Ulrike Stockmann / 07.08.2020 / 06:15 / Foto: Moritz Schell / 133 / Seite ausdrucken

Wir machen sauber! Eine deutsche Kehrwoche

Was für eine hysterische Woche! Nach dem Ausschluss Sarrazins aus der SPD am vergangenen Freitag, der Aufregung um die Corona-Proteste in Berlin am vergangenen Samstag, dem Skandal um Dieter Nuhrs Beitrag für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) am Dienstag, der fristlosen Kündigung des Basketballers Joshiko Saibou wegen Teilnahme an der Corona-Demo am selben Tag, steht nun die Kabarettistin Lisa Eckhart (mal wieder) im Kreuzfeuer. Sie sollte eigentlich beim diesjährigen „Harbour Front Literaturfestival“ in Hamburg mit ihrem demnächst erscheinenden Roman „Omama“ teilnehmen. Auf Spiegel Online heißt es: „Im Rahmen des Hamburger Wettbewerbs hätte Eckhart am 14. September im Klub ‚Nochtspeicher‘ unweit der Hafenstraße lesen sollen.“ Seit Mittwoch steht auf der Festival-Homepage: „Leider muss diese Veranstaltung entfallen.“

Spiegel Online spricht im Weiteren von internen Mails, die der Redaktion vorlägen: „Demnach hat sich der ‚Nochtspeicher‘ im Juli bei der Leitung des Festivals gemeldet. Man sehe sich außerstande, im Falle einer Lesung die ‚Sicherheit der Besucher und der Künstlerin‘ zu gewährleisten.“ Im „bekanntlich höchst linken Viertel“ hielt der Club „Sach- und Personenschaden“ für „wahrscheinlich“: „Wir haben in den letzten Tagen bereits aus der Nachbarschaft gehört, dass sich der Protest schon formiert.“ Weiter heißt es im Artikel: „An Polizeischutz sei nicht zu denken, weil die Situation dann sogar noch eskalieren und gar zu Straßenscharmützeln führen‘ könne.“

Daraufhin sei Lisa Eckhart von der Festivalleitung gebeten worden, freiwillig auf ihren Auftritt zu verzichten. Die dachte jedoch gar nicht daran und wurde somit offiziell ausgeladen.

Das ist jedoch noch nicht alles: Zur Ehre einer Solo-Lesung war Eckhart überhaupt nur gekommen, weil zuvor zwei andere Künstler (deren Namen mich ja mal brennend interessieren würden) sich geweigert hatten, neben ihr aufzutreten. Dann funkte allerdings der „schwarze Block“ dazwischen und nun kommt sie auf dem Festival gar nicht mehr vor.

Bei Lisa Eckhart geht es stets ans Eingemachte

Ich muss mich über all das sehr wundern. Deutschland, Deutschland, wo ist nur deine Haltung geblieben? Und von der vielbeschworenen (Corona-)Solidarität möchte ich gar nicht erst anfangen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich halte Lisa Eckhart für eine sehr begabte und faszinierende Künstlerin. Sie gehört zu den wenigen deutschsprachigen Komikern, die mich überhaupt zum Lachen bringen können. Wobei – ihre Pointen sind meistens von einer solchen Doppelbödigkeit, so sehr im Stande, die Zuschauer zu spiegeln und an ihre eigenen Schwächen zu erinnern, dass einem das Lachen schon mal im Halse stecken bleiben kann.

Bei ihr geht es nicht um oberflächliche Schenkelklopfer, wie bei so vielen anderen „Comedians“ – bei Lisa Eckhart geht es stets ans Eingemachte. Dass das mitunter auch weh tut, liegt in der Natur der Sache. Daher stand sie schon öfters in der Kritik. Kürzlich etwa wegen angeblichen Antisemtismus‘, den Kritiker nachträglich in einem fast zwei Jahre alten Auftritt von ihr entdeckt haben wollen.

In unserem Land einfach nicht schönzuschreiben

Ich weiß nicht, ob ich hier auf dem Schlauch stehe, aber ich verstehe den Monolog (den Sie sich hier ansehen können) umgekehrt, nämlich dass er Antisemiten vorführen soll. Im Verlauf des Auftrittes verpasst sie auch noch der gesamten Identitätspolitik einen Tritt in den Allerwertesten. Lisa Eckhart wäre selbstverständlich nicht Lisa Eckhart, wenn Sie es ihrem Publikum so einfach machen würde. Sie liefert natürlich erstmal eine saftige Steilvorlage für schmutzige Gedanken und wenn man darauf reinfällt, kann das schon unangenehm sein.

Jene, die daraufhin entrüstet „Antisemitismus“ brüllten, wurden wohl von Eckhart in ihrer Humorfähigkeit überfordert. Ist es sogar möglich, dass manche der Empörten sich ertappt fühlten, weil sie in Wahrheit … ? Aber ich höre an dieser Stelle lieber auf.

