Henryk M. Broder / 20.12.2008 / 19:16 / 0 / Seite ausdrucken

Wir bomben nicht, wir lassen bomben

Verfolgt man die Auftritte unseres Außenminister-Darstellers Frank-Walter Steinmeier über einen längeren Zeitraum, so fällt einem auf, dass diese immer eleganter werden. FWS, wie er hausintern genannt wird, hat die Kunst, mit vielen Wort absolut nichts zu sagen, zur Perfektion entwickelt. Am besten macht er sich aber, wenn er die Entführung deutscher Touristen oder Gastarbeiter bekannt gibt. Sagt er dann, es werde alles Menschenmögliche getan, um das Leben der Geiseln zu retten und die Entführer ihrer gerechten Strafe zuzuführen, heisst das: Ein Kurier mit einem Koffer voller Bargeld ist schon unterwegs, um es den Entführern mit den besten Grüßen des deutschen Außenministers zu übergeben, verbunden mit der Empfehlung, bei der Anlage des Geldes deutsche Wertpapiere zu bevorzugen.

Nach dem nicht ganz selbstbestimmten Ableben eines deutschen Bauingenieurs, der von den Taliban als Geisel genommen wurde, trat Steinmeier vor die Presse und sagte: „Wir müssen davon ausgehen, dass einer der entführten Deutschen in der Geiselhaft verstorben ist. Nichts deutet darauf hin, dass er ermordet wurde, alles weist darauf hin, dass er den Strapazen erlegen ist, die ihm seine Entführer auferlegt haben.”

Der 44 Jahre alte Mann war sozusagen eines natürlichen Todes gestorben. Vielleicht hatte er was mit dem Herzen, war unsportlich oder hat das Klima nicht vertragen - tagsüber extreme Hitze, nachts klirrende Kälte. Da kann man schon mal kollabieren und den Geist aufgeben. Dass die Leiche „Schussverletzungen“ aufwies, war kein Indiz dafür, dass der Bauingenieur ermordet wurde; es hätte ja sein können, dass er schon tot war, als die Kugeln abgefeuert wurden, den Strapazen erlegen, „die ihm seine Entführer auferlegt haben“.

Nun hat sich Steinmeier selbst übertroffen, als er vor dem BND-Ausschuss über die Rolle deutscher Geheimdienste im Irak-Krieg aussagte. Fest steht, dass die Amis von deutschen Agenten im Irak Informationen bekommen hatten, die es den US-Bombern ermöglichten, irakische Ziele punktgenau anzufliegen. Das könne doch nicht als Kriegsbeteiligung interpretiert werden, reagierte Steinmeier entrüstet auf einen diesbezüglichen Vorwurf, es gebe keine Beweise dafür, dass die von den BND-Agenten gelieferten Daten als Koordinaten bei den Angriffen genutzt wurden. Was die im Irak tätigen BND-Agenten, deren Arbeit von den Amis als hochprofessionell und wertvoll gelobt wurde, den Amerikanern mitteilten, das sagte Steinmeier nicht. Theoretisch könnten es auch die Locations von Halal-Burger-King in Bagdad gewesen sein, praktisch waren es vermutlich doch Einrichtungen der irakischen Armee.

Beinah so gut wie Steinmeier ist auch seine Kollegin im Justizministerium, Brigitte Zypries. Sie hat ihre Ankündigung, noch entschiedener gegen den Terrorismus, seine Handlanger und Helfershelfer vorzugehen, nach langen Beratungen in die Tat umgesetzt. Der bloße Aufenthalt in einem “Terrorcamp”, teilte ihr Haus mit, werde auch weiterhin straffrei bleiben. Strafbar mache sich nur, “wer in ein solches Terrorcamp geht”, um anschließend “das, was man dort gelernt hat, auch anzuwenden”.

Offenbar kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch junge Menschen gibt, die ein Feldbett all inclusive in einem Terrorcamp buchen, weil sie sich ein Bed & Breakfast in Antalya nicht leisten können. Oder weil sie beim Casting für das Dschungelcamp auf PRO 7 durchgefallen sind und nun noch mal die Sau rauslassen möchten, bevor sie sich bei Frank-Walter Steinmeier als Personenschützer bewerben.

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