Es gibt zwar immer wieder Analysten, die meinen, sie könnten die Entwicklung des Aktienmarktes voraussagen, und manchmal auch einen Treffer landen, aber noch mehr, die bei diesem Versuch pleitegehen. Und damit sind wir bei den Corona-Prognosen.
In allen Gesellschaften gab es Individuen, denen ein hoher sozialer Status zukam, weil ihnen die Fähigkeit zugeschrieben wurde, die Zukunft vorauszusehen. Diese Leute nannte man Seher, Auguren, Schamanen, Propheten und Orakel. In unseren aufgeklärten westlichen Gesellschaften schreiben wir diese Fähigkeit der „Wissenschaft“ zu. Die Basis der Voraussagen der „Wissenschaft“ sind allerdings nicht Glaskugeln, Eingeweide von Opfertieren, Sternbilder, Träume oder heilige Schriften, sondern Studien.
Prophezeiungen heißen im heutigen Sprachgebrauch Prognosen. Große Enttäuschung löst es aus, wenn diese Prognosen sich als falsch erweisen. Das kann fairerweise aber nicht der Wissenschaft angelastet werden. Die Enttäuschung folgt einer weit verbreiteten falschen Vorstellung von der Unfehlbarkeit wissenschaftlicher Voraussagen, gerade, was die Entwicklung der Corona-Epidemie, aber auch wirtschaftliche Entwicklungen und den Klimawandel angeht.
Die Autorität der Wissenschaft in der Gesellschaft beruht wesentlich auf den Erfolgen der Naturwissenschaften. Der Erfolg der Naturwissenschaften beruht auf zwei wesentlichen Elementen: Experiment und Reproduzierbarkeit. Das heißt, in einem Experiment können Wissenschaftler bestimmte Faktoren isolieren, was es möglich macht, den Einfluss des einen Faktors auf den anderen zu messen. Wenn dieser Zusammenhang sich immer auf dieselbe Weise darstellt, egal ob sie das Experiment zehnmal, hundertmal oder tausendmal wiederholen, entsteht ein großes Vertrauen in die Verlässlichkeit des Zusammenhangs zwischen diesen Faktoren.
Die Sozialwissenschaftler sind auf die Naturwissenschaftler wegen der großen Autorität ihrer Aussagen stets ein wenig neidisch gewesen. Darum gab es unter Sozialwissenschaftlern immer wieder den Versuch, sich methodisch an die Naturwissenschaften anzunähern, um für sich eine ähnliche Autorität in Anspruch zu nehmen. Daran sind sie gescheitert, denn anders als in den Naturwissenschaften wie Physik und Chemie – schon bei Biologie hört die Eindeutigkeit der Ergebnisse auf – lassen sich ökonomische, soziologische und historische Zusammenhänge nicht in einem Experiment isolieren, und eine bestimmte Anordnung von Faktoren ist auch nicht wiederholbar.
Die Probleme der vergleichenden Sozialwissenschaft
Damit wären wir bei Corona: Die Virologen, die sich mit diesem Virus befassen, nehmen für sich die Autorität der Naturwissenschaft in Anspruch. Politik und Presse waren gern bereit, ihnen diese Autorität zuzusprechen. Dabei wurde geflissentlich übersehen, dass der naturwissenschaftliche Gehalt der Aussagen über Verlauf, Verbreitung und Folgen von Corona-Infektionen nur auf einen kleinen Kernbereich zutrifft, nämlich auf Laborexperimente mit dem Virus, die sich in beliebiger Zahl wiederholen lassen. Der weitaus größte Teil der getätigten Aussagen über die Pandemie beruht auf empirischer Sozialwissenschaft und hat mit Naturwissenschaft im engeren Sinne nichts zu tun.
Wie schnell sich das Virus in einer Bevölkerung verbreitet, ob es eine Übersterblichkeit gibt oder nicht, ob die Belegung von Intensivbetten coronabedingt ist oder von ökonomischen Anreizen bestimmt wird, welche Altersgruppen von Infektionen und schweren Verläufen besonders stark betroffen sind, ob die Überlastung von Pflegekräften an coronabedingter Mehrarbeit oder schlechter Bezahlung liegt – das alles sind Fragen, die sich weder in einem Experiment untersuchen lassen, noch lassen sich die Ergebnisse verallgemeinern. Genaue kausale Zusammenhänge lassen sich nicht beweisen, weil die Vielzahl der Faktoren zu groß ist, allenfalls lassen sich diese Zusammenhänge mehr oder weniger plausibel machen.
