Wir haben etwas Besseres verdient als diese Schwächlinge

Von Ayaan Hirsi Ali.

Wir können nur hoffen, dass die chinesische und die iranische Regierung dem Beispiel Putins in den kommenden Monaten und Jahren nicht folgen werden. 

Wladimir Putin ist vieles. Für Boris Johnson ist er „irrational“. Für Joe Biden ist er „ein Mörder“. Für Barack Obama ist er das „gelangweilte Kind in der letzten Reihe des Klassenzimmers“.

Ich vermute, dass Putin all das ist. Aber all das ist den Ukrainern, die an der neuen Ostfront Europas leben, egal, denn der russische Präsident hat vor allem eines: Glück.

Er hat Glück: Glück, dass die derzeitigen Führer der westlichen Welt von Unfähigkeit geplagt sind, Glück, dass sie keine kohärente Antwort auf seine Bedrohung der Ukraine formulieren können, und Glück, dass sich daran in nächster Zeit nichts ändern wird. Wenn es jemals einen guten Zeitpunkt gab, um aggressiven Unfug wie eine Invasion – oder auch nur eine Destabilisierung – der Ukraine zu begehen, dann ist es sicherlich jetzt.

Letztlich ist dies eine Geschichte der Spaltung, die mit den Wählern zu Hause beginnt und mit dem Zusammenbruch der NATO endet. Die Trump-Regierung hatte bereits Alarm geschlagen, weil wichtige europäische Länder – insbesondere Deutschland – nicht genug zu ihrer eigenen Verteidigung beitragen. Und in den letzten Jahren waren die Versuche des Westens, die militärische Einheit zu fördern, von Chaos geprägt. „Dolchstoß", urteilte eine nationale Zeitung, nachdem Australien beschlossen hatte, ein 2016 mit Frankreich geschlossenes U-Boot-Abkommen aufzukündigen und stattdessen atombetriebene U-Boote von den USA zu kaufen.

Eine verbitterte EU reagierte daraufhin mit dem Gerede von der Schaffung einer europäischen Armee und rühmte die "strategische Autonomie", die diese bieten würde. Doch das ist ein Hirngespinst. Brüssel ist kaum das geopolitische Kraftzentrum, für das es sich hält: Die EU kann kaum ihre eigenen Grenztruppen unterhalten, geschweige denn eine voll ausgerüstete Kampftruppe aufstellen. Und wenn man sich den chaotischen Rückzug Amerikas und Großbritanniens aus Afghanistan ansieht, kann man nur schwerlich zu dem Schluss kommen, dass dies für alle westlichen Länder gilt. Ihre Menschen wurden zurückgelassen, ihre Führer stehen vor dem Rätsel, wie sie das allmächtige Chaos erklären sollen.

Eine fabrizierte Energiekrise

Doch für Putin ist die offensichtliche Spaltung innerhalb des Westens – diejenige, die es ihm wirklich erlaubt, ungestraft zu handeln – vielleicht die Energie- und Umweltproblematik. Zweifellos ist der Klimawandel ein echtes und dringendes Problem. Der vernünftige Ansatz zur Bewältigung dieses Problems sind langfristige Investitionen zur Verbesserung bestehender Technologien wie der Kernspaltung und zur Entwicklung neuer Technologien wie der Kernfusion. In der Zwischenzeit gibt es ermutigende Möglichkeiten, unsere Nutzung fossiler Brennstoffe effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten.

Dies ist jedoch nicht der Ansatz, den die heutigen führenden Politiker im Westen bevorzugen, die die Weltanschauung von Greta Thunberg geradezu verinnerlicht haben. Fracking ist in Europa so gut wie unmöglich. In Deutschland wurde die Kernenergie abgeschaltet. Und die Europäische Kommission hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Kosten für Kohlenstoff zu erhöhen. Was dann geschah, war völlig vorhersehbar: eine fabrizierte Energiekrise, ein Notstand bei den Lebenshaltungskosten und die Gefahr sozialer Unruhen. Und für Putin gab es noch einen Bonus: die verstärkte Abhängigkeit von russischem Erdgas durch Projekte wie die Nord Stream 2-Pipeline.

