Rüdiger Stobbe / 26.05.2020 / 10:00 / Foto: Doenertier82 / 3 / Seite ausdrucken

Woher kommt der Strom? 20. Woche

Der Vorteil einer gewollten und seit Mai praktisch permanenten Minderstromerzeugung, bezogen auf Deutschlands Strombedarf, ergibt sich aus zwei Aspekten. Der importierte Strom kann bei der Herstellung so viel CO2 verursacht haben, wie er will, es kann so viel Atomstrom sein, wie nötig: Deutschland wird damit nicht in Verbindung gebracht. Hinzu kommt, dass der Preis, der für den importierten Strom gezahlt werden muss, in der Regel unter der Rentabilitätsgrenze von 40 €/MWh liegt. Erst ab diesem Preis lohnt es sich für Kohlekraftwerke überhaupt, Strom zu produzieren.

Wobei ich noch mal ausdrücklich betonen möchte, dass ich hier nicht beurteilen will, ob die Preise wirklich günstig sind. Kraftwerke, die keinen Strom produzieren, haben außer in der Ersparnis von Brennstoffkosten/CO2-Zertifikate keinen Vorteil. Der laufende Betrieb geht weiter, die Kosten dafür entstehen auch, wenn eben kein Strom produziert wird. Was allerdings bei Stromerzeugern mittels fossiler Energieträger nicht anfällt, sind die Kosten für die CO2-Zertifikate. Die tragen die ausländischen Stromproduzenten, deren Strom Deutschland importiert.

Die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und der daraus generierte Chart ergänzen die Analyse. Die Charts mit dem Import/Export der 20. Woche und des aufgelaufenen Jahres 2020 belegen, dass Deutschland in erster Linie Strom aus Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden und Dänemark importiert. Es ist alles dabei: Strom aus Kernkraft, Kohle- und Gasstrom, Strom aus erneuerbaren Energieträgern. Wobei bemerkenswert ist, dass der Anteil des Stroms aus Kernkraft am Strommix der Schweiz und Frankreich wesentlich höher ist als der Deutschlands. Die Niederlande beziehen ihren Strom vor allem aus der Verstromung von selbst im Land gefördertem Gas, welches noch Hauptenergieträger des Landes ist. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern, weil die Gasförderung wohl erhebliche tektonische Probleme bereitet.

Die Tagesanalysen

Sonntag, 10.5.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 64,21 Prozent, davon Windstrom 26,32 Prozent, Sonnenstrom 18,85 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 18,95 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der tiefste Preis des Tages ergibt sich, als Deutschland das bisschen an Strom, welches über die Mittagsspitze überschüssig ist, exportieren muss. Ansonsten zieht die Windstromerzeugung an, was am Montag, zu einem Windstrombuckel führt.

Montag, 27.4.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 72,44 Prozent, davon Windstrom 51,18 Prozent, Sonnenstrom 7,09 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 14,17 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Die Entwicklung zum bereits erwähnten Windstrombuckel führt in der Nacht zum Montag zu Strompreisen nahe Null. Deutschland verfügt im Zeitraum von 00:00 bis 4:00 per Saldo über etwas zu viel Strom, den es praktisch verschenken muss. Den Rest des Tages importiert Deutschland Strom zu Preisen zwischen 8 und 25 €/MWh.

Dienstag, 12.5.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 59,84 Prozentdavon Windstrom 24,59 Prozent, Sonnenstrom 19,67 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 15,57 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Mit dem Abbau des Windstrombuckels kehrt die nahezu vollständige Stromunterdeckung wieder ein. Über die Mittagsspitze sind Stromimport/Stromexport nahezu ausgeglichen. Um 7:00 gibt es mit gut 33 €/MWh eine Preisspitze. Ansonsten liegt der Importpreis zwischen 17 und 29 €/MWh.

Mittwoch, 13.5.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 45,69 Prozent, davon Windstrom 15,52 Prozent, Sonnenstrom 13,79 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 16,38 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Relativ schwache Stromerzeugung durch regenerative Energieträger. Die Wind- und Sonnenstromerzeugung schwächelt. Der Importstrompreis zieht an. Frankreich und die Schweiz liefern den meisten Strom.

 Donnerstag, 14.5.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 50,86 Prozent, davon Windstrom 18,10 Prozent, Sonnenstrom 16,38 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 16,38 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Heute liefern die Niederlande einen Großteil des Stroms, den Deutschland benötigt, um die Nachfrage zu befriedigen. Natürlich sind die Schweiz, Dänemark und Frankreich ebenfalls dabei. Österreich und Tschechien machen kleine, aber feine Preisdifferenzgeschäfte.

Freitag, den 15.5.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 61,61 Prozent, davon Windstrom 26,79 Prozent, Sonnenstrom 18,75 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 16,07 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Heute führt etwas mehr Windstrom zu einer Erzeugungskante über die Mittagszeit. Am Morgen und Abend gibt es Preisspitzen. Stromlieferanten für Deutschland: Wie gehabt.

Samstag, 16.5.2020: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 69,16 Prozent, davon Windstrom 27,10 Prozent, Sonnenstrom 25,23 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 16,82 Prozent. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Wochenende: Relativ wenig Strombedarf, leichter Wind und viel Sonne bedeuten viel Strom über die Mittagszeit. Strom, der um die 8–10 €/MWh exportiert wird. Morgens und abends wird Strom benötigt. Da werden höhere Preise aufgerufen.

