Anabel Schunke / 31.10.2018 / 13:30 / Foto: Anabel Schunke / 68 / Seite ausdrucken

Wird Freiburg instrumentalisiert? Ja, mit guten Gründen!

Am Montag demonstrierten rund 1.500 Menschen gegen eine „Instrumentalisierung“ der Gruppenvergewaltigung an einer 18-Jährigen. Anlass war eine angekündigte AfD-Demo, an der laut Angaben der Polizei 300 bis 500 Menschen teilnahmen. Zuvor hatte bereits der parteilose Oberbürgermeister der Stadt Freiburg vor einer „Instrumentalisierung“ der Tat gewarnt

Wann immer in den letzten drei Jahren eine schreckliche Tat durch einen oder mehrere Asylbewerber Teile der Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzten beziehungsweise Rufe nach einem härteren Vorgehen in der Asylpolitik lauter wurden, formierten sich augenblicklich jene, deren selbstauferlegter Auftrag es ist, die Demokratie vor „Rechtspopulisten“ zu schützen, die diese Taten für politische Zwecke instrumentalisieren könnten. Eine vom ZDF am vergangenen Montag interviewte Demonstrantin bringt es auf den Punkt: Sie wolle nicht, dass diese schreckliche Tat für irgendeine Politik genutzt werde. 

Wir nehmen diese Phrasen die meiste Zeit so hin, als wäre es immer schon Usus gewesen, dass „politische Instrumentalisierungen“ etwas Böses und zutiefst Verachtenswertes seien. Tatsächlich offenbart der Anspruch, gegen eine Nutzbarmachung von Taten für politische Zwecke auf die Straße zu gehen, jedoch ein interessantes Demokratieverständnis. Sind es doch stets Taten, Geschehnisse oder „Verwerfungen“, die die Grundlage für Kritik und darauffolgende politische Veränderungen bilden. 

Jedenfalls ist mir nicht bekannt, dass jemand Robespierre oder einem anderen Anführer der revolutionären Kräfte zu Beginn der Französischen Revolution eine „politische Instrumentalisierung“ unterstellte, weil er die Kritik des gemeinen Franzosen, der es satt hatte zu hungern, ausformulierte und politische Veränderung forderte. 

Die Mehrheit der Saudis zerstückelt keine politischen Gegner

Es wäre mir auch nicht bekannt, dass jemals jemand den Grünen die „politische Instrumentalisierung“ der geplanten Rodung des Hambacher Forsts oder der Vermüllung der Weltmeere vorgeworfen hätte, obwohl die Haltung der Grünen hierbei als besonders bigott anzusehen ist, da sie es ja selbst waren, die eben jener Rodung damals zugestimmt hatten. Seit Jahrzehnten instrumentalisiert diese Partei erfolgreich Naturkatastrophen, Reaktor-Unglücke und dergleichen für ihre politischen Zwecke. Und sollte es jemals tatsächlich einen CO2-Toten geben, können Sie auch hier ahnen, wer als Erster zur Stelle sein wird, um dies für seine „politischen Zwecke“ zu instrumentalisieren. 

Niemand wirft der Linkspartei die Instrumentalisierung des Falls Kashoggi oder der Gefechte in Syrien vor, wenn sie diese zum Anlass nimmt, um gemeinsam mit linken Demonstranten für einen Stopp von Waffenlieferungen zu demonstrieren. Dabei ist auch der Fall Kashoggi ein Einzelfall. Die Mehrheit der Saudis zerstückelt keine politischen Gegner. Und auch die SPD muss nicht fürchten, wegen politischer Instrumentalisierung auf der medialen Anklagebank zu landen, wenn sie mit Putzfrauen Podiumsdiskussionen über zu geringe Löhne führt. Warum nicht?

Was all diese Beispiele aus der Gegenwart zeigen, sind ganz normale gesellschaftliche Prozesse innerhalb einer Demokratie. Es passieren Dinge, die Bürgern missfallen. Das jeweilige politische Lager, das dieses Missfallen teilt und am aktuellen Zustand etwas ändern will, greift diese Kritik auf und instrumentalisiert sie für die eigenen politischen Zwecke, um gewählt zu werden und im Bestfall im Anschluss die gewünschte Veränderung herbeizuführen. Das war, ist und wird immer so sein. Bei den Grünen genau wie bei der AfD.  

Ziel ist ein Diskussionsverbot

Die Frage, die sich aus der erst seit kurzem aufkommenden Kritik an politischer Instrumentalisierung, die komischerweise nur die Themen Islam und Einwanderung betrifft, ergibt, ist also: Wer, wenn nicht die Politik, sollte Adressat sein, wenn etwas passiert, von dem die Menschen nicht mehr wollen, dass es passiert? Ist es nicht sogar so, dass der einzige „Sinn“, dem man schrecklichen Dingen nachträglich verleihen kann, in dem Willen zur Veränderung der Zustände liegt, die diese Dinge erst möglich gemacht haben?

Wenn Politiker wie unser geschätzter Herr Oberbürgermeister, das Spitzenpersonal der meisten anderen Parteien und Teile der Bevölkerung also sagen, man müsse eine politische Instrumentalisierung verhindern, geht es tatsächlich nicht um eine Eindämmung extremistischer Tendenzen innerhalb der Gesellschaft, sondern darum, gewisse Dinge als unabänderliches und vor allem nicht zu diskutierendes Faktum darzustellen.

Jedwede Diskussion über die politischen Ursachen und eine Veränderung des Status quo soll verhindert werden. Taten wie in Freiburg werden als Naturgewalt dargestellt, die in keinem Zusammenhang mit politischen Entscheidungen stehen. Wer dennoch für politische Veränderungen in diesen Fragen auf die Straße geht, ist Nazi und instrumentalisiert. Wer nicht instrumentalisiert, sind hingegen Leute, die Gruppenvergewaltigungen, Morde und Terroranschläge zum Anlass nehmen, um ihren Entwurf einer „bunten“ und „weltoffenen“ Gesellschaft  immer und immer wieder unter die Menschen zu bringen. 

