Das Leipziger Umland hat sich in den letzten 35 Jahren von Zerstörungen durch den Braunkohleabbau und der DDR-Art der Braunkohle-Verwertung gut erholt. Jetzt drohen neue Verheerungen durch geplante Windparks.
Am 28. März hat der Regionale Planungsverband Leipzig-Westsachsen (RPV) die sogenannte „Teilfortschreibung Erneuerbare Energien“ für die Region vorgestellt. Auf einer Karte, die während einer öffentlichen Sitzung im Rathaus von Markkleeberg öffentlich präsentiert wurde (der Autor war anwesend), sind sogenannte Vorranggebiete für die Errichtung von Windkraftanlagen ausgeweisen. Ingesamt zwei Prozent der Fläche in der Region. Mehrere Dörfer sind zwischen Windrädern regelrecht eingekeilt. Die Karte offenbart: der deutsche Windradwahnsinn kennt keine Grenzen mehr.
Der Vorrangflächenplan, der per Beamer an die Rathauswand projiziert wurde, lässt sich recht einfach lesen und interpretieren: In den ländlichen Gebieten rund um Leipzig, dort wo Windkraftanlagen von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt werden, sind zahlreiche Vorranggebiete ausgewiesen. In der Großstadt Leipzig dagegen, wo zahlreiche Windkraftbefürworter leben (z.B. tausende Wähler der Grünen), dort gibt es kein einziges Vorranggebiet. Null. Die Städter sind fein raus. Nix mit Windkraft in Leipziger Parks. Die genauen Standorte für Windkraftanlagen für die Region Leipzig sind hier nachzuschauen.
„Wir können nichts dafür, wir setzen nur Gesetze um.“
Der Chef der Planungsverbandes, Andreas Berkner, war bemüßigt, die Anwesenden, darunter zahlreiche Windkraftgegner, zu beschwichtigen. Der Verband würde ja „nur Gesetze umsetzen“. In dem Fall das Wind-an-Land-Gesetz, im Bundestag beschlossen am 7.7.2022 mit den Stimmen von SPD, Grüne und FDP, einst auch Ampelkoalition genannt. Zügig bestätigt im Bundesrat am 8. Juli 2022. Dort stimmte der Freistaat Sachsen – löblicherweise – nicht zu (TOP 54), was sehr wahrscheinlich reiner Parteitaktik geschuldet war (CDU-geführte Landesregierung mit SPD und Grünen). In einer Protokollerklärung kritisierte Sachsens Ex-Wirtschaftsminister Dulig (SPD) „verfassungsrechtliche Bedenken beim Umgang der Bundesregierung mit den Rechten der Länder und des Bundesrates bei der Gesetzgebung“ und dass die Länder angeblich nicht genug Zeit hatten, sich eine „umfassende fachliche und politische Meinung zu den Gesetzesinitiativen des Bundes zu bilden“. Windkraftbefürworter würden jetzt vielleicht behaupten: Das Gesetz musste deshalb innerhalb von Stunden durch Bundestag und Bundesrat geprügelt werden, weil Deutschland ja keine Zeit verlieren dürfe bei der Rettung des Weltklimas. Hüstl.
Die Union, die 2022 geschlossen gegen das Wind-an-Land-Gesetz gestimmt hatte, könnte sofort unter Möchte-gern-Kanzler Merz versuchen, das Gesetz aufzuheben – und der deutsche Windradwahnsinn wäre vorbei. Doch die Christdemokraten sitzen in der selbstgebauten Brandmauerfalle und müssen mit der SPD ins Koalitionsbett steigen. Und mit den Sozialdemokraten wird eine Rücknahme des Gesetzes ausgeschlossen. Wen interessieren jetzt noch die von Minister Dulig 2022 geäußerten Bedenken? Pustekuchen.
Das Wind-an-Land-Gesetz schreibt u.a. vor, dass zwei Prozent der vorhandenen Flächen als Vorranggebiete für Windflächen auszuweisen sind. Eine absurde Festlegung, denn große Teile Sachsens sind Schwachwindgebiet.
Ausgenommen vom Windkartenplan seien, so der Verbandschef, z.B. Flächen von wichtiger strategischer, infrastruktureller oder naturrechtlicher Bedeutung. Ausführlich wurde referiert, wie viel Mühe sich der Planungsverband gegeben habe, um die Vorrangflächen „gerecht“ zu verteilen. Es seien, so Berkner, sogar Landeigentümer an die Verbände herangetreten, um ihre privaten Flächen für Monsterwindräder anzubieten (nicht verwunderlich bei rund 80.000 EUR Pacht/Jahr pro Windrad – Anm. d. Autors). Letzendlich sei alles geprüft und abgewogen worden, bestätigte eine Professorin der TU Dresden.
Von Verbandsräten hatte der Autor erfahren, dass ihnen die umfangreichen Materialen (Analysen, Methoden der Bestimmung der Vorranggebiete, diverse Gutachten zu Schutzgebieten, Trinkwassergebieten etc pp.) erst drei Wochen vorher zugänglich gemacht worden seien. In so kurzer Zeit schaffe es niemand, sich durch die Papierberge zu lesen, geschweige es zu verstehen, hieß es. Die Bürgermeister der Umgebung hätten die Pläne ebenfalls erhalten, durften diese aber nicht weiterreichen, war zu erfahren. (Wie wird gleich noch mal "Transparenz" geschrieben?) Einige Bürgermeister taten es dennoch.
