Rainer Bonhorst / 27.07.2019 / 12:00 / Foto: Unknown / 31 / Seite ausdrucken

Wird Boris eine Theresa oder eine Margaret?

Premierminister werden ist, nun ja, nicht leicht, Premierminister bleiben dagegen verdammt schwer. Wie lange werden wir uns an Boris Johnson erfreuen können? Wird aus Boris womöglich eine Theresa? Oder nicht mal eine halbe Theresa? Mrs. May hat es immerhin auf drei Jahre in Downing Street Nummer 10 gebracht. Für Boris Johnson sieht am Start seiner Premierministerei eine solche Distanz wie ein kaum zu bewältigender Marathon aus. Der 31. Oktober lauert hell oder düster am Horizont. Oder wird Boris eine Margaret? Mrs. Thatcher hat eine ganze Ära geprägt. Johnson scheint entschlossen, es ihr gleich zu tun.

Goldene Zeiten hat er seinen Landsleuten bei seiner Antrittsrede im Unterhaus versprochen. England könne für seine Bürger der großartigste Platz auf der Welt sein. Wir wollen es den Briten gönnen. Sie haben schwere Zeiten hinter sich. Und nichts ist unmöglich. Selbst aus dem einst armen Agrarstaat Bayern ist (der großartigste Platz der Welt?), na sagen wir: keine schlechte Adresse in Deutschland geworden.

Hier sind die Hürden, die Boris überwinden muss, um eine Johnson-Ära, vergleichbar mit Margaret Thatchers elf Regierungsjahren, hinzulegen:

Da ist zunächst einmal die mathematisch prekäre Situation im Parlament. Der neue Premierminister führt dank Theresa May eine Minderheitsregierung, die von einer Gruppe knallharter und widerborstiger Nordiren toleriert wird. Und da demnächst mal wieder eine Nachwahl ansteht und wahrscheinlich verloren geht, wird sein Spielraum noch enger. Hinzu kommt, dass von einer Fraktionsdisziplin nach treudeutscher Art kaum die Rede sein kann. Westminster ist ein Parlament der Überraschungen.

Boris Johnson wird fälschlich mit Donald Trump verglichen.

Und dann ist da natürlich die Hauptsache, also das, was für die eiserne Lady die Zähmung der Gewerkschaften war: Das Brexit-Abkommen, das Theresa May ausgehandelt hat, und das mehrmals im Unterhaus abgeschmettert worden ist. Kann Brüssel dem ungeliebten Boris Johnson mehr geben, als man der immerhin geachteten Mrs. May gegeben hat? Im Prinzip: nein. Allerdings haben es die Brüsseler diesmal nicht mit einer notleidenden Theresa zu tun, sondern mit einem eisernen Boris. Und der lässt keinen Zweifel daran, dass er jederzeit vom Verhandlungstisch aufsteht und Ende Oktober seinen Brexit ohne Vertrag durchzieht. Boris Johnson wird fälschlich (abgesehen von der Haartracht) mit Donald Trump verglichen. Als Unterhändler könnte er sich für Brüssel tatsächlich als ein zweiter Trump erweisen.

Aber es muss nicht hardball gespielt werden. Vielleicht gibt es ja eine unerwartete Romanze. Ich spreche vom Von-der-Leyen-Faktor. Was immer die Kommissionschefin jetzt noch sagt: Da treffen sich demnächst zwei alte Brüsseler. Boris, der gebürtige New Yorker, ist in Brüssel zur Schule gegangen und hat dort als EU-Korrespondent für den Daily Telegraph gearbeitet; Ursula von der Leyen ist sogar in der Stadt geboren, in der sie nun als Europa-Chefin arbeitet. Und sie hat in der Stadt, die Johnson als Bürgermeister geführt hat, studiert: an der London School of Economics. Beide sind im Französischen, Brüssels wichtigster Sprache, zu Hause. Wer weiß, was dem frankophonen Duett so alles einfallen kann, wenn sich die beiden am Grand-Place tief in die Augen schauen. Wie singt der Sänger? Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben.

