Lisa Marie Kaus, Gastautorin / 06.07.2019 / 06:10 / Foto: Pixabay / 119 / Seite ausdrucken

Wir schweigenden Lämmer

Ich weiß nicht mehr, was ich schreiben soll. Es ist bereits alles gesagt und mittlerweile sogar von jedem. Gleichzeitig ist es auch egal, ob ich etwas schreibe oder nicht. Denn die, die es lesen, sind nicht die, die ich erreichen müsste. Sie, liebe Leser, sind wahrscheinlich hier, weil Sie – in einem Dickicht des einseitigen Fokus der Medien – auf der Suche sind nach heterogenen Meinungen. Zumindest schließe ich jetzt einfach mal von mir auf Sie. Seit Jahren bin ich davon entsetzt, dass man im öffentlichen Raum – vom Radio über Fernsehen und Zeitungen bis hin zum evangelischen Kirchentag – keine abweichenden Meinungen hört. Natürlich können die Süddeutsche Zeitung, der Tagesspiegel und die Passauer Neue Presse der AfD geistige Mittäterschaft bei der Ermordung Walter Lübckes unterstellen. Natürlich kann man der Meinung sein, die größte Gefahr komme „von rechts“ und es sei nun an der Zeit, Grundrechte für solche Gefährder auszusetzen, da der Umsturz unmittelbar bevorstehe.

Es kann aber nicht sein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk, mit dem Nimbus der Objektivität und journalistischen Redlichkeit, Politik macht. Dabei mache ich Anja Reschke und Dunja Hayali ihr Verhalten nicht mal zum Vorwurf. Wer, wie die beiden, stellvertretend für so viele, davon überzeugt ist, einen Erziehungsauftrag für die unbedarften Zuschauer, ja, für die gesamte Demokratie zu haben, muss so auftreten. So mancher Inquisitor mag noch am Sterbebett jämmerlich darüber verzweifelt sein, dass er nicht mehr Ketzer durch Folter und Verbrennen hatte retten können. Es ist aber höchst gefährlich, wenn man diese Form des Staatsbürgerkundefernsehens zum Goldstandard der veröffentlichten Meinung erklärt.

Als mein Vater seine Verwandten in der DDR besuchte, erläuterten sie ihm, dass sie den Moderator des schwarzen Kanals nur „Schnitz“ nannten, so schnell schalteten sie den Fernseher ab, wenn Karl-Eduard von Schnitzler auf der Mattscheibe erschien. Eigentlich sind die Zeiten aktuell so schlecht, sie schreien nach ähnlich guten Witzen. Und dennoch, ich kenne keine. Wenn man sich zwischen Tagesspiegel am Frühstückstisch und Tagesschau auf dem Sofa bewegt, erlebt man nur eine Meinungsrichtung und fühlt sich objektiv und gut informiert. Karl-Eduard konnte davon nur träumen. Er hatte es immer noch mit dem vermaledeiten Westfernsehen zu tun. Ein solches Korrektiv fehlt uns heute.

Nun muss ich den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk kurz in Schutz nehmen. Auch die BBC ist nicht objektiv. Im Zusammenhang mit dem EU-Referendum und der Brexit-Berichterstattung wird immer wieder kritisiert, die öffentlich finanzierten Fernseh- und Rundfunksender würden zu einseitig berichten und Brexiteers nicht gleichberechtigt zu Wort kommen lassen. Ein ganzer Wikipedia-Eintrag ist der Kritik an der BBC gewidmet.

Und da sind wir auch schon beim Unterschied. In Großbritannien wird darüber DEBATTIERT. Dort positionierten sich die großen Zeitungen vor dem Referendum auch deutlich pro oder contra Brexit. Da wusste man, was man in der Hand hielt. In Deutschland wären solche Deklarierungen illegal – zumindest, wenn man AKKs Gesetzeskommentar folgt. Generell diskreditiert man sich in Deutschland mit Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder der EU sofort selbst und macht seine Nähe zum rechten Rand deutlich. Als sich kürzlich die Kandidaten für den Tory-Parteivorsitz auf BBC One den Fragen von Zuschauern stellten, leitete Lee aus Norwich seinen Redebeitrag damit ein, er habe bei den EU-Wahlen die Brexitpartei gewählt. Wer, der nicht in der Castingkartei von „Schwiegertochter gesucht“ zu finden ist, und somit zumindest unter dem Verdacht steht, vor sich selbst geschützt werden zu müssen, würde beim MoMa-Café Dunja Hayali offen erzählen, er könne den Brexit verstehen und habe bei der Wahl zum Europaparlament die AfD gewählt? 

