Wirbel um den Dollar im Anmarsch?

Sollte Donald Trump wieder Präsident der USA werden, steht möglicherweise eine Abwertung des Dollars ins Haus. Das würde US-Exporte verbilligen und Importe verteuern – China lässt grüßen. Aber auch Deutschland ist betroffen.

Sollte Donald Trump zum zweiten Mal Präsident werden, würde er wohl anstreben, den US-Dollar – den Dreh- und Angelpunkt des Weltfinanzsystems und die wichtigste Reservewährung – einseitig abzuwerten. Das berichtete die zum Axel Springer Verlag gehörende amerikanische Tageszeitung Politico.

Nach Angaben von Politico diskutieren Trumps Wirtschaftsberater „aktiv“ darüber, wie der Dollar schwächer gemacht werden könne, um die amerikanischen Exporte zu stärken, selbst wenn dies auf Kosten des Status des Dollars als Reservewährung gehe und ungeachtet des Risikos, dass ein billigerer Dollar höhere Inflation in den USA nach sich ziehen – und somit die Kaufkraft der Bevölkerung schwächen – würde.  

Der wichtigste Befürworter einer Abwertung ist dem Bericht zufolge Robert Lighthizer, der zwischen Mai 2017 und Januar 2021 Handelsbeauftragter der Vereinigten Staaten im Kabinett Trump war. Eine nicht namentlich genannte Quelle sagte gegenüber Politico, dass eine „Neubewertung“ der Währung für einige von Trumps Top-Beratern „wahrscheinlich eine Priorität“ sei, falls Trump nach den diesjährigen Präsidentschaftswahlen ins Weiße Haus zurückkehre.

Was man sieht und was man nicht sieht

Wozu soll das dienen? Nehmen wir an, der US-Dollar und der Euro stünden auf Parität, ein Dollar würde also gegen einen Euro getauscht. Wenn nun ein Satz Autoreifen etwa in den USA 200 Dollar kostet, kostet er, wenn wir Zölle, Steuern, Frachtkosten etc. einmal außen vor lassen, 200 Euro in der EU. Würde der Dollar auf einen Stand von 0,50 Euro pro Dollar fallen, dann würde derselbe Satz Autoreifen, der in den USA für 200 Dollar verkauft wird, unter ansonsten gleichbleibenden Bedingungen in der EU statt 200 Euro nur noch 100 Euro kosten. Die Europäer würden dann – laut dieser Denkschule – die billigeren amerikanischen Reifen den europäischen vorziehen. Die amerikanische Industrie und die Landwirte würden mehr exportieren. Gleichzeitig würden Importe aus dem Ausland – gleich, welcher Art – in den USA teurer, was für die amerikanischen Konsumenten einen Wohlstandsverlust bedeutet. Ist das ein Segen für die amerikanische Wirtschaft?

Wie bei vielen politischen Entscheidungen gibt es rasch eintretende Folgen, die jeder sehen kann (hier: das vermeintliche Wohl der amerikanischen Exporteure) und solche, die in der Zukunft liegen und für die meisten Menschen unsichtbar sind. Der französische Ökonom Frédéric Bastiat beschrieb dies 1850 in seinem Klassiker Was man sieht und was man nicht sieht:

„Dies ist der ganze Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Volkswirt: Der eine klebt an der sichtbaren Wirkung, der andere berücksichtigt sowohl die Wirkung, die man sieht, als auch diejenige, die man vorhersehen muss. Aber dieser Unterschied ist enorm, denn es ist fast immer so, dass die unmittelbare Folge günstig ist und die letztendlichen Folgen unheilvoll und umgekehrt. – Das führt dazu, dass der schlechte Volkswirt eine kleine gegenwärtige Verbesserung anstrebt, aus der ein großes Übel entsteht, während der wahre Volkswirt eine große zukünftige Verbesserung erstrebt auf die Gefahr eines kleinen gegenwärtigen Übels.“

Die Denkschule, die eine Volkswirtschaft vor angeblich „zu billigen“ Importen schützen will, nimmt in Kauf, dass die Konsumenten ärmer werden, weil sie höhere Preise zahlen müssen. Das Interesse des Konsumenten – wie auch das jener Industriezweige, die nicht zu den Nutznießern der Politik gehören – ist ihr egal.

Sich ärmer machen, um reicher zu werden?

