Bernhard Lassahn / 25.02.2010 / 10:03 / 0 / Seite ausdrucken

Wir zwei Blaue

Schade, dass Frau Käßmann zurück getreten ist. In Bissendorf wird man darüber nicht glücklich sein. Die kleine Gemeinde - bekannt durch ein Sprachheilcentrum und durch eine Autobahnabfahrt, an der manchmal Rehe stehen -, feiert in diesem Jahr ein Jubiläum: ‚850 Jahre Bissendorf’. Ich weiß, ich bin da „von weg“. Da habe ich als Kind auf einem Nebenfluss der Ems meine Liebe zur Seefahrt entdeckt – und zur weiten Welt: „I’m looking at the river, but I’m thinking of the sea“.

Zum Jubelfest sind zwei Prominente eingeladen. Der eine davon bin ich. Na ja, richtig prominent bin ich nicht, doch die Geschichten, die ich für Käpt’n Blaubär geschrieben habe, sind über die Grenzen des Landkreises hinaus bekannt, ohne dass man weiß, wer genau dahinter steckt. Der andere „Stargast“ ist Frau Käßmann. Eine große Ankündigung mit Fotos von „uns zwei Blauen“ - sorry: ich meine von „uns zwei beiden“ - stand schon in der Neuen Osnabrücker Zeitung NOZ. Ich muss sagen: In der Gegend wird wirklich ein seltsames Deutsch gesprochen, da sagt man „abes Bein“, „auses Auge“, und „zue Tür“.

Gerne hätte ich sie getroffen. Sie ist mir sympathisch; sie erinnert mich an jemanden, den ich mag. Vielleicht wäre sie offen für ein verlorenes Schäfchen. Denn ich hatte immer schon ein distanziertes Verhältnis zur Kirche, unser Pastor musste darunter leiden, er ahnte vielleicht, dass ich wenig später austreten würde, andererseits war ich auch sehr engagiert und stets diskussionsbereit, was er bestimmt gerne bestätigt.

Mit der Frau Bischöfin wollte ich mich - wenn sie schon am rechten Ort ist - über Sprache unterhalten, und zwar nicht über die kuriosen Besonderheiten im Osnabrücker Land, sondern über die in der „Bibel in gerechter Sprache“. Sie ist eine der Mitübersetzerinnen und Unterstützerinnen dieses Projekts, in dem es heißt „Du Gott bist uns Vater und Mutter im Himmel, dein Name werde geheiligt, deine gerechte Welt komme“. Sie findet das „spannend“, denn sie möchte Gott nicht auf eine bestimmte Geschlechtlichkeit „fixieren“.

An der Stelle macht sie, wie ich finde, einen Fehler: Allein dadurch, dass sie Gott als etwas Geschlechtliches sieht, verkleinert sie ihn. Gott hat kein Geschlecht, „Vater“ ist er im übertragenen Sinne. Damit bezeichnen wir nicht sein konkretes Geschlecht, sondern offenbaren, mit welchen (notwendigerweise) unzureichenden Mitteln wir versuchen, IHN zu beschreiben. Ähnlich ist es mit der Schreibweise in Großbuchstaben, ebenfalls ein unbeholfener Versuch, auf eine andere Größenordnung hinzuweisen. Doch was soll man machen? Wir haben keine besseren Möglichkeiten. Sprache ist Menschenwerk. Der Mensch kann Gott, den Allmächtigen, grundsätzlich nicht verstehen und nicht angemessen benennen, das Göttliche bleibt uns fremd - sonst wäre es nicht göttlich.

Zwar heißt es, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbilde geschaffen hat. Doch das gilt nicht umgekehrt: Der Mensch sollte nicht, wenn er sich Gott vorstellt, in den Spiegel gucken und sich selbst zum Vorbild nehmen, vielmehr sollte er einen Moment lang nicht an sein Geschlechtsteil denken und sich Gott als etwas ganz Anderes vorstellen; als etwas, das den Menschen in seiner Sterblichkeit und Fehlbarkeit überragt.

