Gastautor / 15.01.2025 / 14:00 / Foto: K.I / 18 / Seite ausdrucken

Unterm NATO-Schirm baut Erdogan die Bombe

Von Michael Rubin.

Erdoğan strebt nach einer türkischen Atombombe. Seine Mittel und Motive ähneln denen des Iran. Aber anders als Iran ist die Türkei durch die NATO geschützt.

Eine iranische Atomwaffe würde die Lage im Nahen Osten grundlegend verändern. Sollte die Islamische Republik Iran in den Besitz von Atomwaffen gelangen, würde sich die iranische Führung zumindest durch ihre eigene nukleare Abschreckungswaffe so sicher fühlen, dass sie ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen Terrorismus exportieren könnte. Iranische Attentäter könnten Amerikaner auf der ganzen Welt ermorden, und selbst die kämpferischste Regierung in Washington würde aus Angst vor einer Eskalation zögern, militärisch zu reagieren.

Viele Realisten argumentieren, dass die Welt, sogar Israel, mit einem atomwaffenfähigen Iran leben könnte, weil die Islamische Republik nicht selbstmörderisch sei. Das ist jedoch ein Strohmann-Argument. Das Frage war nie, ob das Regime selbstmörderisch ist, sondern eher, ob es unheilbar krank ist. Das Kommando über jeden iranischen Schlag würde beim Korps der Islamischen Revolutionsgarden liegen, der radikalsten und ideologisch reinsten Truppe des Iran. Der Anstieg landesweiter Proteste und offene Fragen zur Nachfolge werfen Fragen auf zur Stabilität des Iran. Kein Regime ist für die Ewigkeit. Sollte der Untergang der Islamischen Republik unvermeidlich werden – man denke an Rumänien 1989, als das Regime von Nicolae Ceaușescu um ihn herum zusammenbrach –, könnten die „wahren Gläubigen“, die das iranische Atomwaffenarsenal in den Händen halten, losstürmen, um das zu erfüllen, was sie für ihr ideologisches Schicksal halten. Es gibt keine Möglichkeit, einen solchen Angriff abzuschrecken, denn weder Jerusalem noch Washington würden grundlos Millionen von Iranern töten, nachdem das Regime, das sie ebenfalls hassen, zusammengebrochen ist. In einem solchen Szenario würde das Prinzip der Abschreckung scheitern.

Israel könnte keine andere Wahl haben, als in den kommenden Monaten das iranische Atomprogramm anzugreifen. Experten mögen zwar argumentieren, dass der Erfolg der USA und Israels beim Abschuss von Drohnen und Raketen im April und Oktober 2024 Israel Zeit verschafft hat, doch sie interpretieren die Situation völlig falsch: Wenn sieben von 300 Raketen und Drohnen durchkämen, wie es bei der ersten iranischen Salve der Fall war, und dabei chemische, biologische oder radiologische Sprengköpfe trügen, dann wäre alles verloren.

Wie ein Déjà-vu

Während sich die Welt auf die iranischen Atomwaffen konzentriert, erwächst von anderer Seite eine versteckte nukleare Bedrohung. Das von Russland gebaute erste Atomkraftwerk der Türkei wird wohl dieses Jahr in Betrieb genommen. Die Auffassung, dass die Anlage proliferationsresistent sei, beruht lediglich auf Zusicherungen Ankaras und Moskaus. Selbst wenn es in der Anlage selbst nicht zu einer Proliferation kommt, könnte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Strategie des Obersten Führers des Iran Ali Khamenei wiederholen. Der Iran nutzte seinen von Russland gebauten Bushehr-Reaktor, um Aufträge und Importe zu legitimieren, die er dann zur Versorgung seines heimlichen Atombomben-Programms umleiten konnte.

Bereits anlässlich des hundertsten Jahrestags der türkischen Unabhängigkeitsbewegung vor etwas mehr als fünf Jahren deutete Erdogan Atomwaffenambitionen an. „Etliche Länder haben Raketen mit Atomsprengköpfen, nicht nur eines oder zwei. Aber [sie sagen uns], dass wir sie nicht haben können. Das kann ich nicht akzeptieren“, erklärte er. Das war kein einmaliges Ereignis. Am 7. September 2024 veröffentlichte Hayrettin Karaman, Erdogans persönlicher Theologe, einen Aufsatz, in dem er argumentierte: „Entweder muss sich die islamische Welt zusammenschließen und mit China und Russland zusammenarbeiten, oder die Türkei muss durch den Erwerb von Atomsprengköpfen und -waffen vorankommen.“ Erdogan hat sich offenbar für beides entschieden.