Doch es gibt noch eine andere, weniger offensichtliche Quelle der Spaltung innerhalb des Westens, die die Ukraine-Krise angeheizt hat: Covid-19. Keine westliche Demokratie hat es geschafft, die Übersterblichkeit ohne erhebliche Einschränkungen der individuellen Freiheit zu minimieren. Zumindest in einigen Fällen – wie etwa in Australien – konnte die Sterblichkeit durch die Einschränkungen niedrig gehalten werden. Aber in Großbritannien und Nordamerika mussten die Menschen das Schlimmste aus beiden Welten ertragen: hohe Sterblichkeit und starke Einschränkungen.

Erst jetzt, wo diese Länder eigentlich eine gemeinsame Front bilden sollten, werden die längerfristigen Auswirkungen sichtbar. Im Vereinigten Königreich sind die Wähler nach wie vor verärgert über die wiederholten Verstöße gegen Coronavorschriften durch Parteien. In Kanada hat ein Protest gegen eine Vorschrift, nach der Lkw-Fahrer im grenzüberschreitenden Verkehr gegen Covid geimpft werden müssen, die vermeintlich liberale Regierung in einen Anfall von Illiberalismus gestürzt.

Diese Schwäche hat sich auf die globale Bühne verlagert

Angesichts der Unruhen, die überall im Westen entstehen, ist es vielleicht nicht überraschend, dass die Zustimmungswerte der politischen Führer im letzten Jahr gesunken sind. Man denke nur an die Führer der „Five Eyes"-Gruppe anglophoner Länder, die nicht nur geheime Informationen austauschen, sondern auch weithin als deren Kern angesehen werden. Ihre jüngsten Zustimmungswerte sind bemerkenswert – nicht zuletzt, weil der unglückliche Joe Biden an der Spitze steht: Joe Biden, 41 Prozent; Justin Trudeau, 40; Scott Morrison, 39; Jacinda Ardern, 35; Boris Johnson, 25.

Natürlich sind die westlichen Staats- und Regierungschefs von heute aus einer Vielzahl von Gründen unbeliebt. Geplagt von Schwäche, haben sie große Teile ihrer Wählerschaft verprellt – sowohl durch das Nachgeben gegenüber progressiver Politik als auch durch das Kokettieren mit zunehmend drakonischer Politik. Und wie wir jetzt sehen, hat sich diese Schwäche auf die globale Bühne verlagert.

Ja, die Anglosphäre und die Eurozone mögen den Eindruck einer geeinten Front erwecken – es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendein Politiker davor warnt, dass Putin im Falle einer Invasion in der Ukraine mit den härtesten Sanktionen rechnen muss, die es je gab. Doch all diese Drohungen klingen hohl. Nichts, was unsere Politiker sagen, kann das Gefühl zerstreuen, dass wir von einer Gruppe von König Lears geführt werden: „Ich werde mich so rächen, dass alle Welt... Ich werde solche Dinge tun... Was sie sind, weiß ich nicht, aber sie werden die Schrecken der Welt sein." Ihre Worte sind leer – und genau deshalb scheinen sie als Abschreckung zu versagen.

Wir können nur hoffen, dass die chinesische und die iranische Regierung dem Beispiel Putins in den kommenden Monaten und Jahren nicht folgen werden. Aber wir sollten auch ebenso inständig hoffen, dass wir bei der nächsten Gelegenheit fähigere Führer wählen als diese Schwächlinge.

 

Wir danken Ayaan Hirsi Ali für die Erlaubnis zur Veröffentlichung dieses Beitrages, der kurz vor der russichen Invasion in der Ukraine geschrieben wurde und zuerst auf Unherd erschien.

