Wir treiben mit dem Strom

Ich kannte das Wort „Holztrift“ bis vor kurzem nicht, doch die Bilder des Phänomens, für das es steht, die kannte ich sehr wohl. Ich fand diese Bilder immer schmerzlich, ja, geradezu archaisch und brutal, obgleich die Gegenstände dieser Praxis keineswegs beseelte Lebewesen sind, sondern eben Holz.

Das Wort „trift“ kommt von treiben. Eine Viehtrift ist der Weg des Viehs vom Stall zur Weide, entlang dessen das Vieh getrieben wird. Die Holztrift aber – oft einfach nur „Trift“ genannt, ist der Abtransport gefällter Baumstämme vom Ort, an dem sie gefällt wurden. Die Holztrift wurde über die Jahrzehnte durch Flößerei ersetzt, also zum Floß zusammengebundene Baumstämme, was natürlich weit besser verträglich mit der sonstigen Schifffahrt ist, und bis heute wird im Norden des amerikanischen Kontinents das Holz auf diese Weise aus den Tiefen der Wälder zum Sägewerk transportiert. Durchaus nicht alle Baumstämme kommen auf diesem unmittelbaren Wasserweg auch an. Einige verhakten sich in den Windungen und der Randvegetation der Flüsse, viele tausend Baumstämme aber versanken schlicht und blieben am Boden der Flüsse und Seen liegen.

Firmen wie „Timeless Timber“ haben sich darauf spezialisiert, dieses versunkene Holz nach teils hundert Jahren im eisig kalten Wasser zu heben (Video dazu via YouTube), das gehobene Holz ist oft in damals dichten Wäldern besonders langsam gewachsen und die Ringe liegen näher aneinander; das gehobene Holz kann für Kenner viele tausend Dollar wert sein (und es können auch mal Musketenkugeln eingebettet sein, dann ist der Wert wohl zuerst historisch).

Die Baumstämme aber, die damals nicht versanken, dienten als Baumaterial des Amerika, das wir aus Geschichtsbüchern, Westernfilmen und den Disneystudios kennen. Selbst wenn wir noch nie bewusst über diese Praxis nachgedacht haben, so haben wir die Bilder schon einmal gesehen: Hunderte Baumstämme werden „einfach so“ auf einen Fluss oder breiten Bach geschickt, um dann einige Meilen weiter in der Nähe eines Sägewerks wieder eingesammelt und verarbeitet zu werden.

Die rustikale Praxis der Holztrift, die sich heute fern anfühlt, wie aus anderen Zeiten und Ländern, sie war einst ganz selbstverständlicher Teil des Kulturbedarfs wie auch des Wirtschaftslebens unserer Vorfahren. Heute transportieren wir zumindest in Deutschland natürlich effizienter, wenn auch gewiss nicht so naturnah. Jedoch, auch wo die Dinge und Gewohnheiten der neuen Technik und Methoden weichen, können sie uns noch immer als Metapher dienen!

Deutschland ganz herunterfahren

Wer für Kinder kocht, der weiß, dass diese unsere Allerliebsten zwei einander widersprechende Neigungen an den Tag legen können: Zum einen schmeckt ihnen nur eine recht kleine Auswahl an möglichen Speisen – zum anderen aber wollen sie nicht, dass es allzu oft dasselbe gibt! Wer Kinder bekocht, steht also täglich vor der Rätselaufgabe, eine von nur einer Handvoll akzeptabler Speisen zuzubereiten, diese aber so, dass es sich irgendwie doch neu und überraschend anfühlt. Ich vermute, dass es manchen Journalisten heute so ähnlich geht wie einem, der Kinder bekocht!

Die Nachrichten von heute klingen immer wieder wie die Nachrichten von letztem Monat, und diese wiederum wie die vom letzten Jahr. Testen Sie es doch selbst: Der Strom ist in Deutschland so teuer wie nirgends sonst auf diesem Planeten (siehe Welt: „Die Deutschen zahlen jetzt die mit Abstand höchsten Strompreise der Welt“). Das Merkel-System nimmt auch in der Pandemie neue Menschen ins Land auf, nach aller Erfahrung zum guten Teil direkt in die Arme der profitierenden Wohlfahrtskonzerne.

Und dies mitten in der größten Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs, welche Merkel und ihren Helfern keinesfalls ein Anlass ist, ihr Tun zu überdenken, sondern eher eine willkommene Ablenkung, um den Schaden an Deutschland auf allen Fronten voranzutreiben (siehe hier). Merkel und gewisse weitere Kreise scheinen zu überlegen, Deutschland ganz herunterzufahren (siehe hier) – nicht nur die Partei der Studienabbrecher träumt derweil ganz offen davon, Deutschland von Grund auf „umzubauen“, hin zum grünsozialistischen Utopia (siehe etwa hier). Es sind heute längst nicht mehr nur „rechte Querulanten“, für die sich Staat und Politik als Gefahr und Gegner anzufühlen beginnen.

