Wirecard: Nix wie weg oder “Beyond Payments”

Während die Aktie des DAX-Unternehmens Wirecard ins Bodenlose fiel und die Firma Insolvenz beantragte, kam Ungeheuerliches zum Vorschein. Bedeutende Kooperationspartner auf den Philippinen: leere Firmenmäntel mit Adressen in einfachen Häuschen oder leeren Lagerhallen.

Die Millionenumsätze mit ihnen, Millionenschulden, die sie auf dem Papier bei Wirecard (Werbespruch „Beyond Payment") haben: Luftbuchungen. Schlimmer noch: Die angeblich auf zwei philippinischen Banken gelagerten Guthaben von Wirecard in der Höhe von rund 2 Milliarden Euro: nicht das Papier wert, auf dem ihr Vorhandensein mit gefälschten Unterschriften bestätigt wurde.

Man kann hier eigentlich nicht von krimineller Energie sprechen, höchstens von Kaltschnäuzigkeit, mit solch offensichtlichen Schummeleien davonkommen zu wollen. Aber Wirecard kam davon, bis dann ihre Bilanzprüfer von E&Y den längst überfälligen Termin zur Präsentation des abgenommenen Jahresabschlusses für 2019 immer wieder verschob.

Kein Anlass für Bedenken in Deutschland. Es seien "noch nicht alle Prüfungshandlungen vollständig abgeschlossen worden", verlautete Wirecard im Mai bei der vierten und letzten Verschiebung auf den 18. Juni. Aber keine Bange, man gehe nicht davon aus, dass sich Wesentliches zum vorläufigen Ergebnis von Ende Februar ändern werde. Alles gut, alles auf Kurs, Umsatz 2,8 Milliarden, Ebitda-Gewinn 785 Millionen Euro. Beides wie eigentlich immer zweistellig gesteigert.

Das fiese Albion in Gestalt des Wirtschaftsblatts „Financial Times“ 

Und überhaupt, um alle Unken zu beruhigen, wedelte der Wirecard-Boss Braun mit einem Sondergutachten, dass KPMG erstellt hatte. In großartiger Schönfärbung konnte Braun immerhin behaupten, dass KPMG keine Bilanzfälschungen festgestellt habe. Also, kein Grund zur Aufregung, alles Neider, die den Deutschen ihren IT-Erfolg nicht gönnen wollen. Vor allem das fiese Albion in Gestalt des Wirtschaftsblatts "Financial Times" (FT) belästige den Erfolgskonzern mit Fake News.

Aber dagegen habe man die Gegenwehr eingeleitet, verteidigte sich Braun clever. Es handle sich um bösartige Unterstellungen, damit daran beteiligte Mitarbeiter von FT an der Börse mit Leerverkäufen massig Geld verdienten. Man habe dafür Belege, Strafanzeige eingereicht. Und überhaupt: "Ich sehe das ganze Thema jetzt schon als geklärt an", tönte Braun, die interne Überprüfung aller Vorwürfe habe ergeben, dass sie unbegründet seien. "Punkt", fügte er energisch hinzu. Das war im Februar 2019, als die FT auch aufgrund von Informationen eines Whistleblowers Unregelmäßigkeiten bei Umsatz und Rendite kritisierte.

Alles haltlose Unterstellungen, beruhigte Wirecard immer wieder, man wolle einen Softbank-Manager in den Aufsichtsrat holen, um Vertrauen zurückzugewinnen und zeigen, dass die Bank, die immerhin 900 Mio. in Wirecard investiert hatte, auf den Zahlungsdienstleister setze. "Braun wirbt um Vertrauen", mit solchen Titeln begleitet die Wirtschaftsjournaille die zunehmend hektischeren Versuche des deutschen Wunderknaben, noch zu retten, was nicht mehr zu retten war. Bis er dann am 19. Juni zurücktrat, nicht ohne nochmal auf die Kacke zu hauen: "Die Wirecard AG verfügt über ein ausgezeichnetes Geschäftsmodell, herausragende Technologie und ausreichende Ressourcen für eine großartige Zukunft."