Ihren Ansatz dagegen halte ich für eitel und für modischen Quatsch; ich sehe Gott sowieso nicht als ihre „Freundin“, solange ER das nicht auf facebook bestätigt. Das Ergebnis ihrer Umdeutung ist blamabel: Gott als eine Art Transvestit. Nein: Gott ist nicht sowohl männlich als auch weiblich, sondern weder noch. Es fällt mir schwer, gegenüber ihrer theologischen Sichtweise den Respekt zu empfinden, den ich eigentlich haben möchte.

Da ist noch etwas: Als Begründung für den Übersetzungsfehler „Apostelinnen und Apostel“ wird angeführt: Okay, zwar wären die namentlich bekannten Apostel allesamt männlich, doch im erweiterten Kreis der Apostel gäbe es Personen, bei denen der Name nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen ist. Von mir aus. Dann hieße es korrekt übersetzt: „Jesus sprach zu den Aposteln, unter denen sich möglicherweise eine Frau befand.“

Und dann sollte man sofort erklären, worin der Unterschied besteht, der so eine sprachliche Verrenkung rechtfertigt. Sonst ist es eine Rückübersetzung ins Rätselhafte. Das sollte es aber nicht sein für Protestanten, die sich auf eigene Verantwortung mit der Schrift auseinander setzen. Wenn die Übersetzerinnen etwas zu sagen haben, sollen sie es - bitte schön - sagen und nicht mit schlechtem Deutsch wie mit billigem Make-up die Inhaltslosigkeit übertünchen und wie Teenager so tun, als hätten sie ein kleines, süßes Geheimnis, mit dem sie nicht rausrücken wollen.

Sie ist Kritik gewohnt, sie wird, wie sie selber sagt, „überschüttet mit wütenden Briefen“. Sie weiß auch, was sie davon halten soll, es ist alles „nur Kritik von Männern, denen das Angst macht.“ Phhh! Da ist sie bei mir an den Falschen geraten. Meine Kumpel aus den frühen Tagen der Bissendorfer Seefahrt können bezeugen, dass ich auch bei Hochwasser keine Angst habe, und der Pastor erinnert sich bestimmt an meine große Klappe. Ich habe Argumente und Sprache. Ich glaube, davor hat sie Angst.

Ich habe mich vorbereitet und einen Text geschrieben, den ich ihr diskret zustecken wollte. Ich hatte nicht vor, großartig auf die Pauke zu hauen und womöglich unter Protest ihren Gottesdienst zu verlassen, ich wollte aber aufrichtig bleiben und die Gemeinde nicht links liegen lassen nach dem Motto: Das kann man ja doch nicht ernst nehmen, was hier abgeht.

Der Konfirmandenunterricht war gar nicht so schlecht. Einmal durften wir sogar einen eigenen Gottesdienst gestalten. Der Pastor hat mich ermutigt, mir eigene Gedanken zu machen. Ich habe ihm etwas zu verdanken. So schlecht war es wirklich nicht im näheren Umkreis des Sprachheilcentrums. Hier nun mein Text:

Die verkannte Makkabäerin

Es gibt eine neue Übersetzung der Bibel, die zum Nachdenken anregen soll. Ich habe es getan. Gleich auf dem Umschlag heißt es: Bibel in „gerechter“ Sprache.

Stopp! Müsste es nicht heißen: Bibel in „selbstgerechter“ Sprache? Denn die Gerechtigkeit, die da im Schilde geführt wird, ist nur behauptet. Was ist es überhaupt für eine? Ich habe darüber nachgedacht und finde: Es ist eine, die versucht, eine Ungerechtigkeit auszugleichen, die keine ist und nie eine war. Das sieht man an den „Makkabäerinnen und Makkabäern“. Früher hätte ich darüber gelacht oder zumindest den Kopf geschüttelt. Doch die Humorlosigkeit, die diesem Mammutwerk vorauseilt wie der Hitzestoß einer Posaune des jüngsten Gerichts, bedrückt mich. Dabei fällt mir ein: Wie viele Feministen braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?

