Es kommt offensichtlich Bewegung in die Klima-Debatte. „Klima rettendes“ Wunschdenken, verbunden mit wirren Umgestaltungsgedanken der Gesellschaft Richtung Planwirtschaft, stößt immer mehr auf die Fakten.
Strom- und Gaspreise steigen in ungeahnte Höhen. In der aktuell analysierten KW 37 (Abbildung) lagen die Strompreise die ersten sechs Tage immer über 100 €/MWh. Lediglich am Sonntag, als der Bedarf gering und die Strommenge groß war, erzielte Deutschlands Exportstrom um die 70 €/MWh. Zu Vorabend allerdings flossen über 170 €/MWh in deutsche Kassen (Abbildung 1). Dass die konventionellen Stromerzeuger bemüht sind, die tägliche Preisspitze zum Vorabend/Abend „mitzunehmen“, zeigt sich genau an diesem Sonntag. Da werden noch mal Kraftwerke hochgefahren. Das lohnt sich bei den Preisen immer (Abbildung 2). Dass attraktive Preisdifferenzgeschäfte möglich sind, ist selbstverständlich. Während Polen Steinkohlestrom nach Deutschland verkauft, als gäbe es kein Morgen mehr, handelt die Schweiz differenzierter. Das Land kauft günstig ein und verkauft teuer. Natürlich alles auf sehr hohem Niveau (Abbildung 3). Norwegen, die „Batterie“ für Deutschlands regenerativ erzeugten Strom, verkauft seinen Strom sehr teuer. Der Preis liegt bis auf eine Differenz von 25 €/MWh doppelt so hoch wie der Preis für die „Batterieeinspeisung“, sprich der Export nach Norwegen. Wie auch immer, Deutschland exportiert in der 37. KW fast doppelt so viel Strom, wie es importiert. Auch wenn der Importstrom teurer ist, fließen insgesamt gut 71 Mio. € in Deutschlands Kassen. Leider profitiert der Stromkunde davon nicht. Er muss die hohen Preise schließlich bezahlen. Die Analysen der vergangenen Wochen sind neben anderem die sachliche Grundlage für die Explosion der Energiepreise. Der Verbraucher wird auch in Deutschland mit erheblichen Nachzahlungen konfrontiert werden, Strom- und Gashändler geraten in existenzielle Nöte.
Eingedenk der skizzierten zukünftigen Szenarien ist es kein Wunder, dass intelligente Wissenschaftler die zusätzliche Belastung von Menschen, Handel und Wirtschaft, welche das Klimaschutzgesetz mit sich bringen wird, hinterfragen, ja sogar infrage stellen. Es ist ausgerechnet Prof. Andreas Löschel, der Mann, der mit seinem Team die Umsetzung eben dieses Klimaschutzgesetzes im Auftrag der Bundesregierung überprüfen und mittels Korrekturvorgaben einfordern soll, der auf WELT-Online so wiedergegeben wird:
„Das deutsche Klimaschutzgesetz verschärfe das Problem noch, sagt der oberste Aufseher über die Energiewende. Die nächste Bundesregierung müsse ein neues Konzept vorlegen. Angesichts der stark steigenden Preise für Gas, Strom und CO2-Berechtigungen sollte nach Auffassung eines hochrangigen Regierungsberaters das Klimaschutzgesetz KSG überprüft werden. Die Politik müsse aus dem massiven Preisanstieg jetzt die richtigen Schlüsse ziehen, fordert Andreas Löschel, Leiter der von der Bundesregierung berufenen, unabhängigen Expertengruppe zum Monitoring der Energiewende, in der WELT AM SONNTAG. „Wir sollten das Klimaschutzgesetz vor diesem Hintergrund durchaus hinterfragen“, sagte der Experte für Energie- und Ressourcen-Ökonomik an der Ruhr-Universität Bochum. Statt mit jährlichen Sofortprogrammen zu agieren, solle die Politik zu Beginn der nächsten Legislaturperiode einen umfassenderen Klimaplan vorlegen und dann nachhalten.“ (Quelle: Abbildung 4).
