Julian Marius Plutz, Gastautor / 14.04.2021 / 06:10 / Foto: Pixabay / 105 / Seite ausdrucken

Wirtschaft: Der Test gibt uns den Rest

Gestern,13.04.2021 in Deutschland, Berlin. Das Kabinett beschließt die sogenannte Notbremse. Im Kampf gegen ein Virus, an dem zu diesem Zeitpunkt 0,28 Prozent der Deutschen erkrankt sind, 99,72 Prozent nicht. Eine von 500 erkrankten Personen ()  – in aller Regel mit schweren Vorerkrankungen – stirbt daran (je nach Daten und Analyse schwanken die Angaben und Schätzungen zur Letalität und können auch geringer sein). Dafür wird die freie Gesellschaft weiter abgebaut. FFP2-Masken sollen zum Standard werden, obwohl die Gesellschaft für Krankenhaushygiene davon abrät. Ausgangssperren von 21 Uhr bis 5 Uhr dürfen von nun an per ordre de Mutti angeordnet werden, was Aerosolforscher kritisieren. Die Unversehrtheit der Wohnung darf nun auch offiziell vom Bund verletzt werden. Auch ist es den Damen und Herren in Berlin gestattet, die wirtschaftliche Freiheit einzuschränken: So dürfen sie für geschlossene Läden und Hotels sorgen. Dystopien von früher sind heute Realität. Und die Verachtung der Freiheit wird von den Regenten immer weitergeschraubt. 

Bei dem ganzen prädikatorischen und postliberalen Irrsinn geht jedoch ein Detail dieser „Notbremse“, man fragt sich, welche Not, unter. Ein Detail, auf das sich Arbeitgeber bereits seit Wochen einstellen: die Testpflicht am Arbeitsplatz. Das Kabinett beschloss, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern einmal in der Woche einen Test anbieten müssen. Dieser Schritt ist nur folgerichtig. So scheint es seit langem Wille der SPD zu sein, einst Partei der Arbeit, eben diese Arbeit zu vernichten. Dazu gehören die absurden Forderungen nach einem Mindestlohn, der die Produktivität vieler Tätigkeiten schlicht nicht widerspiegelt. Oder das Arbeitsschutzkontrollgesetz, das ebenso wie ein überzogener Mindestlohn nicht Wohlstand oder soziale Sicherheit, sondern Arbeitslosigkeit erzeugt. 

Ich frage mich, woher die Lust bei SPD, Grünen und Co kommt, Unternehmen zu schaden. Rational macht es keinen Sinn, Unternehmen mit einer Testpflicht zu schaden. Im Zweifel verringert es das Steueraufkommen, was die SPD gerne hochhalten will und muss. Und die Pflicht sorgt für geringere Löhne, die die Sozialdemokaraten eigentlich auch nicht wollen. 

Jetzt fehlt noch das „Coole-Corona-Gesetz“

Olaf Scholz lehnt eine Kostenübernahme durch den Staat ab. Die Pandemiebekämpfung sei eine „nationale Kraftanstrengung“, bei der „alle mitmachen müssen“. Jawoll. Mit Wumms und Bazooka aus der Krise. Wenn jetzt noch Frau Giffey das „Coole-Corona-Gesetz“ beisteuert, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. 

Man muss dem Wirtschaftsminister Altmaier doch tatsächlich dankbar sein, dass er wenigstens die Dokumentationspflicht der Tests abwenden konnte. Das hieße dann für meine Niederlassung (ich arbeite für eine Personaldienstleistungsfirma): Jeder Mitarbeiter müsste einmal in der Woche zu uns kommen und per Unterschrift bestätigen, dass ihm ein Test angeboten wurde. Bei rund 100 Mitarbeitern können Sie sich vorstellen, wie hoch der bürokratische Akt ist. Nebenbei bemerkt: Ist es nicht Ziel der Politik, Kontakte zu minimieren? Stay at home?

„Mensch Herr Plutz, da gibt es doch eine digitale Lösung“, denen sei gesagt: Nein, gibt es nicht. Denn erstens müssen solche Dokumente im Original vorliegen. Und zweitens, das ist leider die Wahrheit: Meine Mitarbeiter sind keine Ingenieure, sondern meist Helfer. Viele sind intellektuell oder sprachlich überfordert.