Entschuldigung. Zurück zur Gerechtigkeit. Was ist an der neuen Formulierung gerecht? Wenn man die Leute - wie in alten Zeiten - einfach nur als „Makkabäer“ bezeichnet, tut man damit den weiblichen Angehörigen dieser Gruppierung nicht Unrecht. Da wollen wir doch - bitte - die „Kirche im Dorf“ lassen, wie Gerhard Schröder gesagt hätte. Es liegt hier keine Ungerechtigkeit vor, die noch gesühnt werden müsste. Frauen sind damit keinesfalls „ausgeschlossen“ oder „unsichtbar gemacht“. Die Pluralbildung schließt Männlein und Weiblein gleichermaßen ein und macht einfach keine Aussage zu der Frage, wie groß der jeweilige Frauen- bzw. Männeranteil ist. Das ist sinnvoll; denn das wollen wir gar nicht so genau wissen. Das hat sich bewährt. Das ist in anderen Sprachen auch so (wie Übersetzer bestimmt wissen). Es ist daher kein neuer Denkanstoß, darauf hinzuweisen, dass es auch Frauen unter den Makkabäern gegeben hat; das hatte ich mir schon gedacht (Es gibt ja auch Frauen unter Deutschen, unter Flüchtlingen und unter Christen). Wer dem Leser eine Selbstverständlichkeit auftischt, signalisiert, dass er ihn für dumm hält und stielt ihm Zeit.

Bei einem dermaßen trügerischen Begriff von „Gerechtigkeit“ fände ich es recht und billig, wenn die Neuübersetzung mit dem Hinweis verkauft würde: „Diese Bibel kann auch mit Falschgeld bezahlt werden.“ Kurz: Ich halte die „gerechte“ Sprache für die falsche Medizin zu einer eingebildeten Krankheit. Die eingebildete Krankheit ist die angebliche Ungerechtigkeit, die behoben werden soll, und die falsche Medizin ist die schlampige Pluralbildung. Die Medizin hat Risiken und Nebenwirkungen.

Die springen sofort ins Auge: Die „gerechte“ Sprache macht Pickel. Damit meine ich die Holperigkeiten, mit denen sie daherkommt. Bei Politikern mögen wir das hinnehmen. Da dürfen wir auch nicht allzu viel erwarten; da ist eine linkische Bäuerinnenfängerei üblich. Doch bei einer Übersetzung der „Heiligen Schrift“ sollte das nicht sein. Übersetzer sollten wissen, wie man einen Plural bildet und sie müssten auf Klarheit und Schönheit der Sprache größtmöglichen Wert legen, sonst können sie gleich den Untertitel nehmen „Übersetzung in unschöner Sprache“. Denn das Neue ist die Übersetzung - und ihr deutlichstes Kennzeichen sind die Pickel. Die Leser merken es sofort. Sie mögen rätseln, was mit „gerechter Sprache“ gemeint ist, wie lange es die schon gibt, und ob unsere Sprache bisher ungerecht war, ohne dass es aufgefallen wäre … eines haben alle sofort verstanden: schön ist die „gerechte Sprache“ weiß Gott nicht.

Mit dem Untertitel „in selbstgerechter Sprache“ wäre ich einverstanden. Oder „in Gender-Sprache“. Ebenso mit „Bibelübersetzung von Leuten, die einen neuen Begriff von ‚Gerechtigkeit’ durchsetzen wollen“. Das wäre zwar umständlich, das gebe ich zu, aber bei einem Übersetzerkollektiv, das tapfer mit den „Makkabäerinnen und Makkabäern“ und mit den „Hohenpriesterinnen und Hohenpriestern“ die volle Distanz von 2400 Seiten gehumpelt ist wie mit einem Handicap, dürfte Umständlichkeit kein Argument sein. Umständlichkeit haben sie offenbar in Kauf genommen – ja, fast hat man den Eindruck, dass sie es gerne in Kauf genommen haben, als hätten sie nun etwas gut - so wie der Bußfertige, der eine mühevolle Pilgerreise barfuss geschafft hat.

