Deutschland kann seinen Strombedarf zu jeder Zeit selbst decken. Die installierte Leistung – der Chart mit Umrechnung in maximal möglichen Strom für das Jahr 2018 – belegt das eindrucksvoll. Wenn ich in meinen Analysen von „Stromunterdeckung“ spreche, ist das ein Zustand, der seit Mitte Mai nahezu täglich mit voller Absicht herbeigeführt wird, weil die deutschen Stromerzeuger den zur Deckung des Bedarfs benötigten Strom nicht herstellen dürfen oder wollen. Mögliches Ziel: Weniger CO2-Ausstoß in der bundesdeutschen Klimarechnung.
Stromerzeugung ist nicht mehr ein technischer Vorgang zwecks Deckung des Bedarfs der Stromkunden. Stromerzeugung ist heute hochpolitisch. Es gibt mittlerweile angeblich guten, grünen Strom und konventionellen Strom, der beim Herstellungsprozess CO2 erzeugt oder per Kernkraftwerk hergestellt wird. Beides ist in Deutschland politisch nicht korrekt. Deshalb kauft man Strom, der zwar auch mit Kohle- und Kernkraftwerken produziert wurde, im Ausland. Was die eigene Klimabilanz nicht belastet. Der angeblich gute, der grüne Strom hat den Nachteil, dass er mittels sogenannter erneuerbarer Energieträger produziert wird, die zumindest als Wind und Sonne vollkommen unzuverlässig daherkommen. Oder eben auch fast gar nicht (Beispiel: 24.1.2019). Genau da liegt das Problem.
Es ist eine Legende, wenn behauptet wird, dass in Deutschland so viel grüner Strom mittels erneuerbarer Energieträger produziert würde, dass erhebliche Überschüsse entstünden, und diese Überschüsse nur mittels neuer Stromtrassen verteilt werden müssten. Oder dass man sie speichern und/oder in Wasserstoff beziehungsweise Methan umwandeln sollte. Sicher kommt es vor, dass ein Stromüberschuss inkl. Strom aus Wind und Sonne entsteht, weil konventionelle Kraftwerke, welche den Grundlaststrom – das ist der Strom, der benötigt wird, um den andauernd vorhandenen Grundbedarf der Menschen, der Gewerbe, des Handels etc. an Strom sicher abzudecken – bereitstellen, nicht einfach mal so herauf- beziehungsweise heruntergefahren werden können.
Wie abgehoben arrogant Energiewender dieses Problem sehen und lösen wollen, belegt eindrucksvoll dieser Artikel. Diesen Leuten sei ins ins Stammbuch geschrieben, dass Grundlast keine Erfindung profitgieriger Kraftwerksbetreiber ist, sondern dass Grundlast ein objektiv bestehender, dauernder Bedarf an Strom ist. Der Strom zur Deckung dieses Bedarfs muss geliefert werden, egal, welches Wetter herrscht, ganz gleich ob die Sonne scheint, der Wind weht oder nicht. Wind und Sonne plus Biomasse/Wasserkraft haben in Deutschland noch nicht eine Stunde lang so viel Strom geliefert, um den Bedarf insgesamt zu decken. Wind und Sonne sind faktisch nicht grundlastfähig.
Wenn kein Strom da ist, ist er nicht da
Der Chart zeigt sehr eindrucksvoll, wie stark Wind- und Sonnenstromerzeugung schwanken. Die Stromerzeugung durch konventionelle Kraftwerke ist absolut notwendig, wird auf Dauer notwendig bleiben, um die nötige Konstanz in die Stromerzeugung zu bringen. Da nutzt auch der weitere Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen nichts. Im Gegenteil. Je größer der Anteil volatiler, stark schwankender Stromerzeugung wird, desto größer werden Stromüberschüsse, die wie z.B. am 8.6.2019 – dieser Tag wurde genau analysiert, den Link finden Sie weiter unten – nicht nur verschenkt, sondern auch noch mit Zuzahlungen in Millionenhöhe versehen werden müssen. Nach dem starken Anstieg von Wind- und Sonnenstrom kam es ab 9:00 Uhr am 9.6.2019 prompt zu einem massiven Rückgang der Windstromerzeugung. Was dann am selben Tag ab 16:00 Uhr, als auch der Sonnenstrom weniger wurde, zu einer Stromunterdeckung führte, welche wiederum den Stromimport von unseren Nachbarn notwendig werden ließ. Da nützen dann auch irgendwelche virtuellen Kraftwerke nichts. Wenn kein Strom da ist, ist er nicht da. Oder: Von Nichts kommt Nichts!
