Danke Herr Schneider, ich gebe 12 Bienchen ins Muttiheft. In unserer Fachzeitschrift wurde ein Buch vorgestellt: “Das Maß ist Voll” - Politik , Medien, nützliche Idioten, (ich wag es kaum zu schreiben) Volk - als Titel von Christoph Weiß. “Zu den ‘Nützlichen Idioten’ zählen wir auch all die Menschen, die nach wie vor ihrer Arbeit nachgehen, ihre Steuern und Abgaben artig bezahlen, sich für andere Menschen verantwortlich fühlen und womöglich noch ehrenamtlich Aufgaben übernehmen und anderen Menschen helfen. .... Und dann gibt es eine leider stets anwachsende Gruppe der ‘Konsumenten’ so wollen wir sie wertneutral nennen. Diese Menschen haben genau zugehört und verstanden, was ihnen unsere Politiker über Jahrzehnte eingehämmert haben: Wir sorgen für euch, im Zweifel retten wir euch, wir stehen Gewehr bei Fuß, wenn ihr euch ungerecht behandelt fühlt, ausgebeutet oder wenn ihr der Meinung seid, euch wurde Unrecht getan. Dabei kommt es gar nicht darauf an , ob das objektiv so ist - das blose Gefühl reicht uns da schon aus. ” In dieser Zeit die Sie, Herr Schneider, beschreiben waren die Lasten breiter verteilt, man brachte den Wagen oder dasHäusle nach vorn, man zog an einem Strang. “Uns alle aber einte und eint noch heute der Optimismus darauf, dass der nächste Tag besser als der heutige Tag sein wird, wenn wir nur die magischen zwei Worte „ich will“ aufsagen und uns dann ins Zeug legen.” Deswegen habe ich tausende von kleinen Glücksmomenten, bald 70 und noch selbstständig.
Herrlich Herr Schneider genau so war das Lebensgefühl. Wer allerdings als Weststudent nach Moskau fuhr, der tat dies meist mit einem sozialistischen Studentenverband z.B. mit den “Die Falken”. Diese Reisen waren hoch subventioniert und billiger konnte man zur der Zeit nicht nach Moskau kommen. Die sozialistischen Propagandaveranstaltungen, wie einen Besuch der Erungenschaften der sozialistischen Wirtschaft und die albernen Podiumsdiskussionen die auf Programm standen, konnte man sich getrost kneifen, und sich dafür auf eigene Faust die sozialistische Realität anschauen. (war eine spannende Zeit). Die Hälfte waren tatsächlich linke Studis und mir sowas von peinlich mit Ihrer naiven Begeisterung für den grauen Sozialismus, aber den sahen Sie nicht mit Ihren rosaroten Brillen.
Der “alte privilegierte weisse Mann” (und selbstverständlich auch die Frauen gleichen Alters) hat einfach nur Glück gehabt. Um die Zeit von 1960 wurden die grössten Oelfelder entdeckt und die Babyboomer wurden genau in diese beginnende Oelschwemme hineingeboren, die der Hauptgrund für den Wohlstandsboom der nächsten Jahrzehnte war. Das war wie ein Sechser im Lotto. Es ist etwas gar naiv zu glauben, wir hätten uns das verdient.
Ich bin mir bewusst, dass ich die meisten Jahre meines Lebens in einer glücklichen privilegierten Zeit verbracht habe. Ich bin bürgerlich aufgewachsen, rebellierte gegen meine Eltern und Lehrer, um mir meinen Lebensraum einzurichten, aber immer darauf bedacht, nicht zu viel zu zerstören und verhandlungsfähig zu bleiben. Nazis konnte ich nie leiden, obwohl uns einige Studienräte aufklärten, dass Breslau, Königsberg und Danzig auf ewig deutsch bleiben würden, und dass die Nazis die besten Militärstrategen waren, und dass waffentechnisch sowieso niemand den Nazis das Wasser reichen konnte. Sozialismus war für einen Sechzehnjährigen eine schöne Theorie. Besuche in Ostberlin und Prag sorgten blitzschnell dafür, jede Begeisterung im Keim zu ersticken. Beide Arten des Sozialismus lassen dem Individuum keinen Platz zum Atmen. Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte nicht nur ich den Eindruck, dass wir eine wunderbar friedliche Plattform erreicht hatten, und so wunderbar sollte es bleiben - keine Kriegsgefahr, keine Feinde, recht verbreiteter Wohlstand, immer bessere Luft, freundliche Atmosphäre, keine Zukunftsangst, gute Rockmusik und schöne Autos. Irgendwann gefiel es einer Gruppe von Menschen nicht mehr so. Wurde es ihnen zu langweilig? Ging es ihnen zu gut? Wollten sie eigene Unzufriedenheit an andere weiterverteilen? Jedenfalls zündeten sie unsere Welt an vielen Stellen an. Medien, die bis dahin häufig Brände bekämpft hatten, ermutigen die Brandstifter, entschuldigen sie und bekämpfen die, die zu löschen versuchen. Wir Boomer stehen der Situation hilflos gegenüber; schon allein deswegen, weil viel zu viele aus unserer Generation auf der anderen Seite stehen. Hilft Wollen immer noch?
Nee, Herr Schneider so wird das nie was als etablierter Autor bei WELT, SPIEGEL oder ZEIT. Ohne vermurkste Kindheit, ist da nun wirklich nichts zu machen.
Privilegiert? Richtig erkannt; ja. Und das habe ich mir erarbeitet. Keine Grund zum Schämen, aber Grund zur Dankbarkeit, dass diese Zeit und dieser Staat es mir ermöglicht haben.
@Frank Stricker, „Wenn man im Ranking also ganz hinten steht,“… — …dann muss man schnell auf ein staatliches Trittbrett aufsteigen, sich bei den Behörden einschleimen und fürderhin selber die Standards definieren. Bonuspunkte für Color und Gender, Inklusion oder Integration ersetzen dann die Leistung und avancieren zum neuen Goldstandard in Korruptistan.
@Dirk Jäckel: Obwohl nicht weit von sächsischen Großstädten entfernt aufgewachsen, habe ich erst lange nach der Wende von UdF erfahren. Und “Unerkannt durch Freundesland” verschlungen. Hochinteressant. Dabei fielen mir zwei Dinge besonders auf. Selbst nach 70 Jahren Sozialismus galt auf dem flachen Land für Gesetzes- und Regelauslegungen der russische Spruch, ´Der Himmel ist hoch und der Zar ist weit` und bei ´sowjetischen` Muslimen mussten die Frauen am extra Tisch sitzen.
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