Wenn es den Übersetzern um eine „inclusive language“ gegangen wäre (was nach ihrer Auffassung die deutsche Entsprechung zur „gerechten Sprache“ ist), sollten sie mit der herkömmlichen Pluralbildung zufrieden sein und gerade nicht (!) die speziell im Deutschen mögliche exklusiv weibliche Pluralbildung zur Regel machen – die lässt sich auch gar nicht zur Regel machen. „Die Toten“, zum Beispiel, vertragen keine angehängten „-innen“. Da müsste man, da man ja nicht „Totinnen“ sagen kann, von „weiblichen Toten“ sprechen, wenn man nicht ausgerechnet diejenigen, die sowieso schon den Nachteil haben, dass sie tot sind, „ungerechterweise“ nachträglich auch noch „ausschließen“ wollte. Also: Gerechtigkeit lässt sich mit so einem Rezept nicht herstellen – diese Art von „Gerechtigkeit“ gilt sowieso nur für wenige Privatpatienten.

Wenn es wirklich um Gerechtigkeit ginge, müsste die auch für Männer gelten. Eine Formulierung wie „sie beteten“ müsste dann genauso als ungerecht empfunden werden, wenn es sich bei den beiden, die da salopp mit „sie“ bezeichnet werden, um zwei Männer handelte, möglicherweise um zwei geschlechtsreife Makkabäer. Ein Recht, das man nur in Sonderfällen nutzen kann, ist kein Recht sondern eine Ausnahme. Die herkömmliche Pluralform - „die Makkabäer“ - ist bereits „inclusive“, die „gerechte“ Sprache jedoch ist „exclusive“; sie ist es, die in Wahrheit den Spaltpilz bringt.

Doch lassen wir uns nicht länger aufs Glatteis führen: Es geht nicht um Gerechtigkeit, sondern um Manipulation. Es liegt nicht etwa ein allgemein gültiger Gerechtigkeitssinn zugrunde, sondern das diffuse Empfinden einer Minderheit, das besagt, dass Frauengestalten bisher nicht oft genug hervorgehoben wurden und dass sie nun zum Ausgleich dafür so oft wie möglich in den Vordergrund gestellt werden müssten – oder besser gesagt: nicht „so oft wie möglich“, sondern nur, wenn man gleichzeitig suggerieren kann, dass es stets die guten Kräfte sind, die weiblich sind. „Jüngerin Ja, Teufelin Nein“!

Doch nicht nur, dass diese „gerechte“ Sprache nicht gerecht ist (und nicht schön), sie bringt noch weitere Nachteile. Früher habe ich mir - das gebe ich zu - nie sonderlich Gedanken über die Makkabäerinnen gemacht. Ich habe sie als unproblematischen Teil einer Gruppierung angesehen, auf die ich bisher nie großartig meine Aufmerksamkeit richten musste. Durch die „gerechte“ Sprache bietet sich ein verändertes Bild: Sie erscheinen mir nun übermäßig geltungssüchtig zu sein, eitel und wichtigtuerisch, sie wollen gegenüber den Männern ohne Angabe von Gründen besonders hervorgehoben werden; sie scheinen es zu mögen, dass der natürliche Fluss der Sprache ihretwegen aufgehalten wird und dass alle mit dem Finger auf sie zeigen. Es kommt mir vor, als würde da ein Querulant per einstweiliger Verfügung darauf bestehen, dass sie gesondert im Abspann eines historischen Films erwähnt werden, auch wenn sie darin gar keine Rolle gespielt haben, und alle Zuschauer sowieso längst aus dem Kino gegangen sind. Denn womit - bitte schön! - haben die Makkabäerinnen diese besondere Aufmerksamkeit verdient? Was haben sie eigentlich getan?