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Leserpost

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Thomas Schmied / 25.02.2022

Man sollte noch anmerken, dass, was Deutschland angeht, diese Schwächlinge gewählt wurden. Der Konflikt mit Russland ist selbst gemacht. Man wollte Russland auch nicht in der NATO. Jetzt haben wir Deutschen explodierende Energiepreise und einen Konflikt mit Russland. Dafür haben wir aber Cannabis legalisiert: Gras statt Gas! Mal sehen, wie das wird.

Steffen Huebner / 25.02.2022

Was soll der Geiz? Mit der Gnade der frühen Geburt, ist mir das Gerangel der großen Drei egal - das ist alles nicht meins. Verteidigungswürdig ist mir grundsätzlich nur ein Staat, welcher Würde, Freiheit und körperliche Selbstbestimmung seiner Bürger uneingeschränkt achtet! Gibt es nicht mehr.  Dazu kommt, dass Deutschland , wie man seit 20115 weiß, seine Grenzen sowieso nicht schützen kann, also de facto abgeschafft und zum “mitteleuropäischen Siedlungsgebiet” für Jedermann wurde, welches die Allüren seiner letzten verbliebenen Besatzungsmacht ständig mit dem Geld seiner Bürger finanzieren muss. Als mit “Nazi, Hasser, Hetzer…” verunglimpfter Kritiker der Energie-, Migrations- und Coronapolitik ist meine Motivation inzwischen auch null. Wenn aber so viele Naz…  äh… Deutsche unlustig sind, sich den Kinnriemen stramm zu ziehen, dann sollte die deutsche Regierung doch analog der in Frankreich, eine Fremdenlegion schaffen - sind schon wieder Hunderttausende im Anmarsch…

Norbert Brausse / 25.02.2022

@Torsten Hopp: Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man herzlich darüber lachen. Aber unsere stärkste Waffe „Thursdays for Peace“ mit Kindergartenkindern haben wir noch nicht gezündet. Da fällt Putin dann vor Lachen glatt aus den Socken und der Krieg ist vorbei.

Heide Junge / 25.02.2022

@Dr. Freund : herrlich satirisch!!! Genau so ist es , so denkt Putin und so handelt er auch . Putin braucht kein Glück , er hat den besten Zeitpunkt für die Umsetzung seiner jahrelang vorbereiteten Pläne genutzt! Einen derarten “Blitzkrieg” so wie er ausgeführt wird , ist von Putin von langer Hand geplant worden. Die ganzen Verhandlungsspielchen mit Biden , Macron, Scholz waren für Ihn nur eine Komödie , eine Inzsenierung. Man schaue sich nur den langen Verhandlungstisch an und die Mimik von Putin, der hat sich bestens armüsiert. Wer soll Putin Paroli bieten, was hat er zu befürchten? Nicht viel ,denkt er sich. Nun ob der Plan aufgeht wird die Geschichte dann zeigen. Die Schwachmaten in unserer Regierung und weltweit schauen dem Treiben des Herrn Putin hilflos und ratlos hinterher , was bleibt ihnen auch anderes übrig ? Einen Atomkrieg für die Ukraine riskieren? Nein die Ukraine wird wohl leider sicher Putin zum Frass überlassen . Das “Völkerrecht” nimmt Putin für sich in Anspruch: gemäß dem Motto :  Für meine Expansions -Gelüste ist mir jedes ” Volk ...... recht ! Das ist Quittung für die jahrelange Naivität des Westens wie Putin beurteilt und eingeschätzt wurde .

Sabine Schönfeld / 25.02.2022

“Wenn die internationale Gemeinschaft den Krieg im Donbass acht Jahre lang bemerkt hätte, wenn diese Gemeinschaft gesagt hätte, dass Zivilisten in Donezk und Lugansk nicht getötet werden sollen, wenn die internationale Gemeinschaft gesehen hätte, wie viele Menschen dort bereits tot sind, über Menschenrechte gesprochen hätte, über die Notwendigkeit, den Konflikt zu beenden, gesprochen hätte, würde ich es ihr wahrscheinlich auch diesmal glauben. Aber sie haben das alles nicht bemerkt. Sie haben alles getan, damit Vertreter der Volksrepubliken Donezk und Lugansk niemals an Treffen internationaler Organisationen teilnehmen konnten, bei denen das Thema Donbass besprochen wurde.” Ich finde, Frau Sacharowa, Vertreterin des russischen Außenministeriums hat damit durchaus nicht Unrecht. Sind die russischstämmigen Ukrainer in der Ostukraine etwa keine Menschen?