Der Stillstand, wenn nicht das Ende der Energiewende

Es war nicht das große Thema in den Medien. Es war nur eine kleine EEG-Novelle, die beschlossen wurde. Der Auszug aus der Zusammenfassung der Bundestagsverwaltung zur Debatte vom 14.5.2020 belegt, wie komplex das EEG mittlerweile geworden ist: 

Mit der Annahme des Koalitionsentwurfs (19/18964) werden das Privileg für Bürgerenergiegesellschaften, ohne immissionsschutzrechtliche Genehmigung an den Ausschreibungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2017 teilnehmen zu dürfen, sowie die darauf aufbauenden Regelungen dauerhaft gestrichen. Im Übrigen bleibt die Bürgerenergie mit ihren Regelungen (etwa das sogenannte Einheitspreisverfahren) unverändert. Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie wird es im Antragsverfahren 2020 für die Besondere Ausgleichsregelung ermöglicht, die Wirtschaftsprüferbescheinigung und das Zertifikat zur Energieeffizienz bis 30. November 2020 nachzureichen. [...] Die Grünen wollten mit ihrem Änderungsantrag (19/19215) den sogenannten 52-Gigawatt-Deckel ersatzlos streichen, um den aus ihrer Sicht absehbaren Markteinbruch bei der Neuinstallation von Fotovoltaik im Segment bis 750 Kilowatt-Peak abzuwenden. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Regelungen des EEG unverändert weitergelten und eine Vergütung nach dem EEG für Fotovoltaik-Anlagen im Segment bis 750 Kilowatt-Peak, die nicht an einer Ausschreibung teilnehmen, weiterhin in Anspruch genommen werden können. Quelle: Hier klicken.

Die Ablehnung bzw. die Verzögerung (Versprochen für den Herbst!) des Wegfalls Förderdeckel Photovoltaik zeigt hingegen noch etwas. Der Bundestag räumt nicht bedenkenlos alle Hindernisse in Sachen Begünstigung erneuerbarer Energieträger weg. Was die Verfechter der Energiewende selbstverständlich zum Kochen bringt. Keine Förderung in Sachen Photovoltaik bedeutet den Einbruch des weiteren Ausbaus nicht nur wie bereits der Windkraft, sondern nun auch noch von Photovoltaikanlagen. Was praktisch den Stillstand, wenn nicht gar das Ende der Energiewende bedeutet. Denn ob im Herbst der Förderdeckel fällt, ist angesichts der katastrophalen Gesamtwirtschaftslage wegen der Lockdown-Maßnahmen mehr als fraglich. 

Ordnen Sie Deutschlands CO2-Ausstoß in den Weltmaßstab ein. Zum interaktiven CO2-Rechner: Hier klicken. Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

 

Rüdiger Stobbe betreibt seit vier Jahren den Politikblog www.mediagnose.de.

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Leserpost

netiquette:

Heinrich Wolter / 26.05.2020

Ist doch alles egal. Hauptsache, die Atom- und Kohlekraftwerke werden planmäßig abgeschaltet.

Wolfgang Richter / 26.05.2020

Das Ausblenden der sog. Grauen Emissionen (hier CO2) beim Stromimport ist genauso verlogen wie es bei der Öko-Bilanz der E- Mobilität praktiziert wird. Solange der mündige Bürger das selbständige Denken einstellt, er damit zufrieden ist, sich von der Obrigkeit “verkohlen” zu lassen, ist ihm nicht zu helfen. Offenbar sind die dafür abgezockten Strompreise noch nicht hoch genug. Vielleicht ändert sich das, wenn größere Bevölkerungsgruppen in der Nach-Corona-Zeit feststellen, daß die Ebbe in der Kasse das bisher gewohnte Leben eher minimalisiert. Und dann stehen ja auch noch die Transformatoren von Wirtschaft und Gesellschaft im Stile einer Ministerin Schulze in den Startlöchern, was die Lebenskosten sicher auch nicht absenken wird. Die Stadt Köln macht schon mal erneut 500 000 Euronen aus dem ohnehin vom Pleitegeier verwalteten Stadtsäckel locker, um den dort wahnhaften Städtern den Erwerb von Lastenfahrrädern mit städtischem Zuschuß zu subventionieren. Ob neben dem Windmühlenstrom zukünftig das Fahrrad ausreicht, die 1,1 Millionen Bürger der Domstadt mit dem Nötigsten zu versorgen? Die Revolte wird kommen, wenn deren aus Reagenzgläsern zu konsumierendes, hellgelbes Grundnahrungsmittel in den Kneipen, alternativ jetzt wegen Abstand und so auf Balkonien, knapp wird.

Thomas Brox / 26.05.2020

“Der Auszug aus der Zusammenfassung der Bundestagsverwaltung zur Debatte vom 14.5.2020 belegt, wie komplex das EEG mittlerweile geworden ist: ... “. Bürokratischer Irrsinn pur. Das EEG besteht aus 140 Seiten Geschwurbel, hunderte Querverweise auf andere Gesetze, [googeln: eeg text pdf]. Das ist fast nicht mehr ausführbar. Wie viel tausend Beamte braucht man, um diesen bürokratischen Schwachsinn mit ach und krach am laufen zu halten? Wie viel sinnloser bürokratischer Aufwand auf der Seite der Wirtschaft? Und immer neue Vorschriften und Paragraphen. Der Staatsapparat verwechselt seinen bürokratischen Dschungel mit der realen Welt: Die Welt als Paragraph und Verordnung. Der bürokratische Irrsinn der Energiewende ist das Spiegelbild des physikalischen Irrsinns. Das Resultat ist der höchste Strompreis weltweit - und es geht weiter. Das Stalingrad der deutschen Energieversorgung.

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