Die wolle er aber nicht durch sein Verbleiben belasten, und überhaupt, schließlich habe auch er persönlich Verluste erlitten. Wohl aus diesem Grund machte er dann gleichzeitig den größten Teil seiner Wirecard-Aktien zu Bargeld. Damit erlöste er noch 140 Millionen, bevor die Aktie senkrecht abstürzte, auf 2,5 Euro. Beziehungsweise auf 0, denn trotz "ausreichenden Ressourcen" stellte Wirecard Insolvenzantrag.

In all dem Schlamassel, bei dem sich restlos alle, die deutsche Wirtschaftsjournaille, Banken, Anlageberater, die Aufsichtsbehörden und natürlich Politiker mit allem anderen als mit Ruhm bekleckerten, bleibt so oberhalb des rauchenden Trümmerhaufens vor allem eine Frage: Wie konnte das einem weltweit tätigen Wirtschafts- und Buchprüfer wie E&Y entgehen?

Ganze Wunder an Einschätzungen, Goodwill, angenommenen Werten

Über 260.000 Mitarbeiter, davon 11.000 in Deutschland. Jahresumsatz 35 Milliarden Dollar, davon 2,1 Milliarden Euro in Deutschland. Buchprüfung, Steuerberatung, Unternehmensberatung, auch hier teilt sich E&Y die grössten Stücke des Kuchens mit den drei anderen Mitgliedern der Big Four.

Big sind hier auch die Honorare, die verdient werden. Das Testat unter den Geschäftsbericht einer DAX-Firma kann ohne Weiteres 100 Millionen Euro oder mehr kosten. Schließlich müssen alle Buchhaltungsunterlagen durchgeackert werden. Wer meint, eine Buchhaltung wie die von Wirecard bestehe einfach aus Aktiven und Passiven, Strich drunter, und was übrigbleibt, wird bei Passiven als Eigenkapital ausgewiesen, hat nur im Prinzip recht.

Das ist das Endergebnis. Aber auf dem Weg dorthin können ganze Wunder an Einschätzungen, Goodwill, angenommenen Werten und so weiter und so fort liegen. Nach der Devise: Alles kann man so oder so sehen. Geht dennoch mal etwas schief, so wie beim Bankrott der Drogeriekette Schlecker, ist die erste Verteidigungslinie immer: Wir haben nur aufgrund unseres Kenntnisstandes den Jahresabschluss testiert und dabei nur die Plausibilität der uns überreichten Unterlagen geprüft.

Wird die durchbrochen, zahlt man halt eine Geldauflage, und dann wird, wie im Fall Schlecker, das Strafverfahren gegen E&Y eingestellt. Das natürlich nicht gegen die Firma selbst gerichtet war, sondern gegen – das kennen wir ja auch von den Banken zur Genüge – zwei Mitarbeiter, die da möglicherweise ohne Kenntnis des Arbeitgebers über die Stränge geschlagen hatten.

Nun ist E&Y schon viele Jahre der Buchprüfer von Wirecard. Bekanntlich schob E&W das Testat für den Geschäftsbericht 2019 immer weiter hinaus. Es ist zu vermuten, dass eine Bemerkung im Sonderprüfbericht von KPMG den anderen Riesen aufschreckte. Keinen Anlass zu Verdacht auf Bilanzfälschung, mit dieser Aussage wedelte Braun bis zum bitteren Ende. Aber dass KPMG bemängelt hatte, dass keine überzeugenden Dokumente beigebracht worden seien, die das Vorhandensein von "rund 1 Milliarde Euro auf Treuhandkonten belegen", das erwähnte Braun natürlich nicht.

Alles paletti, alles gut, null problemo

Offensichtlich war KPMG eine Spur genauer in diese Frage eingestiegen als E&Y. Denn der Nachweis dieser 1,9 Milliarden, immerhin ein Viertel des Firmenwertes, war ja nicht erst ab 2020 dubios. E&Y testiert die Bücher von Wirecard seit 2009. Und stempelte zehnmal für teures Geld den Stempel drauf: Buchhaltung einwandfrei, nichts zu meckern. Das letzte Mal für das Geschäftsjahr 2018. Als die FT Anfang 2019 mit ihren kritischen Berichten nachlegte, will E&Y sogar forensische Experten beigezogen haben, um das alles brutalstmöglich zu untersuchen. Ergebnis: alles paletti, alles gut, null problemo.