Ich bitte, diesen heiter-romantischen Einschub in dieses bitterernste Thema zu entschuldigen. Soviel aber kann man auch in bitterem Ernst sagen: Das Spiel ist noch lange nicht ausgereizt.

Ja, Boris Johnson läuft Gefahr, ein Drei-Monats-König zu werden, wenn er ohne „Deal“ nach Hause kommt; wenn er daheim eine klares „no“ zum harten Brexit einsteckt; wenn er seine Wackel-Mehrheit im Unterhaus verliert und wenn er zu  Neuwahlen gezwungen wird. Sollte er aber mehr erreichen als Theresa May, beginnt ein ganz neues Spiel. Und die Chance auf eine Boris-Johnson-Ära. Schon jetzt, während des dreijährigen Chaos um den Brexit hat sich die britische Wirtschaft als erstaunlich robust erwiesen. Nach dem Ende der Ungewissheit könnte England die Katastrophen-Propheten erst recht eines Besseren belehren. Es muss ja nicht gleich ein goldenes Zeitalter sein. Bronze täte es auch.

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Karla Kuhn / 27.07.2019

Aus Boris wird wahrscheinlich weder eine Theresa noch eine Margaret. Wobei ich sagen muß, daß mir Frau May 1000 mal sympathischer ist als Margaret, die die ehemalige Industreistadt Manchaster ruiniert hat, darum sollen ja bei ihren Tod auch viele Menschen in Manchester auf der Straße getanzt haben ! Johnson ist ein FUCHS und hier auf der Achse sollten solche Artikel, die nur VERMUTUNGEN sind, wo man auch nur mit Vermutungen antworten kann, es sei denn wir haben Glaskugeln, nicht erscheinen. Die sind nämlich typisch Mainstream.  Genau so ist es, Herr Dr. Böttger !

B. Jacob / 27.07.2019

Nun, eines muss man über die eiserne Lady sagen, sie hat ihr Land patriotisch geliebt und anderen die Zähne gezeigt. Während unsere Bonzen es nicht nötig haben bei einheimischen Opfern zu kondolieren und der Gewalt gegen zu steuern, ist sie sofort nach dem Terrorattentat nach Lockerbie gereist und hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt für die Opfer nach dieser grausamen Tat zu kämpfen. Die Gewerkschaften die in Deutschland ein großes wirtschaftliches Übel sind, weil sie als Konzernhuren, halb von Mitgliedern und halb von Konzernen bezahlt den Mittelstand mit überhöhten Forderungen für wenige platt gemacht haben und für die SPD die Mehrheit der Arbeitnehmer in Billiglohnarbeit trieb und in GB die Wirtschaft bedrohten klar Kante gezeigt. Trotz ihrer Fehler, sie war eine große Frau, die für ihr Land gekämpft hat.

Frank Volkmar / 27.07.2019

Ich würde vermuten, das er mit einem “Deal” mit den USA Erfolg haben wird, da dies auch in entscheidendem Interesse für Trump sein dürfte im Hinblick auf einen harten Brexit, der für Johnson kalkulierbarer wird. Fatal ist, das die Merkel-Regierung in der Vergangenheit eine völlige Untätigkeit an den Tag gelegt hat bezüglich Großbritannien und das Votum für den Brexit mit ihrer sogenannten, (rechtswidrigen) Flüchtlingspolitik erst entscheidend befördert hat. Und was macht die EU ? Nichts ! Reformen ? Nein ! Dieses “Leyenspiel” was da aufgeführt wird ist so niveaulos, das offenbar wird was diese “Eliten” von dem Bürger halten, der das “schlucken” soll.

