Während meiner vierzig Jahre im Schuldienst am Gymnasium, die letzten fünfundzwanzig Jahre als Direktor eines naturwissenschaftlichen Gymnasiums, habe ich zahllose Veränderungen erlebt, die uns die lange Reihe von Kultusministern, die man in einem Lehrerleben ertragen muss, beschert haben. Um nur die bekanntesten Änderungen zu nennen: Einführung des Kurssystems( =Zerschlagung der Jahrgangsklassen) in der Oberstufe, Verkürzung der Schulwoche um ein Sechstel (=Erhöhung der täglichen Belastung der Schüler und Lehrer) durch Einführung des unterrichtsfreien Samstags, “Kompetenzorientierung” ( =Zerschlagung der verbindlichen Lehrpläne ), Verkürzung der Schulzeit um ein Jahr (G 8), u.s.w. Oft habe ich mich gefragt, was die lenkenden Kräfte hinter den Veränderungen seien, zumal sich die Kultusminister selbst als Getriebene, nicht als Treibende erwiesen. Auch die sog. Inklusion, wiederum eine den Unterricht offenbar zerstörende Änderung, wurde nicht von den Ministern erfunden; sie kam irgendwann in Mode, ein Chor änderungswütiger Leute hat sich ihrer angenommen und wird sie wie die zahllosen Änderungen zuvor blindwütig, mit geschlossenen Augen und Ohren durchziehen, und wenn die Welt dabei zugrunde ginge. Womit wir beim Kern der Sache wären: Der sog. Reformwille ist eine Krankheit, eine Wut, eben die Veränderungswut. Wie jede Wut macht sie blind und taub, der von ihr Befallene wird unzugänglich für Erfahrungen, und seien es die offensichtlichsten. Niemand ist so taub wie jemand, der nicht hören will. Die von den Änderungswütigen gebeutelte Schule soll nun mit Schülern klarkommen, die jahrelang in überfüllten Krippen und Kitas festgehalten worden sind und die dort im besten Fall vielleicht Selbstbehauptungswillen und Durchsetzungsvermögen aber gewiss nicht Rücksichtnahme und Kooperationsbereitschaft gelernt haben. Klar, dass das nicht gut gehen wird, aber niemand ist so taub wie…
Ich erlebe als Lehrer diese aktuell als modern geltende Vermischung von Schülern mit total unterschiedlichen Lernvoraussetzungen/-zielen/-Fähigkeiten und zusätzlich verhaltensauffälligen Schülern. Die grossen Unterschiede im Lern-/Verhaltensstand egal in welchem Fach sind für Lehrer, Schüler und Eltern schon schwer zu bewältigen. Klar kann man organisatorisch und didaktisch gewisse Kniffe anwenden, dass es trotzdem noch mehr schlecht als recht funktioniert. Für einige Schüler, die selbständig sind, kann das System sogar ein Vorteil sein. Sie holen sich Hilfe bei Mitschülern und arbeiten im eigenen, angepassten Tempo. Der Lehrer hat zwangsläufig aber nicht mehr die enge Kontrolle, wie sie einige Schüler brauchen. Völlig zum Zusammenbruch führt dieses System wenn mehrere Lernverweigerer und Renitente mit Lernwilligen und Lernfähigen in eine Klasse gepfercht werden, ohne die Möglichkeit zu separieren. Ein sinnvoller, angemessener Unterricht wird unmöglich. Die Lehrperson zum Polizisten umfunktioniert, handlungsunfähig, jeweils “die schlimmsten Feuer löschend”, wird logischerweise als erste von den Eltern angegriffen. Die Unzufriedenheit aller Beteiligten ist verständlich, wie soll in so einer Umgebung gelernt werden! Schade für die verschwendeten Möglichkeiten aller Beteiligten! Der gemeinsame Unterricht von Jugendlichen mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen, in einem einzigen Raum, mit einer einzigen Lehrperson ist - v.a. wenn noch viele Verhaltensauffällige dabei sind - eine Lüge. Wenigstens können an meiner Schule die Verhaltensauffälligen separiert werden. Diese Möglichkeit hilft allen, auch den Verhaltensauffälligen, die speziell, auf ihr Verhalten angepasst betreut werden können, während der Lehrer in dieser Zeit mit den Lernwilligen Unterricht halten kann. Ein Umdenken bei Bildungstheoretikern in pädagogischen Ausbildungsstätten sowie Politikern ist dringend nötig! Ein Handeln ebenso!
Schröder hin oder her; wer wie ich drei Kinder durch unser Schulsystem geschleust hat, weiß, dass viele Lehrer nicht nur faul sondern auch unfähig sind.
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