“Zugleich bedeutet Überkompensation nicht automatisch Bewusstsein, weshalb sich das Geschichtsbewusstsein bezüglich der Grauen des Nationalsozialismus bei vielen meiner Generation nicht auf Strukturen und Mechanismen hinter Faschismus und Nationalsozialismus gründet, sondern auf einstudierte Betroffenheit ohne wirklichen Bezug.” Ganz genau so ist es. Und deshalb werden eben diese totalitären Strukturen und Mechanismen von so vielen Menschen eben NICHT durchschaut, deshalb wird ohne Hinterfragen sich angeschlossen und mitgemacht, wenn jemand die Marschroute vorgbt. Da lief/läuft offenbar im Geschichtsunterricht einiges falsch. Wahrscheinlich soll es auch falsch laufen, denn ein Hinterfragen würde zum Vorschein bringen, dass die “Guten” von heute sich der identischen Mechanismen bedienen, um ihre Macht zu festigen. Die 6 Millionen Holocaustopfer werden dabei dafür missbraucht, um von den Grausamkeiten der anderen Diktaturen des 20 Jahrhunderts abzulenken, die ja “eigentlich Gutes wollten, es hat nur nicht ganz geklappt”, so das “Narrativ”. Und so kann man mit komplexitätsreduzierten einfachen Erlösungsbotschaften immer noch Seelen fangen. Sie wissen es oft nicht besser - und außerdem eckt man durch Selberdenken an, gehört im Zweifelsfall nicht mehr zu den “Guten”. Das wirkt immer noch, da wollen es viele auch gar nicht besser wissen.
Nett. Nein, es waren nicht die politisch Konservativen, die über mehr als fünfzig Jahre erfolgreich die Aufarbeitung von Hintergründen und Zusammenhängen der Nazi-Zeit verhindert haben. So erfolgreich, dass noch Fischer und Westerwelle das deutsche Aussenministerium von deren Rudimenten befreien mussten. Und natürlich waren es auch nicht die alten Seilschaften im Verfassungsschutz - deren Geflecht im NSU-Dilemma zumindest erahnbar wurde - die immer wieder ihr Mäntelchen über die echten Rechten breiteten. Und natürlich hat der konservative junge Helmut Kohl nicht für SS-Verbrecher gespendet? Offenbar steht dem linken narrativ - genannt Schuldkomplex - ein rechtes gegenüber, das die Schuld der Konservativen an tatsächlich und aktiv verhinderter Aufklärung über Hintergründe, Zusammenhänge (insbesondere wirtschaftliche) der Nazi-Diktatur gern verleugnen möchte. Und natürlich ist auch der Neoliberalismus nicht Schuld daran, dass auf dem freien Markt insbesondere die großen Globalplayer mit den korrupten Eliten in Afrika gemeinsame Sache im eigenen Interesse und zu Lasten der unterentwickelten Bevölkerung machten. Selbst Schuld dieser unter mangelndem Arbeitsethos leidende Afrikaner? Offenbar hat sich bis zu Frau Schunke noch nicht herumgesprochen, dass zwischen Industrialisierung, Kultur und Demokratie ein Zusammenhang besteht, und dass zweihundert Jahre kolonial dominierte Marktwirtschaft nicht zu einer organischen Entwicklung von Zivilisation und Infrastruktur führen können, wenn die korrupten Eliten zu willkommenen Marktpartnern werden. Sorry, die Welt ist nicht wirklich zu komplex sie zu begreifen, aber ihr jetziger Zustand ist nicht das Ergebnis linker Dystopien, sondern er ist die Folge der konservativen und neoliberalen Politik der Neunziger ff. Und was den zurecht kritisierten Bildungsstand linker und Grüner anlangt, sei hier mal auf Goethe verwiesen: “Man könnte erzogene Kinder gebären, wenn die Eltern erzogen wären!”
Großartiger Artikel, weil er das Wesentliche zusammenfasst und weil er Widersprüche klärt. Ergänzend kann man den Leserkommentar von Winfried Kellmann sehen (Kommentar Nr. 2). Als Älterer weiß ich aus eigener Erfahrung, wie sich der Schuldkult langsam aber sicher, von der notwendigen Aufarbeitung herkommend, verselbstständigt hat. Das begann schon in den Siebzigern. Damals war ja schon alles erforscht und alles gesagt worden. Der Versuch der Historisierung scheiterte dann in den Achtzigern am Widerspruch jüdischer Verbände (“Die Vergangenheit, die nicht vergehen will”). Seitdem wächst jede Generation mit dem Feuereifer auf, die Nazis erneut besiegen zu müssen, Staatsanwälte jagen 95 - jährige, die in Ausschwitz in der Buchhaltung gearbeitet haben und Relotius erfindet die schönste Geschichte mit der letzten Überlebenden der Weißen Rose in der Hauptrolle. Ich gehe nicht mehr davon aus, dass uns hieraus eine weiche Landung gelingt. Es wird stattdessen schmerzhaft. Ein Zusammenbruch der sozialen Sicherungssysteme aufgrund der Überlastung durch Fremde könnte Unruhen zur Folge haben, auf der einen Seite linke Anführer mit Migranten als militantem Fussvolk, auf der anderen Seite Angehörige der Sicherheitskräfte Polizei und Bundeswehr. Oder können wir das noch abwenden?