Selbst der Boom, den die Exportwirtschaft durch eine Währungsabwertung erfährt, ist kurzlebig, da sie schon bald mit höheren Kosten konfrontiert sein wird. Erkauft wird der vermeintliche Vorteil durch Verzicht. Darauf wies der österreichische Ökonom Ludwig von Mises 1949 hin:

„Die vielbeschworenen Vorteile, die eine Abwertung im Außenhandel und im Tourismus mit sich bringt, sind ausschließlich darauf zurückzuführen, daß die Anpassung der inländischen Preise und Löhne an die durch die Abwertung geschaffene Situation einige Zeit erfordert. Solange dieser Anpassungsprozess noch nicht abgeschlossen ist, wird der Export gefördert und der Import behindert. Dies bedeutet jedoch lediglich, dass die Bürger des abwertenden Landes in dieser Zeit weniger für das bekommen, was sie im Ausland verkaufen, und mehr für das bezahlen, was sie im Ausland kaufen; gleichzeitig müssen sie ihren Konsum einschränken. Dieser Effekt mag in den Augen derjenigen, für die die Handelsbilanz der Maßstab für den Wohlstand einer Nation ist, als Segen erscheinen. Im Klartext ist er so zu beschreiben: Der britische Bürger muss mehr britische Waren exportieren, um die Menge an Tee zu kaufen, die er vor der Abwertung für eine geringere Menge an exportierten britischen Waren erhalten hat.“ (Ludwig von Mises: Human Action. A Treatise on Economics, Bd. 3)

Dass Donald Trump meint, die amerikanische Industrie vor Importen schützen zu müssen, ist nicht neu. Nach seinem Wahlsieg 2016 führte er eine Reihe von Importzöllen ein, die beispielsweise die Stahlproduzenten schützen sollten. Die Folge war, dass darunter jener Teil der amerikanischen Industrie litt, der nun höhere Preise für Stahl bezahlen musste. Sie standen nun vor der Wahl, entweder ihre Verkaufspreise zu erhöhen und zu riskieren, Kunden zu verlieren, oder anderweitig Kosten einzusparen, etwa durch Entlassungen.

Beispiel Ronald Reagan

Bei seinem Wahlkampf 2016 wurde Trump von manchen Konservativen mit Ronald Reagan verglichen. Beide konnten Arbeiter und Gewerkschafter, die sonst die Demokraten wählen, massenhaft für sich gewinnen, nicht zuletzt dadurch, dass sie versprachen, amerikanische Arbeitsplätze vor dem Wind des internationalen Wettbewerbs zu schützen.

Auch für US-Präsident Ronald Reagan waren Importe aus Europa und vor allem aus Japan stets ein rotes Tuch. Während seines Wahlkampfes 1980 sprach er über die Probleme der amerikanischen Autoindustrie und sagte:

„Japan ist Teil des Problems. Hier kann die Regierung legitimerweise tätig werden. Das heißt, die Japaner auf die eine oder andere Weise davon zu überzeugen, dass in ihrem eigenen Interesse die Flut von Autos gebremst werden muß, während unsere Industrie wieder auf die Beine kommt... Wenn Japan so weitermacht wie bisher, wird es natürlich zu dem kommen, was man Protektionismus nennt.“

Obwohl er sich selbst als Befürworter des freien Handels bezeichnete, erließ Präsident Reagan im Laufe seiner Präsidentschaft immer wieder Strafmaßnahmen gegen Importe, die letztlich nichts anderes waren als Steuern, die den amerikanischen Verbrauchern auferlegt wurden. Er begründete dies mit dem Gebot der „Fairness“. Nachdem er 1986 die japanischen Chiphersteller gedrängt hatte, sich dazu zu verpflichten, die Preise hochzuhalten, erklärte er:

„Dieses Abkommen ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines freieren und gerechteren Welthandels und wird die Fähigkeit unserer Halbleiterhersteller verbessern, auf dem japanischen Markt fair zu konkurrieren. Es wird auch dazu beitragen, dass japanische Hersteller in den Vereinigten Staaten und in Drittländern kein Dumping von Halbleitern betreiben.“

Aus dem gleichen Grund wandte sich auch Reagan dem Devisenmarkt zu. Er glaubte, dass vor allem der japanische Yen, aber auch die D-Mark „zu niedrig“ bewertet seien, was Japan und der Bundesrepublik Deutschland angeblich „unfaire“ Vorteile verschaffte. Aus Gründen der „Fairness“ müsse die amerikanische Industrie geschützt und der Dollar abgewertet werden. Das führte am 22. September 1985 zum Plaza-Abkommen, in dem sich die G5-Staaten (USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Japan) darauf verständigten, den Dollar durch großangelegte Verkäufe der US-Währung zu schwächen. Dies hatte im Umkehrschluss eine starke Aufwertung der D-Mark und des Yen zur Folge. Auf die Schwierigkeiten, vor die das die japanischen Exporteure stellte, reagierte die japanische Notenbank mit einer Politik des billigen Geldes. Die Folge war die japanische Immobilien- und Aktienblase der späten 1980er Jahre, die 1989 platzte und einer jahrzehntelangen Krise den Weg bereitete.

