Rezensionen in anderen Medien, zum Beispiel in der Süddeutschen, der taz und der Zeit, hatten mich neugierig gemacht auf eine Sonderedition zum Thema „Nachhaltigkeit“ der wohl bekanntesten deutschen Frauenzeitschrift. „Brigitte Be Green“ ist ein Lifestyle-Heft wie so viele andere auch. Nur, dass es sich eben grünen Lifestyle auf die Fahnen geschrieben hat und demzufolge Dinge anpreist, die vermeintlich oder tatsächlich als „nachhaltig“ gelten. Trotz der vielen Kaufempfehlungen (und Werbeanzeigen) wird munter Verzicht gepredigt und allgemeine Konsum-Schuld beklagt. Ein leicht schizophrenes Konstrukt, das man sonst eher in der Bibel findet. „Ein bisschen erinnert das Konzept an die Erbsünde“, schreibt etwa Christina Rietz in der Zeit.
„Brigitte Be Green“ erscheint mir symptomatisch für das, was gerade in unserer Gesellschaft geschieht. Mit einer Kombination aus Halbwissen, Opportunismus, Blauäugigkeit sowie einem Schuss Glamour wird der Umwelt-Lifestyle zum Maß aller Dinge erklärt. Soweit so gut. Der freie Markt bietet an, was der Nachfrage entspricht.
„Viele Kühe pupsen“
„Brigitte Be Green“ macht im Prinzip genau das, wofür Zeitschriften wie die Brigitte eben stehen: In perfektem Hochglanz-Layout und locker-leichter Sprache werden Inhalte präsentiert, die Frauen mitunter ganz gerne konsumieren. Nur geht es hier nicht nur um Kurzweiliges wie Lippenstifte, Sex-Tipps oder Diäten, sondern auch um die großen Themen der Politik oder des Klimawandels.
Sie werden im Lifestyle-Talk abgehandelt und das klingt dann ungefähr so: „Die Butter lassen wir uns gern vom Brot nehmen, denn bei der Herstellung eines Kilos entstehen 24 kg CO2. Das liegt vor allem an den Kühen, denn in einem Kilo Butter stecken insgesamt 18 Liter Milch! Und: Viele Kühe pupsen und atmen eine Menge Methan aus, brauchen Futter und Energie. Damit ist Butter der größte Klimasünder auf dem Teller.“
Oder: „Was haben Konstanz, das Vorarlberg und Irland gemeinsam? Dort wurde der Klimanotstand ausgerufen. Mit dem Begriff wird eingeräumt, dass die Klimakrise real ist und sich was ändern soll. Aber: Alles kann, nichts muss, denn der Beschluss ist nicht rechtlich bindend. Doch die Symbolwirkung ist da: Konstanz will nun jede Entscheidung im Gemeinderat auf Klimarelevanz prüfen, Kiel bis 2050 klimaneutral werden.“ (Beide Zitate zu lesen unter der Rubrik: „Geht doch! Einfach grüner leben“)
Auch Luisa darf nicht fehlen
Titelmodel ist die österreichische YouTuberin und Influencerin DariaDaria, eigentlich Madeleine Daria Alizadeh. Im dazugehörigen Interview spricht die 30-Jährige über ihren Werdegang von einer Fashion-Bloggerin zur „Greenfluencerin“. 2013 sah sie die Doku „Gift auf unserer Haut“ über Fabrik-Arbeiter in Bangladesch. Nachdem sie „Nächte lang durchgeweint“ hatte, entschloss sie sich, der Fast Fashion den Rücken zu kehren. Neben ihrem erfolgreichen YouTube-Kanal, den sie hauptberuflich betreibt, spricht sie mittlerweile auch vor dem EU-Parlament und der UN-Women.