210 Euro Demokratieabgabe zahlen wir im Jahr. In der Schule lernten wir, dass keine journalistische Quelle so glaubwürdig und redlich sei wie ARD und ZDF. Wir lernten, dass ohne die Öffentlich-Rechtlichen nur Schund im Fernsehen laufen würde. Warum das, was bei Zeitungen doch gut funktionierte – ein freier Markt, der keinen inhaltlichen Unterbietungswettbewerb erlebte – beim Fernsehen nicht möglich sein sollte, lernten wir nicht. Ebenfalls lernten wir nicht, wieso der Staat die Informationsbedürfnisse der Bürger besser kennen sollte als sie selbst.

Angesichts dieser Vorbildung haben es alternative Medien schwer. Sie haben es schwer, überhaupt konsultiert zu werden, und sie haben es schwer, für glaubwürdig gehalten zu werden. Erst kürzlich konnte man im Deutschlandfunk erfahren, welch unsaubere und dilettantische Artikel Tichys Einblick, Cicero und NZZ veröffentlichten, während Relotius natürlich nur ein tragischer Einzelfall sei. Die Argumente sind nicht wichtig, entscheidend ist, von wem sie kommen. Das ist nicht mal böser Wille – das ist nur menschlich. „Wo hast du das schon wieder her?“ Und deshalb ist es auch egal, was ich schreibe, denn Menschen, die nicht sowieso schon die Mehrheitsmeinung prüfen und angreifen, werden das hier nicht lesen. 

Sind wir Teil einer großen schweigenden Mehrheit?

Während in Großbritannien über die Objektivität der öffentlichen Medien diskutiert wird und diese Debatte dadurch möglich ist, dass es ein heterogenes veröffentlichtes Meinungsbild gibt, würde ich, ohne meine kleine Echokammer im Internet, keine abweichenden Einschätzungen und Meinungen zu lesen, zu sehen oder zu hören bekommen. Und der Austausch im deutschen „intellectual dark web“ stimmt einen gerne mal optimistisch. In den Artikeln auf Achgut.com und in den Kommentaren darunter gibt es sie, die gefährliche abweichende Meinung. Als Achgut.com-Autor erreicht man viele Leute, die sich differenziert und detailliert mit den jeweiligen Themen auseinandersetzen. Wir sind alle Mitglieder in einem Feel-Good-Gesprächskreis. Erleichterung: Man ist doch nicht allein mit seiner oppositionellen Position. Zuversicht: Sind wir also ein schreibender und lesender Teil einer großen schweigenden Mehrheit?

Folgen wir mal dieser These. Um die schweigende Masse im Nationalsozialismus zu beschreiben, wird oft Martin Niemöller zitiert: 

Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ 

Konkreter wird der Sachverhalt, wenn man sich mit den Novemberpogromen 1938 beschäftigt. Eine Sammlung von Briefen von Augenzeugen aus diesen Tagen lässt nicht den Schluss zu, dass der überwiegende Teil der Deutschen die Übergriffe und Ausschreitungen befürwortet hat. In kaum einem Bericht wird von einer zustimmenden Haltung der Bevölkerung gesprochen. Im Gegenteil. Viele Briefe zeugen von der Empörung und Ablehnung, die die meisten gegenüber den Pogromen empfinden. Der Großteil der Bevölkerung ist innerlich entsetzt über die Taten, schweigt aber, so wird es immer wieder geschildert. Selbst Parteimitglieder sind entrüstet über die brutalen Ausschreitungen.

Berufliche Abhängigkeiten sorgen aber dafür, dass alle Einwände nur im Stillen geäußert werden. Eine Kleinstadt boykottiert einen ansässigen Bäcker, da sich der Sohn des Besitzers beim Pogrom besonders hervorgetan hatte. Regierungsbaurat Kurt Krimmel aus Oberschlesien verabschiedet sich kurz vor seiner Ausreise aus Deutschland von seinen Kollegen, die ihm entgegnen: „Wir sind traurig und schämen uns, dass wir Deutsche sind. Wir beneiden Sie, dass Sie hier rauskommen.“ Gustav Lask, dem in der Pogromnacht in Kiel von zwei jungen SS-Leuten in den Rücken geschossen wurde, erhält nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus von vielen Menschen Zuspruch. Blumen und anonyme Sympathiebekundungen flattern in sein Haus. Am 10. November um 11 Uhr wird ein Verfasser eines Briefes von einer Mannschaft aus SS und SA abgeführt. Der Trupp, mit etwa 35 Gefangenen, wird durch die Stadt getrieben.