Für den Zeitraum vom 4.6.2019 bis zum 9.6.2019 habe ich die Stromversorgung Deutschlands exemplarisch unter dem Aspekt des Stromimport und -exports, sowie der jeweiligen Preisbildung analysiert. Sie gelangen zu den Charts und Tabellen, wenn Sie hier klicken. Sehen Sie, wie abhängig die deutsche Stromversorgung von Wind und Wetter ist. Wie m.E. recht fahrlässig die Versorgungssicherheit ohne Not in die Hände unserer europäischen Nachbarn gelegt wird. Deutschland hat genügend installierte Leistung, um selbst den benötigten Strom plus Netzausregelungsreserve bereitzustellen und so den Bedarf sicher zu decken.
Bis Mitte Mai 2019 wurde auch genau so verfahren. Erst ab diesem Zeitpunkt herrscht die meiste Zeit eine offensichtlich beabsichtigte Stromunterdeckung. Sehen Sie, wie fast 10 Millionen Euro „verbrannt“ werden, nur weil am 8.6.2019 der Wind unerwartet auffrischt. Der weitere Zubau von Stromerzeugung durch Wind und Sonne wird das Problem der zeitweiligen Stromüberproduktion massiv verschärfen. Nicht, weil zu viel Wind- und Sonnenstrom produziert würde. Zur Versorgung Deutschlands reichen diese Wetter-Stromerzeugungs-Kapriolen noch lange nicht. Nein, weil die konventionelle Stromversorgung nicht schnell genug reduziert und – wenn benötigt – wieder hochgefahren werden kann. Deshalb muss Strom mit viel, viel Bonus verschleudert werden. Der 8.6.2019 ist dafür ein Paradebeispiel. Ohne gesicherte konventionelle Stromversorgung, die nachhaltig mindestens 80 Prozent des Bedarfs abdeckt, kann es kein wirtschaftlich prosperierendes Deutschland geben.
Die Tagesanalysen
Diese Woche schwächelt der Wind, die Sonne scheint kräftig. Es ist schönes Wetter. Bis auf den Zeitraum, an dem die Sonne am stärksten scheint, wird der Strombedarf nicht komplett durch deutsche Stromerzeugung gedeckt. Wind und Sonnenstrom reichen für die meiste Zeit nicht aus; die konventionelle Stromerzeugung bleibt unter ihren Möglichkeiten. Liegen „Klimaziel-taktische“ Gründe vor? Spekuliert man auf günstige Börsenpreise beim Stromimport? Will man verhindern, dass ein plötzlicher „Windaufschwung“ die Bonuszahlungen an die Abnehmer in ungeahnte Höhen steigen lässt? Wie am 8.6.2019? Ich weiß es wirklich nicht. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus allen Aspekten. Geboren aus einer Hilflosigkeit, die sich vor allem durch die auch im Sommer massiv schwankende Wind- und Sonnenstromerzeugung erklären lässt. Wenn etwas nicht berechnet werden kann, dann kann damit auch nicht sicher kalkuliert werden. Folge: Unsicherheit. Eine Unsicherheit, die sich Deutschland gerade im Bereich der Versorgung mit Strom nicht erlauben sollte, nicht erlauben darf.
Die Tabelle listet die Details auf, der daraus generierte Chart veranschaulicht, dass bis auf den Samstag die ganze Woche Strom netto importiert wurde.
Sonntag, 16.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 50 Prozent
Im Verlauf des Tages kommt die Windstromerzeugung nahezu komplett zum Erliegen. Zum Sonnenuntergang ziehen die Strompreise entsprechend an.