Man will ja einer weltweit tätigen Prüfungsfirma mit hunderttausenden von Bilanzcracks nicht das Einmaleins erklären. Aber: Bei einer solchen Prüfung ist es eine der leichteren Übungen, das Vorhandensein von Bankkonten und deren Saldo zu kontrollieren. Das schafft sogar ein Steuerbeamter des Fiskus, und die sind nicht gerade für investigative Höchstleistungen bekannt.

Nun legt FT nach, dass E&Y von 2016 bis 2018 nicht einmal eine Bestätigung einer Bank in Singapur eingeholt habe, bei der angeblich 1 Milliarde Euro lagerten. Diese seien dann angeblich auf die Philippinen überwiesen worden, wo sie sich zu der angeblich dort vorhandenen Milliarde gesellten.

E&Y soll sich, laut der vertrauenswürdigen Quelle FT, mit Screenshots und Selbstauskünften von Wirecard zufrieden gegeben haben. Wir versuchen mal, das für den Laien verständlich runterzubrechen. Der Laie möchte gerne 1.000 Euro Kredit haben. Gefragt nach Sicherheiten, sagt er, er habe 2.000 Euro auf einem Konto in Singapur. Das habe ihm auch sein Steuerberater bestätigt. Sollte die Bank dennoch eine richtige Bestätigung verlangen, zeigt der Laie einen Screenshot eines Kontobelegs und versichert mit treuem Augenaufschlag, dass das alles seine Richtigkeit habe.

Kriegt er dann den Kredit? Hoffentlich nicht. Nun hat Wirecard bekanntlich auf die 2 Milliarden auf den fernen Philippinen locker 1,75 Milliarden Kredit gekriegt. Warum? Weil die Summe in der von E&Y testierten Bilanz stand. Obwohl E&Y nicht einmal eine Originalbestätigung der Bank in Singapur einholte. Und sich dann offenbar ohne Nachfragen mit einer gefälschten Bestätigung aus den Philippinen zufriedengab.

Nun beginnt der übliche Stuhlreigen

Was sagt eigentlich E&Y selbst dazu? Nachdem die Prüfer eine Woche eisern schwiegen, haben sie inzwischen – möglicherweise unter Verletzung der Wahrung des Geschäftsgeheimnisses und ihrer Verschwiegenheitspflicht – die üblichen Textbausteine aus dem Archiv geholt und abgestaubt: Hinweise auf "umfassenden Betrug mit gezielter Täuschungsabsicht", und natürlich "auch mit umfangreich erweiterten Prüfungshandlungen ist es unter Umständen nicht möglich, diese Art von konspirativem Betrug aufzudecken".

Richtig, da ist selbst der Fachmann schachmatt, wenn mit solch raffinierten Methoden wie Screenshots, Selbstauskünften und gefälschten Briefen gearbeitet wird. Und überhaupt, E&Y selbst habe schließlich herausgefunden, dass die Unterlagen aus den Philippinen gefälscht seien. Das ist allerdings eine Auffassung, die man auch unter "kann man so oder so sehen" abbuchen darf. Denn offensichtlich wurde E&Y erst durch den Bericht von KPMG aufgeschreckt, und in den Jahren zuvor fiel dem Buchprüfer – trotz fundierten Recherchen von FT – nichts auf.

Nachdem der Ballon geplatzt ist, das Kartenhaus zusammengestürzt, wie immer alle Fachleute und Politiker und Beamten fassungslos sind, das nie gedacht hätten, aber alles tun werden, damit das nie mehr vorkommt, beginnt nun natürlich der übliche Stuhlreigen. Wer findet einen Sitz, wenn die Musik zu spielen aufhört? Und wer bleibt blöd stehen, wenn die Kacke in Tiefflug übergeht?