Passanten grüßen die Verhafteten freundlich. Von Volkszorn, so der Autor, habe er nichts gespürt. Einige Juden kommen in diesen Tagen bei ihnen teilweise Unbekannten unter. Villenbesitzer, Pensionsinhaberinnen und Kaufleute verstecken viele, die so einer Verhaftung entgehen. Am 17. November erscheint in der holländischen Tageszeitung „Het Volk“ ein offener Brief von 25 Deutschen, die in den Niederlanden wohnen. Sie drücken darin ihre tiefe Abscheu über die Pogrome aus und versichern, dass die Mehrzahl der Deutschen nicht dahinterstehe. Gleichzeitig nennen sie ihre Namen nicht – die Angst vor Repressalien für sie, oder ihre Angehörigen in Deutschland, ist zu groß.

Die Zustimmung aus der Bevölkerung ist passiver Natur

Zustimmung wird vor allem von offizieller, behördlicher Stelle beschrieben. In einer Kirche in München predigt ein Pfarrer, dass die Pogrome Gottes Wille seien. Ein Brief, der vor 1936 verfasst worden sein muss, berichtet von systematischer Demütigung und Ausgrenzung jüdischer Kinder in der Schule. Für schlechtes Benehmen müssen „arische“ Schüler neben dem Juden der Klasse sitzen. In einem Elterngespräch legt ein Lehrer einem Vater nahe, sein Kind freiwillig von der Schule zu nehmen, da er sonst persönlich dafür sorgen würde, dass sein Kind jeden Tag weinend von der Schule nach Hause käme. Ein Rektor einer Mädchenschule in Nürnberg tut sich besonders hervor. Im Sommer 1936 verlassen die letzten jüdischen Mädchen seine Einrichtung. Vor der versammelten Schule hatte er sie vortreten lassen und angeprangert, dass sie – als Vertreter der minderwertigen Rasse – immer noch da seien.

Die beiden Kinder waren tränenüberströmt nach Hause gekommen. Die Zustimmung, die von der Bevölkerung ausgeht, ist passiver Natur. Eine Briefeschreiberin aus Breslau fasst zusammen: „Bessere Leute schämen sich, kleine Leute gleichgültig, keine Seele kocht.“ In einem weiteren Brief ergänzt sie: „Sie werden durch geschickte Propaganda stark beeinflusst und glauben das, was sie schwarz auf weiß zu lesen bekommen.“ Vor einem großen Eckladen beobachtet ein Holländer in Berlin, wie die Schaulustigen erst mit „stummem Schrecken“ davorstehen und nach einer gewissen Zeit dann doch das verwüstete Geschäft plündern.

Nein, wir leben nicht in einem totalitären Terrorregime. Bei uns gibt es keine Konzentrationslager. Niemand wird wegen seiner Abstammung oder seiner politischen Einstellung verhaftet. Niemand muss, vor schier endloser Verzweiflung darüber, dass man gezwungen ist, zuzusehen wie der eigene, über 70-jährige Vater von KZ-Aufsehern totgeschlagen wird, in den elektrischen Lagerzaun rennen, um dort vom Tod erlöst zu werden. Bei uns wird nicht auf offener Straße – unter Billigung und Beteiligung der Staatsgewalt, wie im November 1938 aus Ostfriesland berichtet – ein 19-Jähriger verprügelt, ins Wasser geworfen und, nachdem er sich wider Erwarten ans Ufer retten kann, bewusstlos geschlagen und zurück ins Wasser geworfen, wo er ertrinkt. Kein Arzt, wie jener, von dem in einem Brief aus Mergentheim zu lesen ist, wird heute verhaftet, weil er einen schwer misshandelten Rabbiner versorgen möchte. Bei uns wird niemand am Grenzübertritt gehindert – egal in welche Richtung – und niemand darf nicht studieren, weil seine Eltern als politisch unzuverlässig gelten. Wir achten nicht auf ein Knacken in der Telefonleitung, und bei privaten Gesprächen riskieren wir lediglich Freundschaften, wenn wir offen unsere Meinung sagen. Doch bestand die DDR auch 12 Jahre ohne Mauer. 

