Rainer Bonhorst / 07.07.2020 / 16:00 / Foto: GECH / 27 / Seite ausdrucken

Wir Weltmeister im Rassismus-Import

Als in Japan ein Atommeiler versagte und die Nachbarschaft verseuchte, fühlte sich Deutschland davon so berührt, dass man hierzulande die weltweit technisch verlässlichsten Atomkraftwerke aus dem Verkehr zog. Das Ziehen zieht sich zwar noch ein bisschen hin, aber es ist ein auf Nimmerwiedersehen. Sayonara wegen Fukushima. Aber dieser Hinweis soll nur der Vorlauf zu meinem heutigen Thema sein. Hauptsächlich soll es um unseren neu entdeckten Rassismus gehen. Er funktioniert nach dem Fukushima-Vorbild. Nach dem Atomausstieg nun also der Rassismus-Einstieg.

Seit in Amerika ein schwarzer Kleinkrimineller von einem weißen amerikanischen Polizisten ermordet wurde, sind wir in Deutschland so tief davon betroffen, dass unsere Polizei umgehend unter rassistischen Generalverdacht gestellt wurde. Deutschland ist (war) eben nicht nur Exportweltmeister, wir sind auch Importweltmeister von Problemen anderer Leute.

Als George Floyd in Minneapolis umgebracht wurde, habe ich mich leichtfertigerweise über die deutsche Schadenfreude mokiert. Über die deutsche Freude, den Amerikanern mal wieder ordentlich eins auswischen zu können. Und ich habe empfohlen, lieber vor der eigenen Haustür zu kehren. O je. Genauso gut hätte ich Eulen nach Athen tragen können. Es dauerte nicht lange, bis wir Amerikas Rassismus nach Deutschland importierten. Und zwar volle Pulle. Da Deutschland auf allen Gebieten der Streber in der Klasse sein muss, kennt der deutsche Ehrgeiz auch auf diesem Gebiet nur ein Ziel: Wir müssen die Nummer eins in Rassismus werden.

Deutschland ist Glotzland

Moment mal. Wir wollen doch eigentlich die Nummer eins in der Rassismus-Bekämpfung werden. Ja, das auch. Aber das geht nur, wenn wir auch die Nummer eins im Rassismus selber werden. Wer etwas bekämpfen will, muss schließlich etwas zu bekämpfen haben.

Ja, gibt es denn keinen Rassismus in Deutschland? Natürlich gibt es den. Wo aber stehen wir in der Tabelle des alltäglichen Rassismus? Ich würde sagen: Schlimmstenfalls im globalen Mittelfeld. Der deutsche Alltags-Rassismus ist vom strukturellen Rassismus Amerikas meilenweit entfernt. In den USA gehört die rassische Selbsteinstufung zum Alltag, ob im Umgang mit Behörden oder Banken. Bei uns gibt es sowas nicht. Das hervorstechendste Merkmal des deutschen Rassismus ist der Glotz-Rassismus. Schwarze werden gerne angestarrt. Aber auch das ist einzubetten in die deutsche Kultur. Deutschland ist Glotzland, ob man einen Mann mit dunkler Haut anstarrt oder eine Frau mit grünen Haaren.

Ist das alles? Nein. Natürlich gibt es bei uns einen ernsteren, gefährlicheren Rassismus. Der neonazistische Bodensatz ist kurioserweise international, aber im Land der Nazi-Erfindung besonders peinlich und bekämpfenswert. 

Aber wer Lust hat, kann sich auf Youtube alle möglichen Spots schwarzer Amerikaner (und Nicht-Amerikaner) anschauen, die in Deutschland leben. Ihr fast immer gleiches Urteil: Als Schwarzer lebt es sich hier freier und unbehelligter als in den USA. Das gilt vor allem für das Verhältnis zur Polizei. Hier fühlen sich Dunkelhäutige von der Polizei deutlich weniger aufs Korn genommen als daheim in den USA. „Driving while black“ – ein in Amerika gern zitierter „Straftatbestand“ – gehört hierzulande nicht zur Alltagserfahrung. 

Der Innenminister tut das Richtige

In der gegenwärtigen Stimmung ist auch die Kritik an der amerikanischen Polizei übertrieben und beleidigt die große Mehrheit der ordentlich arbeitenden Cops. Die Kritik an der deutschen Polizei aber ist noch überzogener. Hier haben wir es mehr mit deutscher Gründlichkeit auch im Herummeckern zu tun als mit polizeilicher Realität. Dass Berliner Polizeibeamte inzwischen ihre rassistische Unschuld beweisen müssen, ist der groteske Auswuchs rotgrüner Gesinnungstüchtigkeit. Ich würde das als Polizist verweigern und mal schauen, was das Verfassungsgericht sagt. Oder kündigen und auf Krankenpfleger umschulen. Soviel weniger verdient man da auch nicht.

Dass Innenminister Seehofer in dieser Atmosphäre bei einer Sonderuntersuchung über „Racial Profiling“ bei der Polizei nicht mitmacht, ist das mindeste, was er für seine Ordnungshüter tun kann. Gibt es „Racial Profiling“? Bestimmt, aber nicht als Norm und schon gar nicht als Auftrag. Gibt es überhaupt „Profiling“? Hoffentlich. Die Polizei wäre ein Amateur-Verein, wenn sie besondere Milieus nicht besonders unter die Lupe nähme. Ich hoffe doch sehr, dass unsere Freunde und Helfer ihre Pappenheimer kennen.