Die Probleme der vergleichenden Sozialwissenschaft und ein großer Teil der Studien über Corona beginnen bereits mit der Datenbasis. Während des Kalten Krieges haben es Ökonomen im Westen allen Ernstes für möglich gehalten, dass die Sowjetunion die USA wirtschaftlich überholen könne und die DDR zu einer führenden Volkswirtschaft erklärt.
Der Grund dafür war, dass sie sich der offiziellen Statistiken bedienten, die diese Staaten zur Verfügung gestellt haben. Die Wachstumsstatistiken der Ostblockstaaten waren manipuliert, ebenso wie auch heute die Daten aus der Volksrepublik China. Tatsächlich gibt es heute niemanden, der verlässlich sagen kann, wie hoch die Wachstumsraten und die Inflation in China wirklich sind, da die Kommunistische Partei Chinas die Wirtschaftsdaten frei nach Wunsch fabrizieren kann. Dasselbe gilt dort natürlich auch für die Infektionsraten mit Corona.
Man erinnere sich an die Wirtschaftszahlen Griechenlands...
Dass offizielle Zahlen und Statistiken von Wissenschaftlern trotzdem mit wenig Bedenken aufgenommen und zur Grundlage ihrer Forschung gemacht werden, ist dem Umstand geschuldet, dass es in vielen Bereichen eben nichts anderes gibt als die öffentlich zugänglichen Daten und Statistiken der Behörden. Diese Daten grundsätzlich infrage zu stellen, würde bedeuten, der eigenen Forschungsarbeit die sachliche Grundlage zu entziehen.
Zum Beispiel müssten Ökonomen einräumen, dass die beliebten internationalen Vergleiche zu Wachstum, Arbeitslosigkeit, Bildung usw. in vielen Fällen keine seriöse Basis haben, weil die Daten in den verschiedenen Staaten unterschiedlich erfasst und Äpfel mit Birnen verglichen werden.
Das gilt insbesondere auch für die Corona-Zahlen: Um seriöse Vergleiche durchführen zu können, müsste sichergestellt sein, dass die Corona-Infektionen in Deutschland genauso erfasst werden wie in Italien, in Schweden genauso wie in Frankreich, in den USA ebenso wie in Russland, in Brasilien auf dieselbe Weise wie in Südkorea, in Israel ebenso wie in Österreich.
Solange das nicht der Fall ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob die Unterschiede zwischen diesen Ländern auf ein reales Geschehen zurückzuführen sind, oder darauf, dass ein Staat umfangreicher testet als ein anderer und Corona-Tote anders erfasst oder der Hang von Behörden und Bürgern, mit ihren Angaben und Dokumenten besonders kreativ umzugehen, mentalitätsbedingt unterschiedlich ausgeprägt ist. Man erinnere sich an die Wirtschaftszahlen Griechenlands, die zur Aufnahme in die Eurozone geführt haben.
Menschen sind keine Elektronen oder Moleküle
Der Siegeszug der Naturwissenschaft setzte ein, weil die Ergebnisse reproduzierbar waren. Ob ein Teilchenbeschleuniger in der Schweiz, den USA oder Indien aufgestellt wird – er sollte unter den gleichen Versuchsbedingungen dieselben Ergebnisse zeitigen. Das Ergebnis ist überprüfbar und wiederholbar. Das ist bei den Studien, die zu Corona erscheinen, nicht der Fall.
Eine Studie etwa über den Zusammenhang von Gastronomiebesuchen und Infektionsgeschehen in Großbritannien hat nur einen begrenzten Aussagewert für den Zusammenhang zwischen Gastronomiebesuchen und Infektionsgeschehen in Deutschland, weil sich zum Beispiel Gäste in einem britischen Pub anders verhalten als in einem deutschen Restaurant.
Gleiche Umstände können zu unterschiedlichen Zeitpunkten ebenfalls zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Menschen sind keine Elektronen oder Moleküle, die sich unter den gleichen Umständen gleich verhalten. Deshalb können dieselben Distanzregeln in einem Fall zu mehr und in einem anderen Fall zu weniger Infektionen führen, je nachdem mit welchen persönlichen Strategien die Menschen darauf reagieren.
