zu nennen (Mehr). Allerdings wird für den Betrieb dieser Geräte Strom benötigt. Im recht seltenen, weil sehr teuren Idealfall, erzeugt 1 TWh Strom in Wärmepumpen 4 TWh Wärme. Im Durchschnitt aller Wärmepumpen dürfte die Jahresarbeitszahl bei maximal 3 TWh liegen. Wenn es nicht optimal – besonders im Winter, wenn es richtig kalt ist – läuft, sind es gerade mal 1–2 TWh. Wie auch immer, ich gehe in unserer Beispielrechnung unten davon aus, dass die 3 TWh erzeugt werden.
Insgesamt wurden im Jahr 2017 in Deutschland 479 TWh fossile Energieträger für Raumwärme (Abbildung 1), für das Heizen der gut 41 Millionen Haushalte verfeuert (Abbildung 2). Zum Verständnis der Größenordnung: Ebenfalls 2017 benötigten diese 41 Millionen Haushalte 129 TWh Strom aus der Steckdose. Das sind im Durchschnitt etwa 3.200 Kilowattstunden (KWh). Zum Heizen benötigen die bundesdeutschen Haushalte 3,7 x mehr Energie als in Form von Strom.
Ein realistisches Beispiel: Strombedarf von Wärmepumpen
Würde man – von allen technischen und sonstigen Problem abgesehen – zum einen die Hälfte aller Wohnungen und Häuser, in denen sich Haushalte befinden, energetisch sanieren, sprich dämmen, und zugleich mit Wärmepumpen – eine Wärmepumpe kann auch mehrere Haushalte beheizen – ausstatten, ist die Rechnung beispielhaft folgende: Es wären durch die Dämmung statt gerundet 240 TWh Raumwärme, nur noch 160 TWh [(479/2)-1/3 Dämmung] nötig, um die Räume ausreichend zu beheizen. Wenn Wärmepumpen eine Jahresarbeitszahl 3 erreichen, sind 53 TWh erneuerbarer Strom nötig, um die Geräte zu betreiben und die gut 20 Millionen Wohnungen und Häuser unserer Haushalte zu beheizen.
Um diese Strommenge mit dem erneuerbaren Energieträger Windkraft durchschnittlich herzustellen, müssten gut 1.210 Windräder der 5 MW-Klasse (Mehr) gebaut werden [53.000.000.000.000/8.760/5.000.000]. Faktisch erzeugen Windkraftanlagen in Deutschland nur etwa 25 Prozent der Nennleistung Strom (Abbildungen 3, 5 & 6). Insgesamt 4.840 Windkraftanlagen wären also nötig, um die 53 TWh Strom im Durchschnitt pro Jahr für die Wärmepumpen bereitzustellen. Es sei noch mal angemerkt, dass es sich bei den knapp 5.000 Windkraftanlagen nur um die handelt, die für das Heizen der Hälfte aller Haushalte, also deren Wohnungen und Häuser benötigt werden. Betriebe, Kaufhäuser, Büros usw. sind noch nicht enthalten. Da kämen geschätzte 25.000 bis 30.000 Windkraftanlagen noch mal dazu. Denn von den 540 TWh Strombedarf in Deutschland insgesamt betrug der Bedarf der Haushalte nur 129 TWh, also etwa ein Viertel. Meine Schätzung beruht auf der Annahme, dass das Verhältnis bei der Raumwärme ebenso ist.
Im Sommer wird wenig bis gar keine Heizung benötigt. Im Winter dafür umso mehr. Da wird der allermeiste Strom für Wärmepumpen benötigt. Was auf den ersten Blick als gute Idee daherkommt, ist nach vorsichtigem Kratzen an der Oberfläche viel problematischer als angenommen. Am Beispiel der Wärmepumpe lässt sich ein weiterer Sachverhalt gut nachweisen. Deutschland importiert die momentan verwendeten fossilen Energieträger – Braunkohle ausgenommen – nahezu ausnahmslos. Sollten diese Energieträger sukzessive durch erneuerbare, regenerative Energieträger ersetzt werden, wäre das gleichzeitig ein Schritt Richtung Energie-Autarkie.
Es ist nämlich höchst unwahrscheinlich, dass der in Deutschland zukünftig benötigte Strom in nennenswertem Umfang im europäischen Ausland regenerativ erzeugt werden wird. Also muss Deutschland den grünen Strom komplett selbst erzeugen. Was, wie allein das Beispiel Wärmepumpenstrom belegt, nahezu unmöglich sein wird. Der dafür benötigte regenerativ erzeugte Strom müsste nicht nur durchschnittlich, sondern genau dann zur Verfügung stehen, wenn er faktisch benötigt wird. Eben dann, wenn es kalt ist. Abbildung 4 belegt, dass das niemals der Fall sein wird.
Wind ist nicht kalkulierbar. Gerade im Winter gibt es etliche "Windlöcher". Windlöcher, welche auch bei einem massiven weiteren Ausbau der Windstromerzeugung bei weitem nicht geschlossen würden. Es gilt noch immer: Wenig Wind = Wenig Windstrom, egal wieviele Windkraftanlagen eben nicht laufen. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Erneuerbaren nur einen Bruchteil des Primärenergiebedarfs des Industrielands Deutschland ausmachen. Diese Grafik (Abbildung 7) belegt das eindrucksvoll.
Sie vermissen die Solarstromerzeugung? Die ist ohnehin nur im Sommer relevant, wie Abbildung 4 sehr schön belegt. Da allerdings bringt sie bei weitem nicht den Strom, der durch das weniger an Windstrom ergänzt werden müsste.
Insgesamt kann man sagen, dass die Klimaretter in Zivilgesellschaft, Politik und Medien einer Chimäre hinterherlaufen. Wobei die Fridays-for-Future Schüler und Co. besonders erkenntnis- und verhandlungsresistent sind, wie das Interview des Deutschlandfunk vom 20.9.2019 mit FfF-Aktivist Sebastian Grieme (Mehr) eindrucksvoll belegt.
Die Wirtschaft nimmt mit, was mitzunehmen ist, ist aber durch die doch halbgaren, zum Teil höchst zweifelhaften Klimaschutz-Strategien in ihrer Gesamtheit – Vorreiter wird die Autoindustrie mit ihren Zulieferern sein – in ihrer Existenz gefährdet. So, wie der Industriestandort Deutschland als Ganzes.
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Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr.
Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.
Rüdiger Stobbe betreibt seit über 3 Jahren den Politikblog www.mediagnose.de.