Kurz und gut: Deutschland übertreibt mal wieder maßlos. Es gibt sicher ein Problem. Aber wir geben keine Ruhe, bis wir in der Selbsteinschätzung Weltmeister im Rassismus sind, damit wir auch Weltmeister in der Rassismus-Bekämpfung sein können. Ich fürchte, es wird uns auch gelingen.

Mit der Atomenergie haben wir es ja schon geschafft. Weltmeister in der nichtnuklearen Energieversorgung sind wir schon lange. Jedenfalls offiziell. Dass wir uns immer wieder mit Atom-Energie aus der Nachbarschaft dopen müssen, geschieht unter der Hand. Im Kampf um die Weltmeisterschaft sind nun mal alle Mittel recht. 

Foto: GECF

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Leserpost

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Dirk Jungnickel / 07.07.2020

Anfrage an Sender Jerewan:  Entspricht es der Wahrheit, dass der Innenminister Absurdistans nur deshalb eine Rassismus - Inspektion der Polizei verhindert hat - was ein Rest der Bürger, die mit Vernunft ausgestatteten sind,  goutiert - weil er plant, in die Sprechfunkgeräte der Polizisten eine Rassismus - App installieren zu lassen,  die jegliche Voreingenommenheit gegen andere Hautfarben sofort als Rassismus registriert und zentral erfasst ? Antwort des Senders Jerewan :  Da es nicht auszuschließen ist, werden wir der Sache nachgehen.

Gereon Stupp / 07.07.2020

Sie beherrschen die suggestiven Techniken aber auch sehr gut. »Kleinkrimineller« — bewaffnete Raubüberfälle. Darunter einer schwangeren Frau zu drohen, ihr in den Bauch zu schießen? »ermordet« — bei einem zumindest unprofessionellen Polizeieinsatz zu Tode gekommen. Möglicherweise verhielt sich der ‘Officer’ fahrlässig, möglicherweise grob fahrlässig, möglicherweise nahm er den Tod des Mannes billigend in Kauf. Das alles wird vor Gericht entschieden, nicht hier, nicht von Ihnen und nicht von mir. »Keinen Rassismus in Deutschland? Natürlich gibt es den.« — Es wird mit Sicherheit Menschen in Deutschland geben, die Rassisten sind, ich zum Beispiel. Rassismus ist aber kein Tatbestand im StGB, es ist die persönliche Lebensauffassung oder Weltanschauung eines Menschen. Die muß man nicht mögen, die muß man nicht goutieren, die muß man schon gar nicht teilen. Über Deutschland sagt das gar nichts aus, es geht auch niemanden nicht keinen feuchten Kehricht an. Ich zum Beispiel mag einfach den weißen Kaukasier lieber als die anderen Vögel. Ich mag auch die Europäisch-Kurzhaarkatze lieber als Perser oder heilige Birma. Das macht mich nach heutiger Definition eben zum Rassisten, na und? Ich bin nach heutiger Definition ja auch Nazi, weil ich nicht die Grünen wähle, damit kann ich leben. Im übrigen und so ganz nebenbei, während in den VSA Sklaven gehalten und mißhandelt wurden, wenn sie nicht spurten, bestand hier die Leibeigenschaft. Auf ostelbischen Gütern, russischen Domänen und britischen Kriegsschiffen wurde Kunta Kinte genauso ausgepeitscht wie auf O’Haras Plantage. Wieso genießt der Schwarze eigentlich diesen Welpenstatus? Woher kommt eigentlich diese bescheuerte Idee, daß der Weiße das alles klaglos wegsteckt, der Schwarze aber bis ins siebente Glied seiner Nachkommen traumatisiert bleibt? Weil man den Weißen für stärker, härter, besser hält? Was aber ist das anderes als Rassismus?! Hier stimmt überhaupt gar nicht zusammen, einfach nur die Manifestation von Dummheit.

Sirius Bellt / 07.07.2020

Ich hätte jetzt, genau in diesem Moment, mal voll Bock drauf wenigstens “Teilzeit-Rassist” zu werden. Ironie off.

Rolf Menzen / 07.07.2020

Kein Wunder, dass Schwarze hierzulande weniger Probleme mit der Polizei haben. In Deutschland werden ja auch nicht 50 % der Morde von Schwarzen begangen wie in den USA (bei einem Bevölkerungsanteil von 13 %).

Günther Wirst / 07.07.2020

Hallo Herr Bonhorst. Mit Ihrem Artikel stimme ich fast 100% überein (wie fast immer bei Ihren Artikeln). Allerdings war George Floyd keineswegs ein Kleinkrimineller, sondern ein vielfach vorbestrafter Gesetzesbrecher, der unter anderem wegen bewaffneten Raubüberfalls etliche Jahre im Knast verbracht hat.

Wolfgang Bergmann / 07.07.2020

In Berlin möchte ich kein Poliziest sein.

Sebastian Weber / 07.07.2020

Peng - das hat gesessen! Klaro - masochistisch, wie wir sind, erklären wir uns für alles Übel dieser Welt für zuständig und übernehmen nicht nur die volle Verantwortung, sondern gleich auch noch die Kosten.

Harald Unger / 07.07.2020

Wenn der Rassismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: “Ich der Rassismus.” Nein, er wird sagen: “Ich bin der Antirassismus.”

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