Vermutlich haben sie etwas getan – jedoch nichts Gutes! Sie haben offenbar etwas Trennendes in ihre Gruppe gebracht, was man an dem kleinen Wörtchen „und“ merkt. Wenn es allein um eine bloße Hervorhebung gegangen wäre, müsste es heißen „die Makkabäer einschließlich der Makkabäerinnen“; denn die weiblichen waren zweifellos immer ein Teil der Gesamtheit aller Makkabäer und sollten deshalb nicht mit einem „und“ davon getrennt werden. Doch damit grenzt man sie aus. Gerade das, was die Übersetzerinnen vermeiden wollten, tun sie selber: Sie schließen aus – mit jedem „und“. Lobende Stimmen, die davon sprechen, dass durch die neue Übersetzung keine Gruppen mehr „ausgeschlossen“ werden, haben sich in die Irre leiten lassen. Genau das tut die Übersetzung: Sie sortiert, zieht Grenzen und konstruiert exklusiv weibliche Clubs (die es nicht gegeben hat). Es wird so getan, als hätte es damals schon „Frauenparkplätze und Parkplätze“ gegeben.

Nach bisherigem Sprachgebrauch konnte man sich leicht eine einheitliche Bevölkerungsgruppe vorstellen. Nun sollen es plötzlich zwei sein: eine kleine Menge - und eine doppelt so große; einmal die exklusiv weibliche Teilmenge - und dann die Menge aller Makkabäer beiderlei Geschlechts, wobei die erste Gruppe, die vor dem „und“ steht, komplett in der zweiten Gruppe nach dem „und“ enthalten ist. Das ist sprachlich und gedanklich unsauber. Deshalb wird es auch als nicht schön empfunden. Dafür hätte man früher mindestens einen halben Fehler gekriegt – ein A mit roter Tinte für „Ausdrucksfehler“.

Es ist nun mal so: „und“ trennt, so dass diese Makkabäerinnen nicht nur hervorgehoben, sondern obendrein separiert werden. Da muss was vorgefallen sein; irgendetwas unterscheidet sie und lässt sie „außen vor“, wie Altkanzler Helmut Schmidt gesagt hätte. Doch was haben diese bisher weitgehend unbeachteten Makkabäerinnen angerichtet? Waren sie es etwa, die schon früh Zwietracht gesät und unlösbare Konflikte in die Welt getragen haben? Waren sie es gar, die diese nachhaltig schlechte Stimmung und all die negative Energie in unsere Zonen gebracht haben? Da muss es irgendeinen Dissens gegeben haben, irgendeinen Widerspruch, von dem ich bisher nichts gewusst habe, und der mir nun auch nicht näher erklärt wird. Warum sollen diese Makkabäerinnen unbedingt als Stolperstein angesehen werden, über den ich heute noch nachdenken soll? Warum legt man Wert darauf, sie als zänkische Frauen und als schwierige, nicht integrierbare Minderheit zu präsentieren? Jedenfalls sind mir diese Makkabäerinnen nicht sympathischer geworden. Und was - bitte schön - hat ihr neues Image, das man ihnen zu ihrem Schaden aufgedrückt hat, mit Gerechtigkeit zu tun?

Nichts. Es ist erstaunlich: Bei diesem Übersetzungswerk waren so viele kluge Menschen beteiligt, und es ist so etwas Dummes dabei heraus gekommen. Dabei haben sie sich viel Mühe gegeben: Sie haben Traditionen neu entdeckt und ursprüngliche Formen aufgespürt, so dass es statt „Gott“ gelegentlich „Adonaj“ heißt und „Thora“ statt „Gesetz“. Offenbar folgten sie dabei dem Gebot, dass alte Traditionen Respekt verdienen, solange es sich dabei nicht um die eigenen handelt. Denn warum bleiben sie dann nicht bei der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „gerecht“, das ja auch eine gewisse Tradition hat? Und warum bleiben sie nicht bei der bewährten Pluralbildung? Warum beachten sie nicht den überlieferten Unterschied zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht, zwischen sexus und genus?