Denn nicht nur die Anleger, die sich ihr Investment wohl in der Pfeife rauchen können, wollen wissen: Wer war das, und wer haftet? Wir machen mal eine Drainage, also wir scheiden aus, wer sich garantiert in Sicherheit bringt. Zuvorderst natürlich alle Politiker, die Wirecard und den Riesentyp Braun als Beispiel für modernste deutsche Wertarbeit hinaufjubelten. Weil sie von Wirecard eigentlich nur verstanden: Irgendwas mit IT, Internet, bargeldloses Zahlen, super. Solche Helden braucht das Land, da grinse ich doch gerne mit Braun in jede Linse.

Die sind schon mal weg und fordern und tun alles dafür und blubbern halt den üblichen Stehsatz. Dicht gefolgt von allen Beamten, allen Sesselfurzern, die für teures Steuergeld eigentlich für Aufsicht und Kontrolle sorgen müssten. Auch die konnten sich natürlich nicht vorstellen, vertrauten auf E&Y, hatten im Rahmen ihrer gesetzlichen Vorgaben und Beschränkungen keine Möglichkeit, und "Mahlzeit". Vielleicht, aber nur vielleicht könnte es sein, dass ein paar leitende Beamte in den vorläufigen Ruhestand versetzt oder zum Kühezählen nach Schleswig-Holstein abgeordnet werden. Mit Zulagen und allen Ehren, versteht sich.

Nein, da ist nullkommanix zu holen

Dann hätten wir die Banken und Finanzdienstleister, die entweder auf Luftnummern Milliardenkredite erteilten oder Anlageprodukte im Zusammenhang mit Wirecard unter die Investoren brachten. Aber die sind natürlich auch selber Opfer, wer überprüft denn schon Sicherheiten genauer, wenn es um einen Riesensuperstar wie Wirecard geht. Und Anlageprodukte? Also bitte, es sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass das Risiko beim Anleger liegt, und wem das nicht passt, kann gerne mal wieder an der Phalanx von Bank-Anwälten scheitern.

Hm. Ah, aber alle, die in Singapur oder auf den Philippinen mit dieser Schummelei zu tun hatten? Oh je, das ist ziemlich weit weg, nicht wahr? Und das arme Schwein, das anscheinend die Bestätigung fälschte, ist längst entlassen und angeklagt. Und die Besitzer der Schein-Kooperationspartner? Oh je, das sind doch alles auch nur Scheinbesitzer. Nein, da ist nullkommanix zu holen.

Ha, aber dann die Führungsetage von Wirecard. Aufsichtsrat, Geschäftsleitung, her mit ihnen, vor Gericht mit ihnen. Nun ja. Es mag vielleicht der unwahrscheinliche, seltene Fall eintreten, dass einige von denen tatsächlich strafrechtlich belangt und sogar verurteilt werden. Im schlimmsten, aber nur im schlimmsten Fall sogar zu Gefängnis. Wir erinnern uns an den tiefen Fall von "Big T" Thomas Middelhoff. Sieben Jahre, nachdem Arcandor und er selbst pleite gemacht hatten, wurde er zu drei Jahren verknackt. Und marschierte wegen guter Führung nach anderthalb wieder raus.

Aber im Allgemeinen, das war bei der Finanzkrise eins so, das ist heute nicht anders, passiert den Vernichtern von Milliarden eigentlich nie etwas. Nirgends. Niemals. Die rechte Hand von CEO Braun hat sich anscheinend schon auf die Philippinen abgesetzt. Braun selbst scheint noch im Zugriffsbereich der deutschen Justiz zu weilen. Eine Nacht in Untersuchungshaft konnte er allerdings mit einer Kaution von 5 Millionen Euro beenden.

Bis ans selige Lebensende in Uruguay

Da bleiben ihm nur schon aus seinen Aktiennotverkäufen noch 135 Millionen. Ist nicht die Welt für einen ehemaligen Milliardär, aber wenn er sich etwas einschränkt und sein Geld nicht in Schwindelfirmen wie Wirecard investiert, sollte das eigentlich reichen. Bis ans selige Lebensende in Uruguay oder jedem anderen Land mit angenehmem Klima und ohne Auslieferungsabkommen. Wer noch auf die Zukunft des Sozialismus setzt, dem sei auch Kuba empfohlen.

