Henryk M. Broder / 09.05.2022 / 16:00 / Foto: Acgut.com / 37 / Seite ausdrucken

Wo war Dr. Gysi?

Gregor Gysi war in Butscha. Sagt er zumindest. Ein paar kurze Video-Clips sollen das beweisen. Aber war es tatsächlich Butscha? Oder nur ein Potemkinsches Dorf aus dem Sozialismus? Eine internationale Untersuchung könnte Klarheit verschaffen.

Zu den Kollateralschäden der Wiedervereingung gehört u.a., dass ein Teil des DDR-Personals von der Bundesrepublik übernommen wurde, insbesondere als Lehrer, Polizisten oder Richter. Natürlich nicht die Funktionäre aus der ersten Reihe wie Erich Mielke (Minister für Staatssicherheit) oder Rudolph Schulze (Minister für Post- und Fernmeldewesen); die waren verbraucht. Aber viele, die im Hintergrund dem System gedient hatten, bekamen eine zweite Chance, im öffentlichen Dienst oder in der privaten Wirtschaft.

Eine der erstaunlichsten Karrieren an der Bruchstelle zwischen der DDR und der BRD ist die des Ostberliner Rechtsanwalts Gregor Gysi. Er genoss das Vertrauen der Stasi und mancher Dissidenten, die er vor Gericht vertrat. Einige seiner Klienten warfen ihm nach dem Fall der Mauer Parteienverrat vor. Gysi wirkte hinter den Kulissen, er verhandelte und vermittelte, wobei ihm sein rhetorisches Talent, seine bürgerliche Erziehung und sein Gespür für Stimmungen zugute kamen. Am 4. November 1989, gut zwei Wochen nach dem Sturz von Erich Honecker, aber noch kurz vor dem Fall der Mauer, hielt er bei einer Kundgebung auf dem Alexanderplatz eine kämpferische Rede, die mit viel Beifall honoriert wurde. 

Die DDR ging unter, Gysi aber feierte eine Auferstehung aus Ruinen. Er sorgte dafür, dass die alte SED sich über die Zeitenwende retten und sukzessive als „Partei des demokratischen Sozialismus“ und später als „Die Linke“ neu aufstellen konnte. Seit 1990 sitzt er, mit Unterbrechungen, im Bundestag, wenn er nicht gerade in einer Talk-Show Anekdoten recycelt oder als „Türöffner“ Immobilienprojekte vorantreibt. 

Was die Bewältigung der Vergangenheit der DDR und seiner eigenen angeht, so hat er eine salomonische Formel gefunden: „Es stimmt eben nicht, dass, wenn man kein Rechtsstaat ist, dass man dann automatisch ein Unrechtsstaat ist.“ Mit solchen Haarspaltereien hält er sich seit über 30 Jahren über Wasser, ein lupenreiner Demokrat, dem die Alt-SED ihre Präsenz im Bundestag verdankt, weil er in seinem Wahlkreis Treptow-Köpenick ein Direktmandat geschafft hat. Es war das zweite Wunder von Köpenick, das erste liegt schon über 100 Jahre zurück.

Vor kurzem ist Gysi nach Butscha gereist, wo angeblich ein Massaker stattgefunden hat. Gysi hat seine Reise auf Twitter dokumentiert, und das war auch der Zweck der Reise: zu zeigen, wie Onkel Gregor Geschenke verteilt.

Ein Blutbad muss nicht automatisch ein Massaker sein, es könnte auch die Folge eines Verkehrsunfalls sein, z.B. wenn ein Panzer und ein PKW einander begegnen. Auch in diesem Falle gilt erst einmal die Unschuldsvermutung: „Ich bin sehr für die internationale Untersuchung zu den Kriegsverbrechen, die hier stattgefunden haben sollen, damit wir hoffentlich erfahren, was hier tatsächlich passierte."

Da bin ich auch für. Außerdem für eine internationale Untersuchung zu Gysis Reise nach Butscha, damit wir erfahren, wo Gysi tatsächlich war und was dort, wo er gewesen sein will, tatsächlich passiert ist. 

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F. Michael / 10.05.2022

Jeder westliche Politiker muss zur Zeit nach Kiew reisen, als wäre dort kein Krieg sondern ein Naturwunder, was soll dieser Rumel in Kiew? Alles eben nur echte AmiShow, wir werden toral verarscht und CumExScholz und die Grünen sind zur Kriegspropaganda übergegangen, als wäre Krieg ein Computerspiel. Ich wünsche für die Söhne der Propagandapolitiker, dass alle an die Front in vorderster Linie geschickt werden, da es ja Warum war Gysi nicht dort?