Frauen haben immer schon einen entscheidenden Anteil gehabt an der Entwicklung der sprachlichen Übereinkünfte unserer Muttersprache (besonders an der Sprachvermittlung). Doch die Übersetzerinnen der Bibel in „gerechter“ Sprache schließen nun alle Frauen nachträglich davon aus und tun so, als hätten sich die Sprachregeln unter Ausschluss von Frauen; ja, sogar unter Missachtung von deren Interessen durchgesetzt. Sie wollen uns weismachen, dass die Frauen im deutschen Sprachraum über Jahrhunderte allesamt unter falschem Bewusstsein gelitten haben und verblendete Idiotinnen waren, die sich eine Sprache bieten ließen, die ihnen gegenüber ungerecht war. Nur so können sie sich als Retterinnen anbieten; als diejenigen, die dieses selbst herbei gebetete „Unrecht“ wieder gut machen.

Doch ich will nicht klagen. Ich habe auch etwas Nützliches gelernt von dieser namenlosen Makkabäerin, über die ich zum ersten Mal nachgedacht habe. Die Makkabäerin ist die Hündin, auf die der Feminismus gekommen ist. Sie zeigt uns, wie stark der in Erklärungsnot ist und wie schlecht er sich rechtfertigen kann. Doch inzwischen sind Institutionen und Posten geschaffen, die sich legitimieren müssen, solange sie von der Allgemeinheit bezahlt werden; und da ist den Günstlingen keine psychosomatische Diskriminierung aus zweiter Hand zu peinlich, auch nicht, wenn sie die erst an langen Haaren herbeiziehen müssen.

In Zwickau hat man die Ampelmännchen durch Piktogramme, die Frauen darstellen, ersetzt (wobei ich nicht weiß, ob man die als „Ampelweibchen“ bezeichnen darf). Es fand sich sogleich eine Politikerin, die erklärte, dass es doch eine gute Gelegenheit sei, „inne zu halten“ und darüber nachzudenken, dass Frauen heute „immer noch benachteiligt“ sind. Offenbar gilt es schon als gute Tat, andere zum Nachdenken anzuregen. Wenn sie schon nicht sagen können, worin denn nun die Benachteiligung besteht, dann sollen wir das eben herausfinden.

Doch Vorsicht! Wir dürfen uns nicht von der Kreide täuschen lassen, die diese Wölfinnen geschluckt haben, um sich als Lämmerinnen zu tarnen. Ihre guten Taten sind von falscher Bescheidenheit. Niemand interessiert sich wirklich für die Gedanken, die sich der Leser der Bibel in „gerechter“ Sprache macht oder für die Überlegungen des Fußgängers von Zwickau. Eine Ampelanlage und eine Bibelübersetzung von 2400 Seiten sind keine Thesen, die noch zur Diskussion stehen, sie sind fertige Ergebnisse. Eigenes Nachdenken kommt da zu spät - leider, leider. So bleibt einem nur noch, sich gegen diese Manipulationsversuche zu wehren, und auch im Namen der Makkabäer ein deutliches NEIN zu rufen: Wehret den Frevlerinnen, die sich an der Sprache vergehen! Wehret dem Gesinnungsterror und der immer mehr in Richtung Polizeistaat abgleitenden political correctness! Eigentlich ist der Titel „Bibel in gerechter Sprache“ doch nicht so schlecht. Sich selbst als gerecht zu bezeichnen, so etwas machen Tyrannen. Sorry, ich meine: Tyranninnen und Tyrannen.

War das zu heftig? Zu harsch? Zu kämpferisch? Habe ich da gerade ein vernichtendes Urteil über die neue Bibelübersetzung gesprochen. Ja, das habe ich, das will ich hoffen. Und ich finde: Es ist die gerechte Strafe für die „gerechte Sprache“.

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