Heute werden die Mutigen nervös

Ich frage mich, warum mich die Praxis der Holztrift so berührt, warum mich die Holztrift an gleich mehreren Stellen ins Herz trifft.

Die gefällten Bäumen waren teils viele hundert Jahre gewachsen. Uralte Bäume, die teils hunderte Jahre vor Columbus stolz die Weiten ihres Kontinents geschmückt hatten, wurden von Billiglöhnern im Akkord gefällt, ihrer Äste beraubt und ins Wasser geworfen, um dann wie Unrat stromabwärts hin und her zu driften, gegen Steine zu schlagen oder sich in Biegungen zu verfangen. Es könnte die Sentimentalität des Städters sein, die aus mir spricht, doch ich finde, die Baumstämme hätten mehr Respekt verdient. – Jedoch, da ist noch etwas, da ist noch ein weiterer Aspekt, der mich berührt.

Ich spreche in diesen Tagen und Jahren immer wieder mit Menschen von jener Art, der ich in meiner Jugend und meinen jungen Jahren vertraut hatte, „Bescheid zu wissen“, „immer einen Ausweg zu kennen“ und sich überhaupt „ihrer Sache sicher zu sein“ – und diese Menschen tun nicht einmal mehr so, als ob sie wüssten, was gerade wirklich passiert, als ob sie einen Ausweg hätten, als ob sie sich ihrer Sache sicher wären.

Es gibt ja Menschentypen, die sind von Natur aus ängstlich. Es gibt Menschen, denen sind die Dinge eher universal gleichgültig. Und es gibt zum Glück auch Menschen, die sich ihrer Angelegenheiten und Standpunkte meist sicher sind, und zwar nicht naiv-sicher, wie die aus Ignoranz und Selbstüberschätzung geborene Fake-Sicherheit der linken Dunning-Kruger-Fraktion, sondern aus gutem Grunde sicher – und heute werden auch diese Erbauer und Schöpfer, die Weltversteher und Immer-Wieder-Welteroberer ihrer Sache unsicher. Die Ängstlichen werden immer ängstlich sein, doch heute werden auch die Mutigen nervös.

Wir sind wie gefällte Bäume

Ich sehe uns, ich sehe die Großen, auf deren Hoffnung, Tatkraft und Weitsicht ich doch bauen wollte (und mit „die Großen“ meine ich gewiss nicht die „Affen mit Maschinengewehr“ in Berlin oder Brüssel), und ich denke an gefällte Baumstämme, die ins Wasser geworfen wurden, flussabwärts, um dann, so sie überhaupt ankommen, zersägt zu werden, zum Bau von Kirchen und Kneipen verwendet, für Kommoden und Klosetts verbraucht.

Man möge mir einen heute lebenden Menschen zeigen, der noch wie ein Baum dasteht, wie Goethes „Zeder auf dem Libanon“, und ich werde ihn bitten, dass er mich lehrt.

Wir sind wie gefällte Bäume, wie driftende Baumstämme, getrennt von unseren Wurzeln, beraubt unserer Äste, durch den Fluss unserer Zeit treibend und gegen Steine stoßend. Manche von uns versinken, manche von uns bleiben in der Uferböschung hängen, und denen, die im Sägewerk ankommen, bleibt die beste Hoffnung, der Schreiner möge ihr Holz in etwas wirklich Nützliches und vielleicht sogar Schönes verwandeln.

Ich empfinde eine sentimentale Freude daran, dass untergegangene Baumstämme auch nach hundert Jahren noch geborgen werden können und dann zu wirklich feinen Möbeln und Einrichtungen verarbeitet werden, weil ihr Holz von so schöner und wertvoller Natur ist.

Wenn wir uns aber heute wie jene Baumstämme fühlen, von unseren Wurzeln getrennt, unserer Äste beraubt, im Fluss treibend zwischen Steinen und Böschung, so lasst uns doch unser Bestes geben, auch wirklich ein gutes Holz zu sein, derart wohlstrukturiert, im Innersten schön und über den Tag hinaus nützlich, dass es sich dereinst lohnt, uns auch nach hundert Jahren aus dem kalten Wasser zu heben.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Dushan Wegner.

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Leserpost

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Klaus Keller / 18.01.2021

Sie stehen doch noch! Und wenn sie sich treiben lassen wollen können sie das immer noch selbst entscheiden. Sie müssen auch nicht auf späterer Jahrhunderte warten damit man sie und ihr tun wertschätzt. Ich Wünsche ihnen bei allem was sie vor haben viel begleitendes Gefühl des Gelingens ( Goethes Definition von Glück) PS Man darf auch mal depressive Stimmungen haben. Bestimmte Empfindungen untersagen zu wollen ist ohnehin Unsinn. Die Frage ist immer nur was man mit ihnen anstellt. Sie machen melancholische Texte. Das ist eine gute Variante.