Wer sich noch an einen der ersten saftigen Finanzskandale – Stichwort IOS – erinnert, dem sagt sicher auch der Name Robert Vesco etwas. Der suchte nach dem Zusammenbruch des Kartenhauses mit einigen Millionen in der Tasche das Weite. Und verbrachte den größten Teil seines Lebens auf der Flucht. Im bequemen Exil auf Kuba. Bis ihm dort offenbar das Geld ausging und er vom Regime ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt und zu ein paar Jahren Knast verurteilt wurde. Wegen "schädlichen Handlungen", denn es gibt tolle Gesetze auf Kuba.

Das wäre also die eine Variante, take the money and run, wie man so schön sagt. Die andere wäre: durchstehen und durchprozessieren und behaupten, man habe nichts gewusst, sei selber Opfer, könne keinerlei eigene Verantwortung erkennen. Die Möglichkeit des Wegrennens hat E&Y allerdings nicht. Die Prüfer können ja schlecht ihr protziges Hauptquartier in Eschborn bei Frankfurt zusammenklappen und mit nach England nehmen.

Aber Hand aufs Herz, glaubt jemand wirklich im Ernst (oder im Young), dass die Verantwortlichen bei Wirecard, selbst wenn sie verurteilt werden sollten, die rund 2 Milliarden wieder zurückzahlen? Oder E&Y? Wer das hofft, glaubt wohl auch, dass ein deutscher Finanzminister etwas von Finanzen verstehen müsste. Oder ein Gesundheitsminister von Gesundheit.

Bereits sind vollmundig die ersten Schadenersatzklagen gegen E&Y angekündigt. Anwälte sammeln wie blöd Geschädigte, obwohl es in Deutschland das Instrument der Sammelklage leider nicht gibt. Ihre Honorare haben sie auf sicher, ob der Geschädigte tatsächlich Geld sieht, von Wirecard, von deren Verantwortlichen, von E&Y auf den Tisch gelegt, das ist etwa so unwahrscheinlich, wie dass sich alle Probleme von Wirecard als großes Missverständnis herausstellen.

Foto: Deutsche Fotothek‎ CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Heiko Stadler / 29.06.2020

Wie konnte das nur passieren? Man hat doch so gute Erfahrungen mit dem Baulöwen Jürgen Schneider gemacht.

Andreas Huber / 29.06.2020

“Das Testat unter den Geschäftsbericht einer DAX-Firma kann ohne Weiteres 100 Millionen Euro oder mehr kosten. ” - können Sie mir dafür bitte ein Beispiel nennen (möglichst eines,  dessen Vergütung KEINE sonstigen Beratungsleistungen enthält) ?

Burkhard Mundt / 29.06.2020

Nichts Neues unter der Sonne. Coop-Pleite in den 1980’er mit Bilanztricksereien und der Plünderung der Pensionskasse für ca. 50.000 Mitarbeiter.

R.E.Rath / 29.06.2020

Eine Rechtsänderung würde der „Unabhängigkeit“ von Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern dienlich sein. Das wäre die Zuordnung von Prüfern durch ein Losverfahren. Das könnte so geregelt sein, dass alle interessierten WPn und vBPn sich um Prüfungsmandate aus bestimmten Lostöpfen bewerbe. Denkbar wären etwa sechs Lostöpfe. In Lostopf eins kämen beispielsweise Firmen wie VW, Lufthansa und ähnliche große Firmen. Die Größe könnte durch Umsatz, Personalanzahl, Auslandsbeziehung u.ä. festgelegt werden. Wesentlich für die Zuordnung ist als weiter Maßstab das von den prüfungspflichtigen Firmen zu nennende Gesamtprüfungshonorar, das bereits ist zu bezahlen. In Topf zwei kämmen etwas kleinere Firmen und in die nächsten Töpfe noch kleinere Firmen bis im letzten Topf der prüfungspflichtige Restbestand landet. Nun können sich die Big Four um die Zulosung aus den allen Töpfen bewerben wenn sie denn wollen. Sie werden nicht wollen, da sie vermutlich nur an Großfirmen wegen der zu erwartenden Honorarhöhe interessiert sind. Das Wichtigsten an dieser Regelung wäre aber, dass es keine Konzernprüfungen mehr geben darf, sondern dass jede Konzernmutter und jede ihrer Töchter eigene Prüfer, die anhand der Lostöpfe zu ermitteln sind, hat. Eine weitere Einschränkung zu beachten wäre, ist die, dass dort nicht geprüft werden darf, wo auch beraten wird - und sei es auch nur von eigenen Beratungsfirmen.