Eine digitale oder postalische Lösung würde einen solchen Aufwand nach sich ziehen, der kein Ende haben würde. Mehr als 50 Prozent unserer Zeit verschwenden wir an staatliche Vorgaben. Ich dachte, seit der Datenschutzgrundverordnung könne nichts mehr kommen. Aber Corona belehrte mich eines besseren. Und das Schlimme: Jedes Gesetz, jede Verordnung bleibt. Bürokratie wird nie abgebaut. Nirgends. Die Höhe der Strafe für Unternehmen, einem Mitarbeiter einen Test zu verweigern, liegt bei bis zu 30.000 Euro. 

Ein Blick in die Praxis

Ich möchte Ihnen anhand eines Einstellungsprozesses zeigen, wie bürokratisch zersetzt dieser ist. Und fast alles geschieht auf Geheiß des Staates oder indirekt, um staatliche Sanktionen zu vermeiden. Der Bewerber klingelt und sagt die magischen Worte: „Suche Arbeit“. Nach den Corona-Regeln müsste ich ihn nach Hause schicken und ihm ein Online- oder telefonisches Bewerbungsgespräch anbieten. Da er aber nicht die Kompetenz besitzt, dieses durchzuführen – Mimik und Gestik fehlen und macht die Sprache zu einer nicht überwindbaren Barriere – bitte ich ich ihn herein. 

Nach einigen Formalitäten mache ich mit ihm einen Termin bei einem niedergelassenen Arzt zur Unterweisung nach §43 Infektionsschutzgesetz. Das „Gesundheitszeugnis“ wird benötigt, wenn Mitarbeiter im Lebensmittelbereich eingesetzt werden – was hier der Fall ist. Diese Belehrung kostet je nach Arzt zwischen 11 und 20 Euro und ist mit das sinnloseste, was Sie sich vorstellen können. Der Arzt erzählt dem Bewerber, der ihn nicht versteht, dass man sich die Hände waschen muss. Hört er brav zu und unterschreibt er, dass er alles verstanden hat, hat er die Bescheinigung. Arzt unterschreibt, der Stempel stempelt. 

Bis zum Vertrag sind noch weitere Hürden zu nehmen. Möglicherweise gibt es einen Kennenlerntag beim Kunden. Und natürlich benötigen wir ein negatives Coronatestergebnis vor Arbeitsbeginn. Die Termine koordinieren wir. Bis zum Termin des Arbeitsvertrages hat der Mitarbeiter rund einhundertmal Unterschriften zu leisten. Von Hygienevorschriften bis zu Themen aus der Arbeitssicherheit. Nichts bleibt dem Mitarbeiter und uns erspart. Eine Reiseauskunft (Stichwort Corona) inklusive, gehört ebenso dazu, wie, und das empfinde ich als übergriffig, ein Blatt zur Auskunft, in welcher Situation denn der Kandidat wohnt. Pension? Wohnung? Flüchtlingsunterkunft? Hat er eine Küche? Ein eigenes Bad? Wir sind hierzu gezwungen, eine Revision würde das ankreiden. Mich hat es jedoch überhaupt nicht zu interessieren, wie mein Mitarbeiter wohnt. Diese Frage ist nichts weiter als ein Eingriff in die Intimsphäre.

Die Regierung wird zum Problem

Nun folgt die Testpflicht. Der nächste Schritt ist die Dokumentationspflicht. Das wäre dann die einhunderterste Unterschrift. Und die einhundertzweite und -dritte. Jede Woche, bis der Mitarbeiter ausscheidet. Oder bis wir dicht machen. 

Ich habe die Hoffnung realitätsnaher Politik längst aufgegeben. Von einem Arbeitsminister, der nichts anderes kennt als Parteiarbeit, ist das nicht zu erwarten. Diese Regierung ist in Sphären unterwegs, die mit der Realität nichts zu tun haben. Die Testpflicht ist nur ein Detail. Ein winziger Nagel auf den Sargdeckel. Das Schreddern der Unternehmen ist im vollen Gange. Und die Politiker können sich auf die Schulter klopfen, weil sie glauben, etwas für die Menschen getan zu haben. Dabei ist die Regierung nicht Teil der Lösung. Sie ist das Problem.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Julian Marius Plutz Blog "Neomarius".