Helmut Driesel / 18.01.2021

  Das Problem ist weniger der Preis, der für Strom zu bezahlen ist, ich denke, wenn die Regierung die Steuern und Umlagen etwas herunter nähme, könnte sich der Preis noch locker verdreifachen. Aber das bringt ja keine zusätzliche Versorgungssicherheit. Wie Herr Haferburg nicht müde wird zu mahnen, wird ein großer Blackout im Winter bei starkem Frost, Heizungsausfall und 25 Millionen kaputt gefrorenen Wasserleitungen die Illusionen der meisten Optimisten mit einem Wisch abräumen. Aber jetzt freuen wir uns doch mal an dem richtigen ganz normalen Winter.

Stefan Werner / 18.01.2021

Es gibt schon noch einige Mittel und Wege, sich nicht entwurzeln zu lassen. Der Mainstream ist doch inzwischen so ätzend und giftig geworden, daß man dorthinein ruhigen Gewissens keinen Zeh mehr reinhalten kann. Man verpaßt nichts mehr, wenn man keine Mainstream-Zeitungen liest, keine Öffis schaut und selbst im Autoradio ausschließlich den Verkehrsfunk hört. Und mit jedem Tag selbstgewählter Nachrichten-Abstinenz geht es einem besser. Man kann der alltäglichen Propaganda entfliehen, selbst das Wegschauen vor Plakaten kann man üben. Es gibt soviel Bücher, die sich lohnen, gelesen zu werden, Kinder oder Enkel, die sich freuen, wenn ein starker Baum Zeit mit ihnen verbringt. Und immer wieder: Menschen beobachten. Da kann man erstaunliche Entdeckungen machen.

B.Kröger / 18.01.2021

Da halte ich es mit Luther:  “Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen. “

Bernhard Freiling / 18.01.2021

Der Baum handelt nicht. Er empfindet auch keine Angst. Er nimmt die Säge des Waldarbeiters nicht wahr, sofern er nicht gerade einen Namen trägt und Baumbart heißt. Es ist ihm wurscht, ob er nach 50 oder nach 100 Hundert eingeschlagen wird. Ihm wird nicht in den Sinn kommen “ach, wie gerne hätte ich doch noch 20 weitere Jahre hier gestanden”. Ihm ist es auch egal, ob er als Wurzelholzfurnier das Armaturenbrett eines Morgan ziert oder ob er als Klodeckel auf einem Plumpsklo landet. ++ Ganz im Gegensatz zum Menschen, der sich ständig Gedanken darüber macht wie er die Zeitläufe, ohne größeren Schaden zu nehmen, hinter sich bringt. Die “knorrigen Menschen”, die immer “ganz bei sich sind”, die eine festgefügte Agenda besitzen - die gibt es nur in der Phantasie. Spätestens, wenn es um die eigene Existenz geht, wird auch die knorrigste Eiche unter den Menschen zur biegsamen Weide. Was nicht dagegen spricht, daß all zu viele schon als biegsame Weide zur Welt kommen oder dazu erzogen werden. ++ Bestes Beispiel hierfür mag das “Grünen-Abitur” sein. Dem Vernehmen nach: 5 Jahre Baumschule, 7 Jahre Zeit-Abo, alternativ: 7 Jahre Putztruppe oder Antifa. Damit ist man gerüstet für alle Herausforderungen. Solch eine fundierte Ausbildung bringt einen ins Außenministerium oder, mit der Fähigkeit Strom im Netz speichern zu können, auch ins Parlament von Hogwarts.

Karsten Dörre / 18.01.2021

Herr Wegner, “Sentimentalität des Städter” trifft es sehr gut bei Ihren Gedanken zur Holzflößerei. Überall dort, wo Flüsse fliessen, wurde Holzflößerei mehr oder weniger betrieben. Es war eine von vielen Triebfedern, die Zivilisation bzw. den Städtebau voranzutreiben. Dass Sie sich um die Gefühle von Baumstämmen Gedanken machen, die an einer Flussbiegung hängen bleiben oder gar ersaufen, klingt merkwürdig. Ich hoffe, Sie polen sich nicht weiter zu einem Ökoromantiker um. Ihr Gleichnis, Mensch-Baum, kommt sehr schräg rüber. Kopf hoch, Sie sind nicht allein!

Rolf Lindner / 18.01.2021

Herr Wegner, sie sind doch einer der wenigen, denen man nicht vorwerfen kann, wie ein toter Baumstamm mit dem Hauptstrom (engl. Mainstream) zu treiben. Wir - die weitaus meisten der Achse-Autoren und -Kommentierer - schwimmen doch gegen den Strom, soweit es möglich ist. Ich denke, wir werden uns nicht eines Tages so wie nach 1945 sagen lassen müssen: Ihr könnt nicht so blind gewesen sein, es nicht gesehen zu haben, und habt trotzdem mitgemacht.

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