Es kommt offensichtlich Bewegung in die Klima-Debatte. „Klima rettendes“ Wunschdenken, verbunden mit wirren Umgestaltungsgedanken der Gesellschaft Richtung Planwirtschaft, stößt immer mehr auf die Fakten, welche eine Energiewende in hohem Maß infrage stellen: Kosten und Nutzen. Die Kosten steigen offensichtlich Richtung „unbezahlbar“, der Nutzen ist angesichts der 2%-CO2-Ausstoßes Deutschlands weltweit ebenfalls mehr als fragwürdig. Das wird auch so bleiben, solange Großemittenten wie China und Indien bis 2030 ihren CO2-Ausstoß beliebig steigern dürfen, während der bundesdeutsche Bürger bis dahin wahrscheinlich am Hungertuch nagen wird. Auch ein Blick in die Zukunft, den Agora-Energiewende aktuell möglich macht, ist wenig beruhigend. Vor allem, wenn bedacht wird, dass die Stromwende noch lange keine Energiewende mit genereller Elektrifizierung und deren Derivate (Wasserstoff, Methanol u.a.) der fossilen Energieerzeugung mittels regenerativer Energieträger Wind und Solar (Abbildung 6) ist. Plus Umstellung aller Verbraucher wie Heizungen, Fahrzeuge, Industrie, Landwirtschaft. Klingt kompliziert, ist auch kompliziert, sehr aufwändig, sehr teuer und sehr viel Energie verschlingend. Da müssen noch sehr, sehr dicke Bretter gebohrt werden, von denen unsere Energiewendefreunde wahrscheinlich kaum einen Schimmer haben.
Die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und der daraus generierte Chart liegen unter Abbildung 5 ab. Es handelt sich um Werte der Nettostromerzeugung, dem „Strom, der aus der Steckdose“ kommt, wie auf der Website der Energy-Charts ganz unten ausführlich erläutert wird. Der höchst empfehlenswerte virtuelle Energiewende-Rechner (Wie viele Windkraft- und PV-Anlagen braucht es, um Kohle- und/oder Kernkraftstrom zu ersetzen? Zumindest im Jahresdurchschnitt.) ist unter Abbildung 6 zu finden. Ebenso wie der bewährte Energierechner.
Die Charts mit den Jahres- und Wochenexportzahlen liegen unter Abbildung 7 ab. Abbildung 8 beinhaltet die Charts, welche eine angenommene Verdoppelung und Verdreifachung der Wind- und Solarstromversorgung visualisieren. Bitte unbedingt anschauen. Vor allem die Verdoppelung.
Abbildung 9 weist auf einen Artikel hin, der sich mit der Digitalisierung des Stromnetzes zwecks Netzstabilisierung befasst. Link funktioniert jetzt.
Abbildung 10 zeigt einen Vortrag von Professor Brasseur von der TU Graz. Der Mann folgt nicht der Wissenschaft. Er betreibt Wissenschaft.
Beachten Sie bitte unbedingt die Stromdateninfo-Tagesvergleiche ab 2016 in den Tagesanalysen. Dort finden Sie die Belege für die im Analyse-Text angegebenen Durchschnittswerte und vieles mehr. Der Vergleich beinhaltet einen Schatz an Erkenntnismöglichkeiten. Überhaupt ist das Analysetool stromdaten.info ein sehr mächtiges Instrument, welches nochmals erweitert wurde:
- Produktion als Anteil der installierten Leistung
- Anteil der erneuerbaren und konventionellen Erzeugung am Bedarf
sind Bestandteil des Tools „Stromerzeugung und Bedarf". Schauen Sie mal rein und analysieren Sie mit wenigen Klicks. Die Ergebnisse sind sehr erhellend.