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Leserpost

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Ralf Rüdiger / 14.04.2021

Ich glaube hier besteht der Irrtum, dass die Linke für Arbeitnehmer, Frauen, Migranten…da ist. So funkioniert Sozialismus nicht. Der Sozialismus lebt von Armut, Parallelgesellschaften, Benachteiligung und Importwählern. Die Strategen vom Maxschen Thron aus Beton und Stahl sind menschenverachtend. Es geht ihnen wie bei Orwells 1984 nur um Macht.

Hjalmar Kreutzer / 14.04.2021

Guten Morgen, leidet nicht der deutsche Mittelstand seit Jahrzehnten, nicht erst seit Corona, unter lauter „coolen Controlletti-Gesetzen“, die „verdiente Parteifreunde des Volkes“ mit jeder Menge krisensicherer Sesselpfrrrzerposten versorgen? Meine kleine Mini-Arztpraxis mit 2 Mitarbeiterinnen um ca. 30h/Wo. und einer geringfügig Beschäftigten, viele eigentümergeführte Arzt- und Zahnarztpraxen, Kanzleien usw. kosteten jedes Jahr Unsummen an Steuerberatungs- und Dokumentationskosten, Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz, Sicherheitstechnik, Hygienezertifikaten, Qualitätssicherungsblabla usw., die sich in Folge wahrscheinlich nur noch Großkotzerne leisten können. Mit steigender Zahl der Mitarbeiter, z.B. bei eigentümergeführten Pflegediensten, Pflegewohnen usw., die nicht Klinikketten oder Wohlfahrtsverbänden mit wiederum verdienten Parteifreunden in Geschäftsführerposten, angehören, nicht primär staatlich gefördert werden, nimmt der Irrsinn noch mehr zu. Eine Zertifizierung der elektrischen Sicherheit einer Kaffeemaschine im Büro kostet mehr, als alle zwei Jahre eine neue Kaffeemaschine zu kaufen, während die bisherige noch voll funktionstüchtig im Elektroschrott landet, da selbst die schlechtbezahlteste Mitarbeiterin schon eine zu Hause hat. Alle zwei Jahre kommt der TÜV und guckt, wie bei Monty Python, ob im OP „die Maschine mit dem Binngg!“ noch da ist, weiter Bing oder Piep macht und dazu eine weiße Lampe leuchtet. Wären die Inhaber der betroffenen Praxen auch in Rente wie ich und hätten Zeit, statt arbeiten zu müssen, würden Sie hier mit gleichlautenden Leserbriefen zuge ... schüttet.

Uwe Schäfer / 14.04.2021

Deutschland mit voller Absicht zerstört. Das ist das Ziel dieser Pfeifen. Etwas anderes anzunehmen ist dumm!

Werner Liebisch / 14.04.2021

Als ich gestern davon gehört hatte, dass Firmen Tests zur Verfügung stellen sollen, dachte ich sofort an Bürgertests, die doch jedem 1 x in der Woche kostenlos zur Verfügung stehen. Es ist ein weiters Zeichen, dass diese Regierung maßlos überfordert ist, und nurmehr wild um sich schlägt.

Bernhard Freiling / 14.04.2021

Danke dafür, diese Sache mal von einer weiteren Seite beleuchtet zu haben. Davon hatte ich als “abseits Stehender” gar keine Vorstellung. Allein der Gedanke daran, in allen Unternehmungen sollen sich alle Mitarbeiter einmal die Woche testen, verursacht mir Übelkeit. Höchste Zeit hinter den Vorhang zu schauen um feststellen zu können, wer an dem Zwangs-Verkauf von mindestens rd. 40 Mio Schnelltests wöchentlich verdient. Außer den Herstellern und dem Handel. ++ Abgesehen davon, fällt mir aus der Ferne nur Eines ein: “Jagt sie zum Teufel, diese schwarzlinke, rotlinke und grünlinke Verbrecherbande. Und vergessen Sie nicht, die anschliessend vor Gericht zu stellen. Wenn Beamte wegen eines Verstoßes gegen die Amtspflicht unter Verlust ihrer Pensionsansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis entfernt werden können, muß dies bei Abgeordneten, Staatssekretären, Ministern, Kanzlern und Präsidenten doch auch möglich sein”. ++ Die Leute arbeiten in I H R E M Auftrag. Wie können Sie sich von I H R E N Arbeitnehmern nur so durch die Manege ziehen lassen? Jeder, der Zweifel an dieser Regierung hegt, müßte zum lauten Trommler für die AfD werden.

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