Nur in der Diskussion kann man voneinander lernen

Die westlichen Demokratien basieren auf dem Prinzip der offenen Gesellschaft, die der Philosoph Karl Popper beschreibt. Im Zentrum unserer Freiheit steht der Diskurs. Ähnlich einem Forscher, der Thesen aufstellt, die sich der Kritik und Prüfung der Forschergemeinschaft unterziehen müssen, sollte auch unsere Gesellschaft Politik als Trial and Error sehen. Das Schöne an der Demokratie ist der Fakt, dass ein Umsturz, also das Abwählen einer politischen Theorie, unblutig durch Stimmabgabe erfolgt. Die Falsifikation der politischen Ideen, die zur Wahl gestellt werden, darf dabei nicht durch Dogmen oder Interessengruppen behindert werden. Die Institutionen eines Rechtsstaates sollen diese Konzentration von Macht beschränken und gewährleisten, dass eine freie kontroverse Diskussion innerhalb der Gesellschaft fortlaufend stattfinden kann. 

Poppers Ansatz basiert dabei auf einer einfachen Lebenseinstellung: dem kritischen Rationalismus. Ähnlich dem klassischen Liberalismus betont er die Fehlbarkeit des Menschen. Nur in der Diskussion kann man voneinander lernen, Fehler in der eigenen Argumentation erkennen (da sind wir wieder bei den Naturwissenschaften) und der Wahrheit ein Stück näher kommen. Denn in der offenen Gesellschaft geht es jedem ehrlich nur um die objektive Wahrheit. Sogar Franziska Keller (alias Ska Keller, Anm. d. Red.) aus Guben würde wohl unterschreiben, dass unsere offene, westliche, demokratische Welt auf den Werten der Aufklärung beruht. Sapere aude setzt die freie Meinungsbildung ins Zentrum. Sich frei eine eigene Meinung zu bilden, ist ein Wert an sich. Nur eine Gesellschaft, die dazu in der Lage ist, Meinungen zu respektieren, die sie für absolut falsch hält, ist eine freie Gesellschaft. 

Dies bedeutet jedoch nicht Beliebigkeit und Pazifismus bis zur Selbstaufgabe. Der Fakt, dass wir uns stets irren können, befreit uns nicht von Entscheidungen und entlässt uns nicht aus der Verantwortung. Durch Wahlen kann mal jene politische Strömung, mal die andere in die Regierung gespült werden. Nur weil eine Meinung die Zustimmung der Mehrheit bekommen hat, heißt es nicht, dass sie richtig ist. Deshalb bleibt auch stets der Weg der Bekämpfung mit demokratischen Mitteln: Diskurs, Kritik, Hinterfragen der eigenen Position, Achtung der demokratischen Institutionen. 

Gandhi wäre an den Deutschen verzweifelt

Was aber, wenn dies die politischen und medialen Eliten der aktuellen Mehrheitsmeinung nicht so sehen? Weder scheinen sie sich ihrer eigenen Fehlbarkeit bewusst noch sind sie auf der Suche nach der Wahrheit. Sie haben sie längst gefunden. Die Grünen Khmer kann es nur in Deutschland geben. Wenn sich dieses Volk im Recht fühlt, geht es über Leichen. In einem Beitrag vor einiger Zeit bin ich darauf eingegangen, warum das so sein könnte. Die Konsequenz daraus für den Einzelnen ließ ich damals außen vor. Popper wird in diesem Zusammenhang sehr deutlich und wählt erschreckende Worte: 

„Intoleranz ist gewaltsam zu unterdrücken, wenn ihre Anhänger eine rationale Diskussion ablehnen.“

Eine gesellschaftliche Diskussion, die unterschiedliche Meinungen abbilden, aushalten und wertschätzen kann, gibt es in Deutschland nicht. Ein Diskurs findet nicht statt. Punkt. Unsere offene Gesellschaft, die sich die Deutschen – zumindest im Westen – selbst nie erkämpft haben, zerbröselt vor unseren Augen. Unsere Institutionen versagen. Ist jetzt der von Popper geforderte Widerstand geboten? Kann ich behaupten, ich sei ein Anhänger der Freiheit und des klassischen Liberalismus und finanziere dennoch widerstandslos die Meinungshegemonen ARD und ZDF jährlich mit 210 Euro? Der Philosoph ist kein Prophet. Die Absolution erteilt weder er noch sonst jemand. Wir alle sind mit der Last der Verantwortung für die Freiheit unserer Entscheidung geboren.