Japan und Türkei als warnende Beispiele

Die derzeitige relative Dollarstärke ist auch die Folge einer im internationalen Vergleich starken US-Wirtschaft. In dieser Situation eine Politik des schwachen Dollars zu verfolgen – etwa durch extrem niedrige Zinsen und noch höhere Staatsausgaben –, könnte, wie so oft in der Geschichte, zu einem kreditgetriebenen Boom führen wie einst in Japan oder in jüngerer Zeit in der Türkei (womit nicht geleugnet werden soll, dass es riesige Unterschiede zwischen den USA und einem Land wie der Türkei gibt, angefangen, aber nicht beschränkt darauf, dass die USA sich in ihrer eigenen Währung verschulden, die sie nach Belieben selbst schaffen können, so dass ein Staatsbankrott im engeren Sinn ausgeschlossen ist).

Auch manche Ökonomen aus dem Umfeld Trumps sind nicht von der Idee einer Dollar-Abwertung überzeugt. Stephen Moore, ein Wirtschaftswissenschaftler der Heritage Foundation und informeller Berater von Trump, sagte gegenüber dem konservativen Blog Washington Examiner, dass er eine absichtliche Abwertung des Dollars nicht für sinnvoll halte. Er bestätigte auch, dass Lighthizer über einen solchen Schritt gesprochen hat. „Ich denke, dass wir einen stabilen Dollar wollen. Ich glaube, dass er für unseren Wohlstand sehr wichtig ist", sagte Moore. „Wenn der Dollar abgewertet wird, bedeutet das, dass der Wert der Dollar, die man hat, geringer ist. Das ist also keine gute Sache.“ Moore fügte hinzu, dass er glaube, dass Lighthizer recht habe, dass China seine Währung in einer Weise manipuliere, die den Vereinigten Staaten schade, und die USA gegenüber China härter vorgehen müssten – ergänzte jedoch: „Ich bin mir nicht sicher, ob eine Abwertung der richtige Weg ist.“

Ungeachtet der ökonomischen Risiken einer tatsächlichen Dollarabwertung könnte zumindest das Reden über einen solchen Schritt Donald Trump im Wahlkampf durchaus nützen. Denn maßgeblich entschieden werden die US-Präsidentschaftswahlen 2024 in drei Bundesstaaten, die stark von Exporten abhängen: Pennsylvania (Stahl, Maschinenbau), Michigan (Autos) und Wisconsin (Maschinenbau). Die Idee, dass ein schwächerer Dollar Vorteile bringen könnte – noch dazu vermeintlich kostenlose –, könnte hier Wähler im Arbeitermilieu ansprechen und Trump die Stimmen bringen, die er für einen Wahlsieg benötigt.

Foto: Youtube/Motion Graphics/Screenshot

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Leserpost

netiquette:

Mauvene Walcher / 06.05.2024

Der Dollar ist ohnehin nur eine braune Luftnmmer, der durch Kriege, Erpressung und Massenmord als internationale Rohstoffwährung gehalten wird. Vernichte den Dollar und du vernichtet die imperalistiscge Hegenomie der USA. Zum Wohle der Menschheit.

Rolf Mainz / 06.05.2024

Kehren wir doch vor der eigenen Tür: die gleiche(n) Argumentation(sversuche) wurden und werden beim Euro angewandt, um den Einwohnern der Eurozone, insbesondere in Deutschland, die stetige Geldentwertung schmackhaft zu machen. Was dies tatsächlich bedeutet, spüren manche dann erst bei Auslandsurlauben oder - viel schlimmer - beim Blick auf die dahingeschmelzende Altersversorgung und dezimiertes Realeinkommen und -vermögen. Dass Inflation Exporten nutzt, konnte nie definitiv bestätigt werden. Dass sie jedoch die Zinsen überschuldeter Staaten schont, steht fest. Und letzteres ist der Punkt: kalte Enteignung zwecks Deckung undisziplinierter Finanzpolitik.

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