Gastautor / 27.07.2014 / 22:26 / 6 / Seite ausdrucken

Wir sind Israel

Nathan Gelbart

Überrascht und entrüstet nehmen wir seit Beginn der israelischen Operation “Zuk Eitan (Fels in der Brandung)” die offene antisemitische Agitation auf deutschen Straßen wahr. Horden vermummt-verschleierter DemonstrantInnen, denen es kaum gelingen würde, in einwandfreiem Deutsch eine Busfahrkarte zu lösen, kennen sich in Sachen Völkerrecht, Faschismus, Zionismus perfekt aus. Rufe wie “Juden ins Gas” und “Tod den Juden” sind hierbei an der Tagesordnung der Friedensfeddayin.

Wüsste man es nicht besser, so könnte man sich in das Jahr 1933 zurückversetzt fühlen. Die Demarkationsline zwischen Juden und Zionsten, die bisher aus Höflichkeit und Kalkül beachtet wurde, ist aufgehoben.

Die sichtlich überraschte Polizei agiert unprofessionell, überfordert und wirkt dem Mob gegenüber machtlos. Derweil Staatsanwälte in Berlin tatsächlich die Frage erörtern, ob derartige Aussprüche auf Grossdemonstrationen verfolgungsfähige Straftaten darstellen. Was bislang antisemitische Intellektuelle wie Augstein und Grass vormachten, hat mittlerweile auch die Strasse erreicht.

Auch der letzte noch so gerne wegschauende Verharmloser kann die Gleichsetzung zwischen Israel und Juden nicht mehr ignorieren. Der pöbelnde Mob hasst nicht etwa die Juden als Mittel seines Hasses auf Israel. Es ist genau umgekehrt: Der Antisemit hasst in folgerichtiger Konsequenz und derselben Irrationalität Israel, weil er die Juden hasst.

Die bisherigen Versuche, die Trennlinie zwischen Israel einerseits und Juden andererseits aufrecht zu erhalten, dienten nicht nur den sich als “Israelkritiker” tarnenden Antisemiten. Auch für uns Juden war und ist es gelegentlich sehr angenehm, in das Jackett eines Bundesbürgers jüdischen Glaubens zu schlüpfen, der sich dagegen verwahrt, für Israels Politik mitverantwortlich gemacht zu werden.

Aber: Mit jedem getöteten israelischen Zivilisten, bei jeder Beisetzung eines gefallenen israelischen Soldaten und bei jedem Terroranschlag in Israel sind wir emotional dabei. Wir hören rund um die Uhr Nachrichten, beim Europapokalsieg der Tel Aviver Basketballer überkommt uns Gänsehaut. Jede israelische Erfindung macht uns stolz, als wäre es unsere eigene. Wird Israel physisch oder verbal angegriffen, so empfinden wir es als einen Angriff auf uns und verteidigen Israel wie unser eigenes Kind.

Machen wir uns nichts vor: Die Rolle, die man uns aufdrängt, haben wir faktisch längst angenommen. Es ist an der Zeit, sich dieser Erkenntnis zu stellen.

Nicht umsonst sprechen unsere Gelehrten nicht vom “jüdischen Volk”, sondern von den “Bnei Israel (Kindern Israels)”. Denn im Gegensatz zu allzu häufig nur temporären Freunden Israels bilden wir Kinder Israels mit Israel eine historische und religiöse Schicksalsgemeinschaft. Ob wir es wollen oder nicht, ob orthodox, konservativ, liberal, konvertiert oder säkular, ist hierbei vollkommen irrelevant.

Das ist eine Tatsache, die wir nicht weiter verdrängen sollten. Auch wenn es manche Funktionäre nicht wahrhaben wollen

Wir sind Israel.

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Leserpost

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Peter Luetgendorf / 28.07.2014

Sehr geehrter Herr Gelbart, mir ist seit langen Jahren klar, daß der unterschwellige Antisemitismus im der Bevölkerung weit verbreitet ist. Nehmen Sie nur einmal die Berichterstattung über Karstadt. Schuld ist letztendlich der jüdische Investor und nicht das jahrzehntelange Mißmanagement. Gruß Peter Lütgendorf

Walter Schmidt / 28.07.2014

Das ist die Antwort auf alle Fragen. Walter Schmidt

Martin Lahnstein / 28.07.2014

Zum Glück bin ich bislang keiner derartigen Demonstration begegnet, würde ihr ohnehin eher ausweichen und finde mich genau in der Position der manches Ahnenden, nichts Riskierenden wieder, wie meine Vorläufer vor 80 Jahren. Sogar ein Leserkommentar in der SZ wäre mehr wert als diese Eule, die ich hiermit nach Athen trage.

Gabriele Lindner / 28.07.2014

Wunderbar. So ist es! Bin zwar Christin, war aber bis jetzt 13 x bei meinen Freunden in Bat Yam. Hoffe, Sie haben nichts dagegen: Ich bin auch Israel !!!!

Jörg Paul Jonas / 28.07.2014

Die Polizeien der Länder in Deutschland sind unvorstellbar peinlich schlecht und die Polizeiführungen sind dafür zu bestrafen. Ich schäme mich für die Hassaufmärsche gegen Juden und Israel überall in Deutschland. Dass es in anderen Ländern nicht besser ist, rechtfertigt gar nichts. Deutschland muss mit gutem Beispiel vorangehen. Die deutschen Polizeien haben nach München 1972 erkannt, dass sie die GSG 9 mit israelischer Hilfe aufbauen müssen. Jetzt lernen sie nichts!

Caroline Neufert / 28.07.2014

Schön. Wahr.

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