Montag, 17.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 42,86 Prozent
Heute reicht die Mittagssonne aus, um inkl. des bereitgestellten konventionellen Stroms den Bedarf zu decken. Hier die Auswirkung auf die Strompreise. Dass des Morgens 0:00 bis 5:00 Uhr auch die Importpreise niedrig sind, ist dem geringen Bedarf, der geringen Nachfrage für diese Zeit geschuldet. Sobald diese ansteigt, steigen auch die Strompreise.
Dienstag, 18.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 43,18 Prozent
Die in der Nacht etwas angestiegene Windstromerzeugung lässt zum Sonnenaufgang wieder nach. Die Sonne scheint heute noch etwas kräftiger als gestern, sodass über Tag wieder Strom exportiert werden muss. Was sich, wie gestern, wie immer, negativ auf den Strompreis auswirkt. Sobald ab Nachmittag der Bedarf Deutschlands nicht im gleichen Verhältnis wie die Sonnenstromerzeugung sinkt, ist ein Preisanstieg zu beobachten.
Mittwoch, 19.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 44,12 Prozent
Der Mittwoch gestaltet sich, ob des stabil schönen Wetters, wie die Vortage. Der Wind weht insgesamt etwas kräftiger auf niedrigem Niveau. Das Bild der Strompreisentwicklung ist im Prinzip das gleiche wie an Montag und Dienstag. Bemerkenswert ist der besondere Preis-Sprung um 8:00 Uhr knapp an die 60 € pro MWh.
Donnerstag, 20.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 43,7 Prozent
Fronleichnam. Feiertag in manchen Bundesländern. Das bedeutet etwas weniger Strombedarf. 0,17 TWh, das sind 170 GWh Strom. Deshalb wird trotz etwa 1/3 weniger Sonnenstromerzeugung der Bedarf über Tag mehr als gedeckt. Mit den bekannten Folgen. Zum Abend lässt der Wind wieder nach.
Freitag, 21.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 43,22 Prozent
Die Sonnenstromerzeugung zieht wieder an. Die Windstromerzeugung dümpelt auf niedrigem Niveau. Auch auf dem Meer. Off-shore. Das Preisbild gleicht den letzten Tagen.
Samstag, 22.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 51,4 Prozent
Wochenende. Der Strombedarf Deutschlands liegt knapp über einer Terawattstunde (TWh) Strom. Wenig Wind, die Sonne reichen, um tagsüber genügend Strom insgesamt bereitzustellen. Preisbildung: Wie fast immer diese Woche.
Was geschieht, wenn die Windstromproduktion plötzlich anzieht, kann nächste Woche beobachtet werden. Oder ahnen Sie es bereits?
Inzwischen spricht sich die katastrophale Lage der deutschen Stromversorgung herum und Andreas Mihm, Wirtschaftskorrespondent der FAZ schreibt heute unter der Überschrift "Chaotische Zustände im deutschen Netz". Im deutschen Elektrizitätsnetz sei es im Juni mehrfach zu schweren Krisen mit europaweiten Folgen gekommen. Die Systemsicherheit sei sogar gefährdet gewesen (Achgut.com Leser wissen dank dieser Kolumne sowas immer als erste). Zitat FAZ:
Im deutschen Stromnetz ist es im Juni mehrfach zu chaotischen Zuständen gekommen. Die kritische Lage konnte nur mit Hilfe aus den Nachbarländern bereinigt werden. Auf F.A.Z.-Anfrage gaben die vier Netzbetreiber am Montag zu: „Die Lage war sehr angespannt und konnte nur mit Unterstützung der europäischen Partner gemeistert werden.“ An der Börse schossen die Kurzfristpreise für Strom in die Höhe. Als eine Konsequenz aus den Turbulenzen, die das gesamte europäische Stromnetz in Mitleidenschaft zogen, verdoppelten die Netzbetreiber Amprion, Tennet, 50Hertz und Transnet-BW die vorgehaltene Minutenreserve von Freitag auf Samstag auf 2000 Megawatt. Es blieb unklar, wie weit das Land von einem Blackout entfernt war.
Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr.
Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.
Rüdiger Stobbe betreibt seit 3 Jahren den Politikblog www.mediagnose.de.