Als zeitweise die Zahl der Infektionstoten in Schweden größer war als in Deutschland, wurde das auf den fehlenden Lockdown in Schweden und die strikteren Corona-Maßnahmen in Deutschland zurückgeführt. Der Umstand, dass die Zahl der Corona-Toten in Schweden aber geringer war als in Frankreich, das einen noch viel härteren Lockdown als Deutschland durchgesetzt hat, wurde dann mit Zusatzannahmen, wie der dünnen Besiedlungsdichte und der großen Sozialdisziplin der Schweden, erklärt.
Die Untersuchung komplexer Systeme erlauben keine Prognosen
Kurzerhand wurden also den gängigen Variablen geographische und kultursoziologische hinzugefügt. Möglicherweise spielten auch der Protestantismus, der Feminismus, das daraus resultierende Sexualverhalten, die Zahl der Haustiere, der Tabak- und Alkohol- und Fernsehkonsum, die Ernährung und das Freizeitverhalten eine entscheidende Rolle.
Die Untersuchung komplexer Systeme mit einer unbestimmt großen Vielzahl von Variablen erlauben keine eindeutigen Prognosen. Es gibt zwar immer wieder Analysten, die meinen, sie könnten die Entwicklung des Aktienmarktes voraussagen und manchmal auch einen Treffer landen, aber noch mehr, die bei diesem Versuch pleitegehen.
„Wissenschaftlich“ ist das aber ebenso wenig wie die Voraussage der Zahl der Corona-Toten bis zum kommenden Sommer und der Weltdurchschnittstemperatur im Jahr 2050. Prognosen sind nicht mehr als subjektive Einschätzungen auf der Grundlage mehr oder weniger plausibler Annahmen unter der Hinzuziehung mehr oder weniger korrekt erhobener Datenreihen. Ein Virologe ist nicht Nostradamus, auch wenn einige Forscher ihre Rolle in dieser Richtung missverstehen.
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Wenn man sein Forschungsgebiet mal eben auf alles ausdehnt, was irgendwie mit Viren zu tun hat, schadet man der eigenen Glaubwürdigkeit. Prognose der Opferzahlen aus Virologenmund? Bewertung der Beschlüsse der Ministerpräsidentenrunde? Muss ein Scharlatan sein.
Für manipulierte Inflationsdaten braucht man nicht bis China zu schauen, da reicht der Blick in die EU völlig aus. Basis ist ein "Warenkorb", den kaum jemand verstehen wird, sicher reiner Zufall. Gleiches gilt für deutsche "Arbeitslosen"-Daten, ohne ALGII-Empfänger, ohne Akademiker ohne Berufserfahrung, ohne Kurzarbeiter, ohne Arbeitslose oberhalb bestimmter Altersgrenze usw. Analoges gilt für das propagierte Renteneintrittsalter, das meist nur noch auf dem Papier steht, weil sich die Betriebe schon vorher der Senioren entledigen. Usw. usw. Bei Corona kommen die bekannten Mängel deutscher Datenverarbeitung hinzu, d.h. Schlampereien bei der Dateneingabe, technische Probleme bei der Datenweitergabe und -verdichtung, veraltete Schnittstellen (teilweise via Fax usw.), etc. - von potenzieller "Gestaltung" der Resultate ganz abgesehen.
Ich war gerade bei Hallo Meinung von Peter Weber. Dort hat ein Professor Roland Wiesendanger vom naturwissenschaftlichen Institut Leopoldina gesprochen. Und er hat Indizien gesammelt und vorgetragen, dass es in Wuhan doch zu einem Labor-Unfall kam, und das dort an und mit diesem Virus herumexperimentiert wurde. Das will natürlich niemand wahrhaben. Dann müsste am Ende doch ein Riesenbetrug aufgedeckt werden, und unzählige Köpfe würden rollen. Schauen Sie sich den Beitrag selber an.
Herr Bökenkamp, Lauterbach kann aber auf den Punkt genau voraussagen. Im Teletext steht heute, dass der Gipfel von Corona jetzt Mitte Februar ist. Lauterbach sagte dazu, dass er das ganz genau so vorhergesagt hat. Also Sie sehen. Hervorragende Wissenschaftler, fast schon mit Heiligenschein versehen, können alles haargenau voraussagen. ;)