Rainer Niersberger / 27.07.2019

Offen gestanden ist mir ein Rätsel, woher bei manchen männlichen Autoren die Erwartungen an oder gar die Vorschlusslorbeeren für vdL kommen, ohne die Tiefenpsychologie zu bemühen. Inzwischen sind ihre Sozialisation und ihre Frankophilie sattsam bekannt. Warum diese Faktoren bereits zu Hoffnungen oder mehr an eine Politikerin Anlass geben, verstehe ich nicht. Ganz im Gegenteil sollte man aus verschiedenen, sehr guten, um nicht zu sagen existentiellen, Gründen, dem Streben des Herrn Macron z.B. sehr deutlich entgegentreten. Davon abgesehen sind mir keine weiteren Skills der Dame bekannt, die mich als ExPersonaler „ begeistern“ und ihre bisherigen Funktionen geben da - vorsichtig formuliert - sehr wenig Positives her, es sei denn, die euphorisierten Herren schätzen ihren Hang zum Nepotismus als Qualität für diesen Job ein. Bei Herrn Johnson warten wir mal ab, bei Frau vdL will ich gar nicht abwarten, ausnahmsweise mal sachlich/ nüchtern betrachtet.

Dieter Kief / 27.07.2019

Warten wir’ in Ruhe ab. Unterdessen kann, wer des Englischen mächig, einen überaus informativen Artikel über Boris Johnson gratis online lesen auf Claire Lehmanns sowieso brillanter Seite Quillette.com aus der Feder von Toby Young.

Wolfgang Kaufmann / 27.07.2019

Für mich ist Johnson Teil eines Paradigmenwechsels weg vom pseudoakademisch schwurbelnden Salonsozialismus feministischer Prägung zurück zu klaren Ansagen nach Art des alten weißen Mannes. Immer mehr Wähler haben die Nase voll von harmoniesüchtiger Shitholisierung und hormongetriebener Soumission. Auch bei uns haben Merz und Maaßen mehr Zukunft als Maas und Merkel.

Hermann Neuburg / 27.07.2019

Meint der Autor, dass Mr. Juncker eine “lame Duck” ist? Er ist bis zum 31.10. im Amt. Ja, die Neue kann Einfluss haben, Macht hat sie in den entscheidenden Monaten aber nicht. Und will die EU Boris Johnson helfen? Nein. Sie wird, wie bisher, die erfolgreiche Taktik fortführen, die den Engländern die Schuld in die Schuhe schiebt. Die EU ist an einem starken Nationalstaat mit einen starken Premierminister eben gerade nicht interessiert. Insofern bleibt die Frage nur: No-Deal-Brexit oder kein Brexit - bis zum 31.10.19.  Ich hoffe auf ein No-Deal-Brexit, gebe diesem auch eine etwas größere Wahrscheinlichkeit. Und dann wird Boris Johnson zu einem großen, das Land einigenden Premier werden, eben doch eher Margret als Theresa.

Jens Richter / 27.07.2019

Eine Rede ist eine Rede ist eine Rede. Und sonst erstmal gar nichts. Viel interessanter für mich sind die beiden Reflexe darauf, die in Deutschland zu beobachten sind: Verdammung auf der einen, Jubel auf der anderen Seite. Für die EU-Verächter ist die Rede eines EU-Verächters immer grandios. Kann der überhaupt eine schlechte Rede halten? Für EU-Befürworter gilt naturgemäß das Gegenteil. Da die allermeisten Produkte, die im UK Verwendung finden (Autos, Großfahrzeuge, Qualitäts-Werkzeuge aller Art), aus der EU stammen und nicht mal eben durch “Commonwealth-Produkte” ersetzt werden können, wird’s für die Bürger im UK durch den Zollaufschlag fast alles teurer. Ausgenommen natürlich die gesamte (Mikro-)Elektronik, die fast ausnahmslos Made in China ist. Wie wichtig dagegen britische Produkte für den EU-Bürger sind, darf jeder durch Hingucken überprüfen. British washing machines anyone?

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