Gandhi zettelte mit seinem Salzmarsch eine Kettenreaktion von zivilem Ungehorsam an. Die indische Bevölkerung gewann, seinem Beispiel folgend, ihr Salz selbst und brach damit das Salzgesetz der Kolonialmacht Großbritannien. Die Inder hatten die Schnauze voll, jährlich über 6 Millionen britische Pfund Salzsteuer an die Besatzer abzuführen. 8 Milliarden Euro zahlen die Haushalte in Deutschland jährlich an die Öffentlich-Rechtlichen. Widerstand ist zwecklos? Gandhi wäre an den Deutschen verzweifelt. Und auch ich tue nichts. Ich schreibe nur ein paar Zeilen, damit ich nicht platze. 

Nein, dieser Text ändert nichts. Es ist alles gesagt – mittlerweile von jedem. Natürlich steht mir frei, eine Partei zu gründen und mit demokratischen Mitteln an der eingefahrenen Meinung zu rütteln. Jeder kann dazu aufrufen, die A3 zu Ferienbeginn zu blockieren, um gegen die Einseitigkeit von ARD und ZDF zu demonstrieren. „Ein Zeichen setzen“ ist nicht nur ein abgedroschener Kampfbegriff derer, die sich nie mit Freiheit beschäftigt haben. Einige haben in den letzten Jahren versucht, ihren Unmut gegen den politischen Mainstream auszudrücken und haben zu dem einen (Parteigründung) oder dem anderen Mittel (Demonstration) gegriffen. Doch auch das änderte nichts. Ein herrschaftsfreier Diskurs, der sich den jeweiligen Argumenten und Positionen unvoreingenommen genähert hätte, fand nie statt.

Die Vertreter der Hauptmeinung nutzten diese Wortmeldungen nie zum kritischen und bescheidenen Hinterfragen der eigenen Überzeugung. Würden wir morgen früh die A3 blockieren, wären wir morgen Abend die nächste „rechte Fratze“ in den Tagesthemen. Das Framing der abweichenden Meinung, vor allem durch die bis an die Zähne finanzierten Öffentlich-Rechtlichen, reißt das Fundament unserer offenen Gesellschaft ein und gefährdet die Freiheit. Wer heute noch für die AfD arbeitet, ist im besten Fall ein hoffnungsloser Idealist, und im schlechtesten Fall hat er, in seinem falsch geknöpften, mit Fettflecken übersäten Hemd, eh nichts mehr zu verlieren. Eine abweichende Meinung zerstört Karrieren und gefährdet die eigene Sicherheit. Da flüchtet man sich lieber in sein privates Biedermeier. Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin da schon längst angekommen. 

Nein, wir leben nicht in einem totalitären Staat, und dennoch stehen gerade wir dabei und schauen zu, wie die Reschkes und die Hayalis, die Rackete-Anhänger und die Böhmermanns, wie die Merkels und Leyendeckers, wie unsere medialen und politischen Eliten die Schaufenster unserer Freiheit zerschmettern. Wenn die schweigende Mehrheit im November 1938 sich getraut hätte, laut zu widersprechen – alle hätte das Regime nicht wegsperren können. Die Briten verhafteten, im Rahmen des Salzmarsches, 60.000 Inder und verloren den Kampf gegen Gandhis Unabhängigkeitsbewegung gerade deswegen. Wenn Sie also, erleichtert durch den frischen Wind der abweichenden Meinung hier auf Achgut.com, meinen „Das wird schon“, dann denken Sie an all das zersplitterte Glas, das längst auf der Straße liegt und über das Sie und ich jeden Tag mit stummem Schrecken hinweglaufen. 