Peter Michel / 09.05.2022

Na, immerhin die treuesten Biden-Versteher kommentieren hier noch. Mir erschließt sich der Sinn dieses Artikels nicht. Ist der zum Frust ablassen. Der Gysi geht mir am Allerwertesten vorbei und wenn er in Butscha war, hätte er doch den Broder gleich mitnehmen können, der reist doch auch gern in der Welt herum.

Wolfgang Richter / 09.05.2022

@ Christian Felder - Es sind nicht nur die “sauber weißen” Armbinden, es war auch die Lage der Toten zumindest auf einer Straße, immer “schön” im Wechsel mal am linken, mal am rechten Straßenrand drapiert. Und wenn ein US-Satellitendienst behauptet, Bilder zu haben, die eine Liegezeit seit etwa Beginn der russischen Besetzung belegen würde, dann wären das etwa 2 Wochen gewesen. Ich behaupte, daß keiner der Toten, die medial der westlichen Weltöffentlichkeit zwecks Freisetzen des gewünschten “Empörungspotentials” vorgeführt wurde, länger als ein paar Tage zurück verstorben war, schon gar nicht unter freiem Himmel liegend. Und Untersuchungen französischer Pathologen an Toten aus den geöffneten Massengräbern sollen bei einer Vielzahl Verletzungen durch sog. “Flechettes” ergeben haben, eine Art ca. 10 cm langer Metallpfeile, mit denen Granaten gefüllt werden wegen der gewünschten Streu- und Schnappnellwirkung beim Gegner (aufgekommen im WK I). Es spricht wenig dafür, daß die Russen diese Waffen einsetzten, während sie den Ort besetzt hatten.

Wilfried Grün / 09.05.2022

Nochmal zum Staat, soweit das Ding nur auf der Ebene von Sippe und Clan funktioniert, funktioniert es nicht. Erst und nur in einer Hochvertrauensgesellschaft die nach dem Aufklärer Friedrich Wilhelm der Große entstanden ging mehr. “Falsche Politiker, eingeschränkt auf ihre kleinen Ideen, haben gemeint, es sei leichter, ein unwissendes Volk als ein aufgeklärtes zu regieren, während die Erfahrung beweist, daß je dümmer ein Volk, desto eigensinniger und widerspenstiger es ist, und daß es viel schwieriger ist, die Hartnäckigkeit eines solchen zu überwinden, als von gerechten Dingen ein Volk zu überzeugen, welches hinlänglich gebildet ist, um Vernunft anzunehmen.” Das was an Hochvertrauensgesellschaft bestand wurde erfolgreich vernichtet.

E Ekat / 09.05.2022

Eine Zusammenfassung des inzwischen sattsam bekannten Wirkens oder auch Treibens von Herrn Gysi nun auch durch Herrn Broder hat viele Jahre, Jahrzehnte auf sich warten lassen. Der Auslöser, der das Faß zum Überlaufen brachte war offenbar ein Zweifel, ob Herr Gysi wirklich in Butscha war. Leider oder auch bezeichnender Weise wurde die Empfehlung von Herrn Gysi nach seiner Rückkehr nicht erwähnt, einer Ukraine kein Waffen zu liefern. Das mag zur Abrundung hier noch hinzugefügt werden.

Michael Hofmann / 09.05.2022

Nur mal am Rande eine Frage eines Provinzlers-Wer reiste den alles in letzter Zeit ins Ukrainische Kriegsgebiet , Gysi,Trudeau, Baerbock,Bono,von der Leyen, Boris Johnson, Nehammer, Merz,Angelina Jolie-um die wärs echt schad -alle reisen völlig furchtlos in dieses Kriegsgetümmel oder führt man uns mal wieder hinter die Fichte über die derzeitige Situation in diesem Krisengebiet? Ach Gott, ich vergaß ja, die schützen sich alle mit den gespendeten Helme unserer Lambrecht

Caroline Neufert / 09.05.2022

Waren Sie es nicht ? Arm in Arm mit ihm ? Sie wissen selbst, dass in der Ukraine vieles nicht stimmt, vieles über-bzw untertrieben wird ... das gilt mglw auch für Butscha. Ich bin gegen die Aggression Russlands, den Krieg und gegen Waffenlieferung und Embargos - meinen Sie, das ist möglich? Btw wären sie froh, wenn endlich die Kämpfe zwischen Jemen und Saudi Arabien aufhören ? Sollten die Palis mit Waffen unterstützt werden?

Chris Kuhn / 09.05.2022

Es wird keine internationale Untersuchung von Butscha geben, es sei denn, sie wird von solchen Organisationen geleitet, aus denen die USA und ihre Satrapen Rußland hinausgedrängt haben. Von denen gibt es genügend viele.

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