Und wie der Iran scheint auch die Türkei an einer Trias der Bewaffnung arbeiten: Anreicherung, Sprengkopfentwicklung und Belieferung mit angereichertem Material. So trafen sich beispielsweise ab 2021 hochrangige türkische und pakistanische Generäle und Leiter der Militärindustrie, um über Systeme der Beliefeurng zu diskutieren.

Es ist wie ein Déjà-vu, nur mit einem wichtigen Unterschied: Während Israel den Iran angreifen kann, ist die Türkei durch ihre NATO-Mitgliedschaft vor ähnlichen Präventivmaßnahmen geschützt. Erdogan mag den Westen verachten und sein wichtigstes Verteidigungsbündnis hassen, aber er zieht die Türkei aus zwei Gründen nicht aus dem Bündnis zurück: Erstens kann er die Konsensbestimmungen der NATO nutzen, um sie von innen heraus zu lähmen, und zweitens will er die gegenseitigen Verteidigungsverpflichtungen der NATO zumindest so lange aufrechterhalten, bis die Türkei die Bombe bekommt, wodurch er die NATO faktisch als Schutzschild gegen Israel einsetzt. Das ist wie ein trojanisches Pferd.

Irans nuklearen Ausbruch zu stoppen, mag Washington und Jerusalem in Anspruch nehmen, aber Erdogan, der durch den gleichen irrationalen Antisemitismus wie Khamenei motiviert ist, könnte, auch dank der NATO, die nukleare Ziellinie zuerst erreichen.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Middle East Forum.

 

Michael Rubin ist Direktor für politische Analysen beim Middle East Forum und Senior Fellow am American Enterprise Institute.

Foto: K.I

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Ralf Pöhling / 15.01.2025

2/2 Das bedeutet, die globale Weltherrschaft des (radikalen) Islam. Jede Form des Säkularismus oder auch orthodoxen Christentums ,so wie es in Osteuropa vorherrscht, sind damit in Gefahr. Natürlich gilt dies auch für den Protestantismus und den römischen Katholizismus in Europa. Die beiden letztgenannten haben sich aber bereits als wehrlos gegenüber dem Islam der Muslimbrüder erwiesen. Insbesondere weil unsere politischen Strukturen hier bereits massiv unter Druck von Erdogans (geheimdienstlichen) Auswüchsen stehen, die eben wegen der NATO Mitgliedschaft der Türkei sich hier relativ frei bewegen können. Sollte die Türkei vom Westbündnis verteidigungspolitisch vollends in Richtung BRICS wechseln, wird dies dort wohl genauso sein. Die Türkei agiert mittlerweile genauso imperial und frontal wie die USA. Mit dem Unterschied, dass die Türkei im Vergleich zu den USA, die meist an eingefrorenen und leicht zu verteidigenden Grenzen interessiert sind, es nicht bei eingefrorenen Grenzen belassen wird. Ich erinnere daran, dass in der Erdogan Türkei nicht nur die Muslimbruderschaft das Ruder hält, sondern auch die alte Osmanische Großmannssucht wieder Einzug gehalten hat. Was auch das Engagement Erdogans in Richtung EU Mitgliedschaft erklärt. Das Gefährdet also alles nicht nur Israel, sondern auch die EU und damit letztlich jeden in Europa, der nicht selbst islamisch tickt. Dies gilt also auch für Indien, China und eben Russland. Es wäre deshalb mithin zielführend, wenn die drei letztgenannten die Türkei genauso auf der Weltbühne isolieren würden, wie der Westen das jetzt auch tun sollte. Eine Türkei unter Erdogan mit Atomwaffen wäre das selbe, als hätte der IS Atomwaffen. Die Verbindung IS -> Erdogan Türkei ist belegt. Und einen IS mit Atomwaffen kann auf diesem Planeten niemand tolerieren. Niemand. Seien es Amerikaner, Europäer, Russen oder Asiaten und Ostasiaten.