Entsprechend zurechtgestutzt sind auch ihre Statements. Zum Interview reiste sie mit dem Zug von Wien nach Hamburg, statt ein Flugzeug zu nehmen. „Wir müssen Effizienz und Zeit neu definieren“, sagt sie dazu unter anderem. Daraufhin wird sie gefragt: „Will man zum Beispiel im Urlaub nicht möglichst schnell da sein?“ Antwort: „Auch hier: Wie definiere ich Urlaub? Er fängt doch schon an der Türschwelle an (…)“
Als „Brigitte Be Green“ feststellt, dass schließlich auch grüne Blogger den Konsum anheizen, entgegnet sie vielsagend: „Natürlich wäre es schön, eine antikapitalistische Antwort auf die Klimakrise zu haben. Andererseits können wir den Kapitalismus nutzen und ihn als Teil der Lösung sehen (…) Wir brauchen eine Wirtschaft, die sich am Gemeinwohl orientiert.“
Auch Luisa Neubauer, „die deutsche Frontfrau hinter Fridays for Future“, darf im Heft nicht fehlen, denn sie ist „Die, die sagt, wie es ist“. Sie steuerte einen vierseitigen Artikel bei. Lesen Sie den Einstieg, dann kennen Sie auch den Rest:
„Die Wahrheit hört niemand gern. Noch nie war dieser Satz so wahr wie heute. Nach den Demonstrationen an den Freitagen kommen oft Kinder zu mir und fragen mich, ob wir noch zu retten sind. Wenn sie erwarten, dass ich ihnen sage, dass alles gut wird, sticht es mir ins Herz. Wer bin ich, ihnen das ehrlich zu versprechen? Wer bin ich, ihnen das Gegenteil beizubringen? Ihnen zu erklären, wie man es aushält zu wissen, dass man ab jetzt jeden Tag seines Lebens mit dieser Krise verbringen wird? (…)“
Auch Bücher produzieren CO2
Die publizistische Krönung ist eine Kolumne der Spiegel-Autorin Margarete Stokowski. Sie stellt fest, dass „hauptsächlich junge Frauen an vorderster Front“ der Klimaschutzbewegung stehen. Wenn Sie nun glauben, dass die bekennende Feministin Stokowski sich darüber doch sehr freuen müsste, muss ich Sie leider enttäuschen: „Mädchen werden eher dazu erzogen, sich zu kümmern und Rücksicht zu nehmen. Kein Wunder also, wenn sie auch Care-Arbeit für den Planeten leisten. Die Frauen räumen auf, wenn Männer etwas gegen die Wand gefahren haben (…)“
Diese Albernheiten sind aber noch nicht der Kern des Magazin-Problems. Auch nicht die vorgestellten Bio-Kosmetik-Produkte und nachhaltig produzierenden Fashion-Labels, denn der Beauty- und Mode-Part dürfte der informativste und interessanteste des gesamten Blattes sein (wenigstens für mich). Wirkliche Sorgen machte ich mir, als mahnend der CO2-Ausstoß für ein Taschenbuch mit 1,2 Kilogramm benannt wurde: „Wenn man bedenkt, dass hier jedes Jahr mehr als 70 000 Buchtitel auf den Markt kommen, die gern noch sonst wie viele Auflagen haben, müssen sehr viele Fichten daran glauben.“ (Die Frage, wie viel Fichten für Brigitte Be Green dran glauben müssen, wird nicht näher erörtert).
Noch nicht einmal E-Books darf ich ohne schlechtes Gewissen lesen: „Je nachdem, wie viele Bücher man auf dem E-Book liest, verpustet das digitale Lesen vor allem in den ersten drei Jahren mehr CO2 als ein analoges Buch. Nach diesem Zeitraum und etwa 48 gelesene Romane später ist dann das E-Book langsam ökologischer.“ Oh je, oh je … was bleibt mir dann noch? „Gebrauchte Bücher mit Freundinnen tauschen oder in Bücherhallen gehen.“
Und dann die Reportage über die Familie Althann, die in „zwei Welten“ lebt: „Die halbe Woche in Wien und von Donnerstagabend bis Sonntag auf dem familieneigenen Demeter-Hof in Niederösterreich.“ Auf vier Seiten wird das allerniedlichste und allerherzigste Idyll mit Mutter, Vater und zwei Kindern in wundervoller Landschaft vorgestellt.
Mit Schrecken musste ich jedoch feststellen, dass die etwa fünfjährige Tochter dieser sympathischen Familie auf den Fotos mit blonden Zöpfen abgebildet ist. Ein Signal, das gar nichts Gutes verheißt, wie mittlerweile dank der Amadeu Antonio Stiftung allgemein bekannt ist. Fast hätte ich mich in meinem Kummer dorthin gewandt, aber nur fast.
Die "Brigitte Be Green" ist am Kiosk vermutlich vergriffen, aber hier kann sie noch bestellt werden.