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Leserpost

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Sebastian Klockenkemper / 06.07.2019

“Es ist alles gesagt” – aber wirklich von jedem? Mir fällt bei mir selbst auf, dass ich die Debatte um politische Korrektheit und Meinungsfreiheit zunehmend langweilig finde. Es ist alles gesagt - von den Dummen. Wer die politische Korrektheit kritisiert, schildert mit Wut und auch zunehmender Deprimiertheit, wie wenig Relevanz das Gesagte erlangt, selbst wenn es gesagt werden darf. Dann werden historische Vergleiche gezogen zu Zeiten, die als offensichtlich undemokratisch wahrgenommen werden. Es sei noch nicht so schlimm, aber wir wären auf dem Weg. Dann erwähnt noch irgendwer Poppers Vorstellungen von Debatte, zitiert Voltaire und ebenso das geflügelte Wort von der Schweigespirale. Wenn dies dann nicht in Form eines Essays erscheint sondern als parteipolitisches Statement, klingt es nur noch mehr wie passiv-aggressives Gejammer. Die “demokratische Rechte” besteht nunmehr aus Anti-Intellektuellen, rechts von der Achse beginnt das Proletentum… Mir fällt auf, dass diese Leute immer Debatte und Diskussion einfordern, aber nichts so schrecklich finden wie jemanden, der die eigene Meinung nicht teilt - der kann ja nur vom “System” geködert worden sein. Nichts ist für diese Fanatiker angenehmer, als wenn sie sich gegenseitig den Hintern pudern können - wer nicht solidarisch ist in diesem Krieg gegen den Mainstream, ist fast schon ein Verräter. Und um etwas zu erreichen, müsse man sich schließlich auf alternativen Plattformen vernetzen, um die AfD ohne Androhungen durch das “System” nach vorne schreiben zu können. Glaubwürdige Kritik am Gesinnungsjournalismus führt sich so ad absurdum. Vorgefasste Meinungen gelten in jeder politischen Ecke als Stärke, Selbstkritik dagegen als Todsünde. Aber wer weiß, vielleicht ist ja noch gar nicht alles gesagt und es braucht nur klügere Köpfe?! - Auf jeden Fall dürfen wir die Kritik an den herrschenden Zuständen nicht den Proleten überlassen.

Thomas Kammerer / 06.07.2019

Wie wahr, aber seit Jahren immer nur dieselbe Leier! Ändern wird sich nur dann etwas, wenn millionenfach die GEZ-Einzugsermächtigungen gekündigt und Zahlungen verweigert würden, die inkassobeauftragten Landratsämter gar nicht mehr mit Pfändungen hinterher kämen und sich unsere selbsternannten öffentlich-rechtlichen Erziehungsberechtigten nach einer sinnvollen Beschäftigung umsehen müssten.

M. Haumann / 06.07.2019

Ich möchte ausdrücklich die zweifellos bedenklichen Entwicklung unserer Gesellschaft nicht mit der im Dritten Reich vergleichen. Bezüglich der “schweigenden Mehrheit”, die in Umfragen ein Sprachverbot beklagt, bin ich inzwischen nicht mehr sicher, wie sehr sie Dinge ausserhalb ihres direkten Lebensumfeldes wirklich interessieren, wenn noch genug im Geldbeutel ist. Unvergesslich das bittere Fazit des britischen Historikers und Hitler-Biografen Ian Kershaw zur grossen Schuldfrage, wie hier der Holocaust möglich wurde:  “Eine Minderheit war dafür. Eine noch kleinere Minderheit war dagegen. Die grosse Mehrheit der deutschen Bevölkerung hat einfach weggesehen.”