Tagesanalysen
Montag, 13.9.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 32,78 Prozent, davon Windstrom 6,54 Prozent, Solarstrom 15,03 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,22 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Sofort am Montag gab es den höchsten Preis der Woche. Über 200 €/MWh musste Deutschland um 19:00 Uhr bezahlen, um den benötigten Strom zu importieren. Die konventionellen Stromerzeuger verdienten mit. Der Handelstag. Ein feines Beispiel, wie die Schweiz die Preisdifferenzen nutzt: Das Ergebnis.
Dienstag, 14.9.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 35,12 Prozent, davon Windstrom 7,45 Prozent, Solarstrom 16,59 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,09 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Dienstag – Wieder zwei Strom-Versorgungslücken. Mit sehr hohen Importpreisen. Unter dem Strich aber verdient Deutschland mit dem vielen Exportstrom Geld. „Deutschland“ meint die deutschen Stromerzeuger, konventionell wie regenerativ. Der Stromkunde bezahlt. Der Handelstag.
Mittwoch, 15.9.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 33,91 Prozent, davon Windstrom 16,56 Prozent, Solarstrom 6,18 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,17 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Die kaum vorhandene regenerative Stromerzeugung an diesem Mittwoch kam wohl unerwartet. Die Stromlücke geht vom Morgen bis zum Abend. Prompt werden ab 7:00 bis 19:00 Uhr Höchstpreise für den Importstrom aufgerufen. Ein Verlusttag für die deutschen Stromerzeuger, oder? Nein, die verdienen insgesamt gut. Die Verluste beim Im-/Export trägt der Stromkunde. Die konventionelle Erzeugung. Der Handelstag.
Donnerstag, 16.9.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 40,55 Prozent, davon Windstrom 23,69 Prozent, Solarstrom 6,70 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,16 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Über Nacht hat die Windstromerzeugung zugelegt. Die PV-Stromerzeugung bleibt schwach. Der Herbst klopft an die Tür. Es gibt keine Stromlücken. Der Exportstrom wird hochpreisig verkauft. Knapp 25 Mio € bringt der Ex-/Import. Die Konventionellen, der Handelstag.
Freitag, 17.9.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 33,56 Prozent, davon Windstrom 12,78 Prozent, Solarstrom 9,03 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,74 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Freitag – Die Windstromerzeugung lässt über Tag nach, die PV-Stromerzeugung bleibt schwach. Zwei Stromlücken werden – wie immer – hochpreisig geschlossen. Die Konventionellen wollen sie nicht schließen. Das würde den eigenen Ertrag mindern. Der Handelstag. Dänemark verkauft viel Strom und verdient richtig gut.
Samstag, 18.9.2021: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 36,25 Prozent, davon Windstrom 9,47 Prozent, Solarstrom 13,77 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,00 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Der Einstieg ins Wochenende bringt bei geringerem Bedarf keine Stromlücke mit sich. Dennoch benötigt Deutschland zeit- und ortsweise Strom, den vor allem Polen und Dänemark liefern. 4,5 Mio € zahlt Deutschland, der Stromkunde für polnischen Steinkohlestrom. Dänemark erhält knapp 6 Mio € für – immerhin – Windstrom. Die Preiskurve, die Konventionellen.
Sonntag, 19.9.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 42,19 Prozent, davon Windstrom 18,62 Prozent, Solarstrom 10,76 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,80 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Sonntag – wie immer sehr geringer Bedarf. Verbunden mit – wenn auch schwacher – regenerativer Erzeugung ergibt bis zum Vorabend ein Strom-Angebot, das zu verhältnismäßig geringen Exportpreisen führt. Dieser liegt denn auch im Schnitt unter 100 €/MWh. Tiefpreis. So schließt sich der Wochenkreis. Zu Beginn Höchstpreis, zum Ende Tiefpreis. Dennoch werden gut 13 Mio € netto eingenommen. Die Konventionellen führen gut nach. Der Handelstag. Polen macht Kasse mit Steinkohlestrom.
Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe und Peter Hager nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr.
Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.
Rüdiger Stobbe betreibt seit über 5 Jahren den Politikblog www.mediagnose.de