Zurück zum Spiegel: Es ist in jedem Fall hochinteressant, dass das Blatt, das seinen Lesern meistens einen kostenlosen Einordnungs-Service nicht vorenthält, sich im Fall der Ausladung Lisa Eckharts bemerkenswert unbeteiligt gibt. Keine Wertung, keine Erklärung. Dass die Sicherheit einer Künstlerin in Deutschland bei einem Auftritt wegen der Gewaltbereitschaft einer politischen Gruppe nicht gewährleistet werden kann, ist in unserem Land einfach nicht schönzuschreiben.

Koscher ist die Künstlerin dem Spiegel allerdings auch nicht, wie er bemüht objektiv, aber deutlich zugibt. Es wird nicht versäumt, auf ebenjenen Antisemitismus-Vorwurf hinzuweisen. Den passenden Link zu einer Spiegel-Kolumne über Eckhart mit dem unmissverständlichen Titel „Antisemitismus als Witz. Punchline in die Magengrube“ von Samira El Ouassil gibt es als Leseempfehlung gleich dazu. Ich habe das Gefühl, dass der Spiegel selten durch Weglassen so viel ausgedrückt hat.

Wäre es nicht so ernst, könnte man glatt darüber lachen.

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Leserpost

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Dieter Kief / 07.08.2020

Geoge-Floyd-Lyceum statt hannah-Arendt-Schule wäre nicht schlecht, Hans-Jakob Heidenreich, damit auch Achgut mal ein wenig ins Grübeln kommt über dieses angebliche “Mordopfer” George Floyd (Angela Merkel, die hier eher schlecht aussieht, denn das ist eine Vorverurteilung (gabs so ähnlich auch hier leider schon, ich lass’ die beiden Namen mal weg, die mir einfallen).

Wolfgang Sauer / 07.08.2020

Eigentor: man hat also zugegeben dass man linke Gewalt fürchtet. Ich dachte es gäbe nur Rechte.

Karl Napp / 07.08.2020

Uwe Dippel - meine Zustimmung haben Sie, auch mir liegen Frau Eckharts Attitüden nicht. Sie verhindert manchmal genau damit, dass ich sie so verstehe wie ich sie verstehen würde, wären das was sie sagt geschrieben. Aber; ihre Auftritte verhindern, nur weil wer sie so versteht wie sie oder er glauben sie verstehen zu sollen - das geht gar nicht.

Andreas Stadler / 07.08.2020

Die Linken sind doch selbst antisemitisch. Daher kann man das Ganze nicht verstehen. Und ja, es ist so, wie Sie sagen. Lisa entlarvt den Antisemitismus der anderen, deren Doppelmoral. Man muss der Künstlerin beistehen? sonst haben wir hier bald nur noch Comedians a la Mario Barth.

Wolfgang Kaufmann / 07.08.2020

@Albert Pflüger, „Feind der minderbemittelten Jakobiner“ — Nicht die Jakobiner haben die Macht usurpiert, es sind die gelangweilten Tricoteusen, die alles beseitigen wollen, was sie nicht verstehen. Und das ist ziemlich viel.

Michael Koch / 07.08.2020

Ich kenne Lisa Eckart nicht. Aber nun möchte ich sie kennenlernen. Mich interessiert alles, was dem Mainstream nicht in den Kram paßt. Denn erst dann wird es interessant. Der vorgeschriebene Massengeschmack schmeckt mir nicht! - Meine Zunge will nicht nur reden, sondern auch schmecken!

Großheim Joachim / 07.08.2020

Da hat man uns vom Nazitum befreit und uns Demokratie und Freiheit geschenkt, zumindest in den Westzonen. Dann haben wir uns aus den Trümmern wieder hochgearbeitet und dachten es endlich geschafft zu haben. Unsere Kinder sollten es besser haben, dafür haben wir sie zum Abitur geprügelt und ihnen die Steine aus dem Weg geräumt. Nun laufen sie wieder einer Ideologie hinterher, studieren Geschwätzwissenschaften und glauben die Guten zu sein. Diese Labertaschen möchten an die Schaltstellen der Macht. Aber sie wissen nicht, dass das Böse getarnt im Guten daherkommt. Und alles was erreicht wurde wird von dieser Generation der Bilderstürmer in die Tonne getreten. Sie sind zu Allem fähig und zu Nichts zu gebrauchen.

Andreas Rühl / 07.08.2020

Das ganze erinnert uebrigens an die Augsburg Affäre th. Bernhards. Der Chef einer schauspieltruppe in dem stueck der theatermacher ruft immer mal wieder MORGEN AUGSBURG! Als Zeichen der Verzweiflung. Irgendwo heißt es dann…. AUGSBURG DIESE LECHKLOAKE. Es gab einen Skandal, der sogar den bayerischen Kultusminister beschäftigt hat. Der hinweis unselds an den ob von Augsburg, es sei Literatur hat wenig vermocht. Augsburg hat dann in der Folgezeit viel getan, sich als die lechkloake darzustellen, die Bernhard nie zuvor gesehen hat. Er war schließlich da und ihm hat die Stadt gefallen.

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