Nein, das ist mitnichten ein Aufstand anständiger Demokraten. Es ist eine Kampfansage tolitär denkender Anti-Demokraten, die die Deutungshoheit über das beanspruchen, was diskutiert und politisch verändert werden darf und was nicht. 

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Leserpost

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Peter Gegesy / 31.10.2018

Ist das Wort „Instrumentalisieren“ schon mal zum Unwort des Jahres gewählt worden? Ich glaube kaum. Wenn doch, so könnte man es noch zum Unwort des Jahrzehnts küren. Wenn jemand es im politischen Diskurs verwendet, so legt er dabei meistens Zeugnis ab von Heuchelei, Verlogenheit und geistiger Armut.

Martin Müller / 31.10.2018

Sehe ich exakt auch so. Leider wird aber in den Mainstreammedien immer und immer wieder verbreitet, die Taten würden instrumentalisiert von rechten Kräften, die Feinde der demokratischen Ordnung wären. Diese Macht ist schwer zu durchbrechen, solange es keinen starken medialen Gegenpol gibt. Die Hoffnung liegt in der Meinungsvielfalt des Internetes, aber die hat man ja auch schon im Visier.

Fred Anton / 31.10.2018

Die Linken instrumentalisierten die AFD Demonstration, um ihre Vorstellungen von einer richtigen Politik nach außen zu tragen. Einer Politik, in der die Rechten nichts zu suchen haben. Sie demonstrieren also gegen die AFD. Und das ist alles so in Ordnung. Jeder instrumentalisiert immer irgendetwas wie auch der Autor richtig bemerkt hat.  Aber es ist ganz richtig, einen Vorwurf an die AFD zu richten, sie würden eine Tat instrumentalisieren Ist völlig albern. Es ist eine Demonstration gegen Rechts und damit basta.

Chris Hofer / 31.10.2018

Man soll, ja man muss sogar solche Verbrechen “instrumentalisieren”. Den Mord an Khashoggi ebenso wie die äusserst grausame Vergewaltigung der jungen Frau. Denn wie sonst sollen solche Verbrechen denn beurteilt werden können? Regierungs-und Parteimitglieder sollten sich den blöden Spruch; “Nur keine Pauschalisierenden, nur keine Instrumentalisierungen” schleunigst abgewöhnen, ebenso wie die ewigen elenden Bevormundungsversuche von Intelligenten Mitbürgern. Auf alle Fälle intelligenter als die Bevormunder. Das Bevormunden-Wollen hat sich in letzter Zeit besonders schlimm eingespielt. Alle diese Typen sollen den Mund halten. Sie hatten und haben schliesslich auch nichts gegen Pauschalisierung beim Einlass von Migranten. Diese werden pauschal eingelassen, undiskriminierend nach Absicht und/ oder Herkunft und/ oder Verheimlichen der Identität. Solange die europäische Mehrheit mit derartigen Zumutungen leben muss, sollen die Zumuter, sprich Politiker, gefälligst den Mund halten, wenn die Menschen dann auch die pauschalisiert Eingelassenen pauschalisiert als potentielle Vergewaltiger, Terroristen oder sonstige Kriminelle betrachten. Wer das nicht will, soll halt an der Grenze - die man durchaus schützen kann, solange man nicht Rot/Grün/Merkelig ist- schon die Pauschalisierung bekämpfen.

Dirk Jungnickel / 31.10.2018

Ich fühle mich wieder einmal “unterschriftsberechtigt”, Frau Schunke. Nur:  Ob   ausgerechnet Robespierre als Beispiel einer   “politischen Instrumentalisierung“ der Umstände und deren Verquickung mit politischen Absichten taugt sei dahin gestellt.  Er mutierte bekanntlich zum Bluthund der Revolution und landete auf dem Schafott.  Die unglaubliche Bagatellisierung der von Ihnen angesprochenen Verbrechen ist wie das Pfeifen im Walde einer verblendeten Gesellschaft, die Angst davor hat, dass hinter den Bäumen die allseits bekannte Wahrheit lauert und aus dem medialen Schatten treten könnte.

Markus Timmermeister / 31.10.2018

Sehr geehrte Frau Schunke, vielen Dank für den, wie immer,  prägnanten Artikel.

Horst Brackholz / 31.10.2018

Liebe Frau Schunke, Robespierre hat mit ganz anderen Instrumenten instrumentiert. Glaube seine Zeitgenossen hatten dringendere Sorgen in Bezug auf ihn als sich der kritischen Exegese seiner Reden zu widmen.

Alexander Damaskinos / 31.10.2018

“Nein, das ist mitnichten ein Aufstand anständiger Demokraten. Es ist eine Kampfansage tolitär denkender Anti-Demokraten, die die Deutungshoheit über das beanspruchen, was diskutiert und politisch verändert werden darf und was nicht.” Dieser Satz gehört wirklich in Gold eingerahmt. Man kann gar nicht deutlich genug herausstellen, dass es gerade die linken Parteien, Gruppen und fast alle Medien sind, die in extremster Weise Unglücke für ihre Zwecke instrumentalisieren. Das beste Beispiel haben Sie nicht erwähnt: Den Holocaust. Dieser wird millionenfach schamlos instrumentalisiert um alle, die man “rechts” verortet, zu bekämpfen. Soll heißen, wenn man den “Kampf gegen Rechts” nicht unermüdlich und intensiv fortführt, erwarten uns Völkermord, Barbarei, Krieg usw…

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