Ralf Pöhling / 15.01.2025

1/2 Perfekte Analyse. Ich warne vor diesem Szenario seit Jahren. Die subversive Rolle, die der Iran in Nahost spielt, spielt seit etwa 20 Jahren in Europa die Türkei. Dass es sich hier mal um Schiiten, mal um Sunniten handelt, ist irrelevant. Beide Länder sind nur pseudo-islamische Staaten, die die Religion zuvorderst zur Steuerung ihrer Völker nutzen. Während die Islamische Republik dabei bereits ihren Zenit überschritten hat und die junge Bevölkerung etwas freieres haben will, so ist dies bei der Türkei und ihrer Enklave in Deutschland genau umgekehrt. Da sitzt Erdogan immer noch sehr fest im Sattel, weil seine Anhängerschaft noch nicht so alt ist. Dass das junge Volk im Iran nicht die Entscheidungsgewalt über ein potentielles Atomarsenal hat, ist sicher richtig. Im Falle eines Systemzusammenbruchs wäre da aber relativ schnell Ruhe. In der Türkei sieht das anders aus, was sie derzeit zum gefährlicheren Gegner macht. Insbesondere auch deshalb, weil der türkische MIT in der EU ein- und ausgeht, als wäre dies bereits türkisches Territorium und man eben auch NATO Mitglied ist, was den Türken seit Jahren eine gewisse Narrenfreiheit gibt und die das Schachspiel zwischen Ost und West mittlerweile sehr gut beherrschen. Ich erinnere an die Diskussion um die US Atomwaffen in Incirlik. In dem Zusammenhang einen ganz herzlichen Gruß nach Neu Dehli, Peking und ganz besonders nach Moskau: Während die Tschetschenen in Russland relativ leicht einzubinden waren, wird dies bei der Türkei nicht der Fall sein. Die Türkei hat sich mit der Umstellung auf das Präsidialsystem systemisch den USA angenähert und das Militär vom säkularen Korrektiv des Atatürk zum quasi nationalsozialistischen Wurmfortsatz des türkischen Präsidenten umgewandelt. Ich erinnere daran, dass Hitlers “Mein Kampf” dort seit etwa 20 Jahren der Dauerbrenner ist. Die Türkei verfolgt durchgehend eine eigene imperiale Strategie unter der ideologischen Vorherrschaft der Muslimbrüder. Gleich weiter…

dr. gerhard giesemann / 15.01.2025

Menschen sind eben das letzte, was man um sich haben will, @T. Die Welt ist voller Tücken, Wien 1683 (Inschrift an der Wand eines Pissoirs in Wien).

Dr Stefan Lehnhoff / 15.01.2025

1. Wenn Sie sich mit den militärischen Realitäten beschäftigt hätten, wüssten Sie, dass nicht nur 7 Raketen „durchgekommen“ sind, sondern der Iran die klare Botschaft geendet hat, wir können , wenn wir wollen. Israel hat ähnliches getan und deswegen ist Ruhe. 2. Natürlich kann man einfach mal den anderen als den Bösen erklären, aber es gibt keinerlei Rechtfertigung,,einem Staat die Atombombe zu verwehren- am ehesten noch den USA, denn sie haben ohne jede militärische Rechtfertigung 2 mal davon Gebrauch gemacht und das auf zivile Ziele. Der einzige Weg wäre die weltweite Ächtung und nicht zuletzt der Wertewesten hat eher das Gegenteil befördert. 3. Es gibt keine Beistandsverpflichtung im NATO Vertrag- einfach mal genau lesen! Dieser Text schützt historisch wie objektiv lediglich US- (Elite) Interessen.

Wolfgang Richter / 15.01.2025

“und selbst die kämpferischste Regierung in Washington würde aus Angst vor einer Eskalation zögern, militärisch zu reagieren.” - Das glaube ich eher nicht, denn aktuell rechnen US-Strategen ja offensichtlich durch, ob und wie man eine entsprechende Eskalation bezüglich rußland und auch China militärisch und damit auch staatlich überleben könnte. Das arrogante Vertrauen in die eigenen eingebildeten Fähigkeiten scheint diesbezüglich eher grenzen- und bedenkenlos. Könnte fatal enden.

Hans-Joachim Gille / 15.01.2025

Frage mich, wie das der Sultan finanziert? Mehr pleite sein, als die Okkupanten der Levante, genannt Türken, geht nicht.

P. Bruder / 15.01.2025

Und dann gibt es Menschen, die die NATO seit dem Ende des Warschauer Paktes für obsolet halten! Die Türkei hält sich offenbar zumindest an das 2%-Ziel, das stärkt unser Verteidigungsbündnis.

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