Sehr treffend analysiert. Jedoch wage ich zu behaupten, daß die geschilderten Phänomene nur innerhalb der Filterblase des politischen, des kirchlichen und medialen Establishments wirksam sind und dem gemeinen deutschen Michel am A. vorbeigehen. All die Plüschtier werfenden Willkommensjünger und- innen sind doch aus dem studentischen, dem grünen Bestverdienermilieu, dem kirchlichen Milieu oder dem weltanschaulich linken Abseits. Der normale durch produktive Arbeit seinen Lebensunterhalt mit sinnvoller Tätigkeit bestreitende Bürger hat andere Sorgen. Historische Schuldkomplexe wege des Kolonialismus, der Kreuzzüge, der Hexenverbrennung und des Holocaust sind Luxusprobleme von Leuten mit zu viel Zeit und zu wenig sinnvoller Beschäftigung. Was nicht heißt, daß aus Geschichte nicht gelernt werden soll! Kennzeichnend für Deutschland ist meiner Meinung nach heutzutage nicht das immer wieder beschworene Identitätsproblem und Schuldproblem, sondern die eklatante Diskrepanz zwischen dem öffentlichen bzw. veröffentlichten Diskurs und der Lebenswirklichkeit der Bürger und das Rezept mit dem die Politik versucht diesen Nexus zu überbrücken: möglichst viel Sport im Fernsehen, für Leute mit Abitur viele Talkshows mit dem richtigen setting und vorallem viel Prima Rentenpolitik oder Starke Familienpolitik. Man hat den Eindruck, es geht nur noch um die Sicherstellung der Versorgungsbezüge und der Altersabsicherung der Parteifunktionäre, koste es was es wolle, wenn es sein muß auch auf Kosten der Zukunft der Jugend.
Ich hab keine Schuldkomplex. Keiner meiner Vorfahren wie in die menschenmördernde Industrie verwickelt. Ich selber habe auch niemanden umgebracht. Die technische Leistung des NS-Regimes werden heute noch genutzt (Düsentriebwerk, Raketen). Auch dort eingeführte Steuern werden weiter erhoben (Kirchensteuer, Mineralölsteuer oder wurde diese Steuern entnazifiziert? Als Nazisteuern gehören diese sofort abgeschafft , aber kein Wort dazu von Links). Nur weil ein paar linke die ihre Daseinsberechtigung aus 12 Jahren NS-Diktatur ziehen, Deutschland ruinieren wollen, laufen ich diesem SPD-Madsack Geschwurbel nicht hinterher.
Der Bolschewismus wirbt heute nicht mehr mit seiner menschenverachtenden Agenda. Er bedient sich eines ökologistischen und radikal-moralistischen Framings und findet damit bei Menschen Anklang, die auch für den Nationalsozialismus zu begeistern gewesen wären. Das historische Narrativ soll zugleich beschnitten werden um die Greuel des bolschewistischen Terrors und linker Diktaturen, mit denen Linksgrüne und der deutsche Rechtsstaat kaum noch Probleme haben, denn die linke Diktatur übt eine große und kranke Faszination auf sie aus. Demokratie funktioniert nur mit mündigen und selbstbewußten Individuen. Antidemokraten, die dem Ruf “Wir sind mehr” des Bundespräsidenten folgen, haben sich hoffentlich verrechnet.
Der Schuldkomplex ist das Herrschaftsinstrument der narzisstischen, nach Bewunderung lechzenden westlichen Intellektuellen und Journalisten. Der Narzissmus der westlichen Intellektuellen, der immer mehr auch andere Gesellschaftsschichten erfasst, ist in unserem Zeitalter der Psychologisierung und Therapeutisierung, die beide lediglich Surrogate der verlorenen Religiosität sind, zur Reife gelangt; auf seinem fruchtbarsten Boden gedeiht derzeit die Identitätspolitik. Dieser Schuldkomplex wird heute von der globalisierten Wirtschaft für die eigenen Interessen gnadenlos ausgenutzt, was so ganz langsam auch den kritischeren Intellektuellen mehr und mehr bewusst wird.
Die ‘Gutis’ und ‘Klima- sowie Weltretter’ können gerne das Klima, die Welt und sonstiges retten: in Afrika, im Nahen Osten, etc. Sie möchten aber bitte die zahllosen ‘Bereicherungen’ aus diesen Regionen dorthin mitnehmen. - Wer sich die Probleme der Welt ins Land holt und sich einbildet, die Welt auf diese Weise retten zu können - der muss sich nicht wundern, wenn das Pulverfass dann im eigenen Lande hochgeht und alles mit sich reisst. Diese Zusammenhänge zu begreifen, bedarf m. E. keiner überdurchschnittlichen Intelligenz, sondern lediglich Realitätssinn gepaart mit gesundem Menschenverstand.
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