A.Ziegler / 06.07.2019

Frau Knaus, es gibt eine Lösung. Ich weiss, das ist abgedroschen aber wir haben im Gegensatz zu 1938 eine Demokratie in Deutschland.  Alle die hier auf Achgut klagen müssen glasklar einsehen, dass es nur die AfD gibt, die bei der Sache nicht mitmacht. Es ist eben auch typisch deutsch zu jammern und sich dann doch wieder von der AfD zu distanzieren, als ob das Haar in der Suppe wichtiger ist als die Suppe. Solange man nicht einmal den Mut hat in aller Stille ein Kreuz an einer bestimmten Stelle zu machen, weil das vielleicht doch auch ein paar Leuten dienen könnte, die vielleicht doch ein wenig stark rechts sind, und man daher dann doch vielleicht lieber wie bisher wählt, wenn man also die XYZ wählt, also dem Rat der Blockparteien folgt, nun,  solange geht es eben weiter.wie bisher. Wer sich mit der Geschichte beschäftigt, stösst in Deutschland auf den 20.Juli 1944, das Attentat von Stauffenberg und Mitstreiter. Dieses einzigartige Auflehnen erfolgte selbst bei diesen tapferen Deutschen erst nach unendlichen, quälenden Diskussion und Bedenken, ob die Tötung eines Adolf Hitler nach 11 Jahren Schreckensherrschaft und vier Jahren Kriegsschrecken denn zu rechtfertigen sei. Für mich bringt das den Sachverhalt auf den Punkt. Die AfD ist keine Nazi-Partei. Sie vertritt, was die CDU in ihrem Parteiprogramm von 2002 vertrat. Punkt. Alles andere sind Petitessen, die zur Verunglimpfung der Partei dienen sollen. Mein Gott, keine Partei hat nur lupenreine Mitglieder. Wer die AfD wählt, geht ein kleines Risiko ein, dass die falschen an die Macht kommen. Wer sie nicht wählt geht ein grosses Risiko ein, dass die falschen an der Macht bleiben. PS: Ich bin nicht AfD Mitglied, da ich in der Schweiz lebe, wäre es aber, lebte ich in Deutschland.

J.R. Huels / 06.07.2019

Hallo Lisa Marie, sehr gute Arbeit!  Ein längerer Text, ein schwieriges Thema - und dennoch ein Lesespaß! Könnt’ ich doch nur schreiben wie sie. God bless you

Ingrid Müller / 06.07.2019

Ich danke der Autorin, ja oft liegt mir die Resignation nahe. Ich frage mich, was nur mit den Menschen passiert ist, dass die sich so brav in das vorgegebene Schema einfügen, ganz freiwillig. Es sind Schatten ihrer selbst, Menschen, die egal wo sie sich befinden, einzig auf ihr Smartphon starren.

Albert Pflüger / 06.07.2019

Ich hoffe auf ein neues Selbstbewusstsein der Menschen, die produktiv tätig sind in unserem Land. Stolz auf eigene Leistung, gerade auch in Aufgabenfeldern, die nicht mit Krawatte oder weißer Hose gemeistert werden können. Wer so fühlt, wird sich nicht zum Almosenempfänger des Steuerstaates herabwürdigen lassen. Menschen müssen wieder lernen, selbstbewußt eigene Interessen zu erkennen und deren Erfüllung zur Bedingung machen, wenn sie ihre Wählerstimme abgeben. Wir haben einen bedrohlichen Mangel an Handwerkern und Facharbeitern. Ihre Tätigkeit wird dramatisch aufgewertet werden müssen im Verlauf der nächsten 10 Jahre, und sehr viel besser bezahlt. Wenn das dazu führt, daß die Zahl der Schwätzer, die aus den Universitäten auf uns losgelassen werden, zu vermindern, weil sie die Chancen sehen, die eine solide Berufsausbildung bietet, und die Uni vermeiden, so kann das nur gut sein. Das politische Klima wird sich ändern. Die Linken haben das Land vor die Wand gefahren. Den Wiederaufbau werden andere meistern müssen.

Matthias Popp / 06.07.2019

Vergleiche der Gegenwart mit der Nazizeit oder der DDR werden uns nicht weiterhelfen. Sie enden alle mit der Erkenntnis, dass es “so schlimm” ja noch nicht sei, tragen aber gerade dadurch zur Verharmlosung bei. Der kommende Unrechtsstaat wird sich nicht der Farben von Nazis oder Kommunisten bedienen. (Silone) Er ist ja NEU, in dieser Form “noch nicht dagewesen”. Das vielgepriesene Lernen aus der Vergangenheit kann also nicht darin bestehen, weiter angestrengt nach “Nazis” oder “Stalinisten” Ausschau zu halten, Stattdessen müssen wir als Chronisten das heraufziehende Unheil so genau wie möglich beschreiben und beim Namen nennen: Die fortgesetzten Rechtsbrüche der Herrschenden, die Einschränkung der Grundrechte (besonders der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit), die Selbstzensur der Medien verbunden mit der Zwangsindoktrination der Beherrschten, die Bedrohung Andersdenkender mit Ächtung, Beschimpfung und physischer Gewalt. Wenn wir schon nicht den Mut aufbringen, mit Schweigemärschen zu beginnen.

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