Gudrun Dietzel / 29.06.2020

@Ulla Schneider, große Gratulation zu Ihrem Kommentar. So einfach ist es, Sie trafen mit der Faust ins Auge. Gesunder Menschenverstand vermag das Übel zu benennen. Mehr braucht es nicht. Aber wie viele besitzen den?

Rolf Lindner / 29.06.2020

Ich kann es mir nicht verkneifen, hier eine kleine Anekdote zu berichten. Ob daran etwas typisch ist oder nicht, mag der Leser beurteilen. Jedenfalls hatten Schwiegereltern in einer DDR-Kreisstadt Besuch von einer Dame aus westlicheren Gefilden, Dienstwagen Ford Capri, Edelwohnung am Flusshang einer berühmten Universitätsstadt, was man eigentlich jedem Menschen gönnen sollte, aber nervig in ihrer protzenden Selbstdarstellung. Eigentlich war sie “nur” Pharmareferentin, was nicht anderes als ein zwar gehobener, jedoch ungeliebter Klinkenputzerjob ist, der deshalb auch relativ gut bezahlt wird. Sie erzählte unter vielen anderen tollen Eskapaden, die sie um sich ausbreitete, dass sie zweihunderttausend Mark, ihre Altersrücklagen, in einem Unternehmen angelegt hätte, das bis 20 % Rendite ausschütten würde. Als die Dame kurz danach das Zimmer verließ, feixte Schwiegervater und sagte: “Das Geld sieht sie nicht wieder.” Gut, es waren dann doch noch sechzigtausend aus der Konkursmasse. Die Dame erhielt bis zum ersten Schlaganfall Aufträge als eine Art Gnadenbrot von ihrem Arbeitgeber, lebte danach von einem Spendenfond und starb in einem zwar ordentlichen Pflegeheim, das aber in keiner Weise ihrem vorherigen Lebensstil entsprach. Der Clou des Ganzen war, als ich sie einmal in ihrem Zuhause am Flusshang besuchte, erzählte sie mir, dass sie meinem Schwiegervater erklärt hätte, wie Kapitalismus funktioniert. Man kann sich denken, wie ich in mich hineingrinste. Lehrgeld hatte sie ja reichlich bezahlt. Schwiegervater hätte wahrscheinlich nie Wirecard-Aktien gekauft.

Dirk Kern / 29.06.2020

Man muß aber auch das Positive sehen. Wirecard hatte eine Damenquote von 50% im Aufsichtsrat.

Angela Seegers / 29.06.2020

Betroffenheit ist eine deutsche „Wertmarke“. Alle sind betroffen, weil sie vorher nicht hingeguckt haben und sich betroffen fragen, wie so etwas passieren konnte. „Oh, My God, why could it happen….“ Und Gott, so es ihn gibt, antwortet, „weil du ein totaler Trottel bist, aber dir wird vergeben. Die Schäflein werden dir verzeihen und dich mit ihrem sauer verdienten Geld raus hauen. Mach dir keine Sorgen….“ Der Goldene Handschlag steht im Arbeitsvertrag und daran hat sich jeder zu halten. Macht euch keine Sorgen, ihr Tiefschläfer, nehmt noch einen Schluck aus der Pulle und guckt weiter weg. Ironie aus!!

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