Ausgehebeltes Mitspracherecht für Bürger und Gemeinden
Die stellvertretende Verbandsrätin Sabine Heymann warf dann das Thema Verteilungsgerechtigkeit in den Raum und fragte sinngemäß, wo denn der Beitrag der Stadt Leipzig sei, wenn es um die Ausweisung von Vorrangflächen gehe. Die Windkraftgegner klatschten. Um es kurz zu machen: Der Plan wurde angenommen. 12 Verbandsräte stimmten mit Ja, 3 mit Nein, eine Enthaltung.
Wie geht es jetzt weiter? Vom 12. Mai bis zum 11. Juli dürfen Bürger und Gemeinden, die mit den geplanten Vorrangflächen nicht einverstanden sind, ihre Einwendungen beim Planungsverband mündlich oder schriftlich äußern. Aus Sicht des Autors handelt es sich um einen schein-demokratischen Partizipations-Prozess. Die geplanten Windkraftgebiete können nicht verhindert, aber das Inkrafttreten des Plans erheblich verzögert, eventuell sogar leicht verändert werden. Wenn tausende Bürger sich beschweren, d.h. ihre Einwendungen geltend machen würden, komme richtig Sand ins Getriebe, so ein Verbandsrat zum Autor. Da alle Bedenken berücksichtigt werden müssten, könnte der Plan möglicherweise bis zum Sanktnimmerleinstag nicht fertig werden.
Die Hinweise der o.g. Verbandsrätin, doch mal zu schauen, wo man in Leipzig 300 Meter hohe Windräder aufstellen könnte, findet der Autor nicht verkehrt. Die Initiative könnte sich „Pro Windkraft im Leipziger Zetkin-Park, Cospudener See und Auwald“ nennen. Es gibt nur Vorteile: Stromproduktion nah am Verbraucher (Ökostrom kommt direkt zu E-Autobesitzern), Einspeisepunkte in unmittelbarer Nähe vorhanden, Verbesserung der Luftqualität im urbanen Raum durch Umwälzung der Luftschichten (Mikroklima), im Falle von Bränden sind die Berufsfeuerwehren in der Stadt besser ausgestattet als deren Kollegen auf dem Lande, und laut Umfragen wird der Windkraftausbau von den Großstädtern nicht so stark abgelehnt wie von der bislang fast ausschließlich betroffenen Landbevölkerung. Außerdem könnte sich Leipzig, das der eigene Stadtrat zur Klimanotstandszone erklärt hat, mit 300-Meter-Windrädern aktiv in den sogenannten Klimaschutz einbringen. Die städtischen Klimagerechtigkeitsgruppen könnten, unterstützt vom „Kernteam Klimaschutz“ mit seinen sechs Klimaschutzmanagerinnen und -managern, günstige Vorrangflächen in den Stadtparks festlegen.
Pro-Windkraft-Aktivisten könnten sich beim Parkspaziergang direkt an den Monsterwindrädern erfreuen und die Vorteile der Erneuerbaren bei einem veganen Café Latte genießen. Im grünen Gürtel, der sich durch Leipzig zieht, wäre locker Platz für 100 Windräder. Zwinkersmiley.
Windräder spalten die Gesellschaft
Zum Schluss der Präsentation der Vorranggebiete wurde der Planungschef noch einmal nachdenklich. „Die Windkraft wird zur Zerreißprobe für Dorfgemeinschaften“, sagt Berkner, der genau die Gesetze exekutiert, die die Dorfgemeinschaften zerreißen.
Die Bevölkerung im ländlichen Raum soll die Last des Weltklimarettungs- und Windradwahnsinns der deutschen Politik ertragen (und die damit verbundenen nachteiligen Lebensverhältnisse akzeptieren), während die Städte verschont bleiben. Doch in der Region wächst der Widerstand. Über die Bürgerinitiative „Gegenwind Waldpolenz & Umgebung“ hatte der Autor bereits berichtet. Nachzulesen hier, hier, hier und hier.
Inzwischen sind in der Region Leipzig zahlreiche weitere Bürgerinitiativen dazu gekommen, z.B. die Initiativen Gegenwind in Probsthain (Bereich, Schildau, Langenreichenbach, Audenhain, Wildschütz, Kobershain), Belgernshain, Naunhof, Bad Lausick, Colditz, Böhlen, Zscheppelin, PRO Labaun, Dommitzsch (Dübener Heide) und Trebsen (Muldental), um einige zu nennen.
Eine Übersicht sächsischer Bürgerinitiativen gegen Windräder ist hier zu finden. Wie sich unschwer erkennen lässt: Es sind viele.
Und in diesen Orten vergessen die Bürger auch das nicht: An den Gesetzen zur geplanten Zerstörung des ländlichen Raumes durch hochsubventionierte industrielle Windkraftanlagen haben sächsische Politiker von SPD, FDP und Grünen im Bundestag direkt mitgewirkt. Einfach Sachsen im Filter „Bundesland“ eingeben, und das individuelle Abstimmungsverhalten der Abgeordneten wird angezeigt.
Stephan Kloss ist freier Journalist. Er lebt bei Leipzig und absolviert nebenberuflich ein Bachelor-Studium im Fach Psychologie.
Beachten Sie zu diesem Thema auch unser "Dossier Windkraft"