Peter Bekker / 25.02.2022

@Frances Johnson / 25.02.2022: “Ayaan und Niall, Intelligenz, die in der Dunkelheit politischer Dummheit leuchtet…”. Besser als mit Ihrem, auch rhetorisch bemerkenswerten Beitrag lässt sich die aktuelle Situation nicht beschreiben. Gratuliere! Die Russen haben lange, sehr lange zugeschaut wie ihre Landsleute in der Ukraine nach Maidan behandelt wurden, nämlich als Menschen zweiter Klasse. Man wird im ‘Westen’ mit viel moralischem Getöse und Drohgebärden versuchen das Gesicht zu wahren, jedoch den Ukraine Konflikt gerne als ideales Corona Ausstiegsszenario nutzen. Liebe Achse, aktuelle, vor allem belastbare Fakten aus berufenem Mund wären m.E. der Flut redundanter persönlicher Meinungen vorzuziehen. Nichts gegen Ayaan Hirsi Ali; indes, was ist ihre besondere Expertise? Gehört nicht hierher, aber einmal mehr ersuche ich die Redaktion um eine zeitgemäße Gestaltung der Website; das betrifft vor allem die Navigation der Zuschriften, incl. direkter Antwortmöglichkeit. Oder will man das garnicht?!

Jörg Nestler / 25.02.2022

Angesichts des Scheiterns der europäischen Friedenspolitik gibt es, wie zu erwarten war, jede Menge anklagende Worte Richtung Moskau. Viel interessanter ist, was jetzt an Handlungen geplant ist. Sanktionen sollen folgen, die Deutschland entweder direkt, Nordstream 2, oder mit den angekündigten Gegensanktionen schaden werden. Deutschland schießt sich also selbst ins Bein. Ansonsten beharrt Kanzler Scholz darauf, der Ukraine keine Waffen zu liefern. Es geht darum Haltung zu zeigen: Waffen sind böse. Putin wird dies als schleimerische Unterwürfigkeit wahrnehmen, wofür es ein Lächeln, aber keinen Respekt gibt. Die Verachtung gegenüber der deutschen Politik wird dadurch gesteigert. Warum ist Deutschland mit unfähigen Politikern gestraft? Meines Erachtens liegt es an dem absurden deutschen Experiment, eine Demokratie ohne Opposition errichten zu wollen. Angefangen hat es mit der Europäischen Union, die alternativlos war und nicht in Frage gestellt werden durfte. Es folgte die alternativlose Flüchtlingspolitik, zuletzt eine alternativlose Corona- und ebenso alternativlose Klimapolitik. Es wird eine korrekte politische Haltung eingefordert, die dies alles unterstützen muss. Wer das nicht tut, ist rechts oder Verschwörungstheoretiker. Beides stellt das personifizierte Böse dar. Das Ergebnis von diesem gescheiterten politischen Experiment erleben wir jetzt: Massenhaft haben sich Nullen und Versager in der Politik breitgemacht, die fest entschlossen sind, dieses Land gegen die Wand zu fahren. Die Haushalte anderer Länder zu finanzieren, Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen und rasant steigende Energiepreisen haben nicht ausgereicht, die Deutschen zum Aufwachen zu bringen. Vielleicht muss es erst Massenarbeitslosigkeit, Hungersnot und das Einrücken der Moskauer Stadtfeuerwehr in Berlin geben, bevor die Mehrheit merkt, was hier schief läuft. Vielen Dank, Frau Ali, dass sie den Deutschen etwas Hirn geschenkt haben. Wir sind Notstandsgebiet und können es dringend gebrauchen.

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