Niklas Brauer, Gastautor / 20.10.2021 / 16:00 / Foto: Pixaay / 18 / Seite ausdrucken

Wikipedia: Die woke Transformation von Wissen

Wikipedia ist das einflussreichste, aber nicht alleinige Beispiel für die woke Transformation von Wissen. Denn auch die Online-Enzyklopädie schickt sich an, „diverser“ zu werden. Das trägt insbesondere bei der Neuschreibung von Geschichte Orwell'sche Züge.  

Von Niklas Brauer. 

„Wer die Macht über die Geschichte hat, hat auch Macht über Gegenwart und Zukunft.“  Aus 1984 von George Orwell 

Wikipedia ist die weltweit größte Wissensplattform. Über 18 Milliarden Aufrufe pro Monat machen die Wikipedia zu eine der bedeutendsten Medien weltweit. Allein der deutschsprachige Teil von Wikipedia umfasst ca. 2 Millionen Artikel. Seit seiner Gründung im Jahre 2001 gilt Wikipedia für Milliarden als Informationsquelle Nummer 1 im Internet. Geleitet wird Wikipedia von der Wikimedia Foundation (WMF) mit Sitz in San Francisco. In vielen Ländern gibt es nationale Wikimedia-Vereine wie Wikimedia Deutschland, die mit der Stiftung zusammenarbeiten.

Die Transformation von Wikipedia von einer einst nach eigenen Angaben „freien Enzyklopädie“ zu einer Plattform für Wokeness ist bereits weit fortgeschritten. Deutlich wurde diese Wandlung bereits 2017, als Wikipedia das strategische Ziel „knowledge equity“ für die Zukunft ausgab. Dazu sollten strukturelle Ungleichheiten von Macht und Privilegien zugunsten des „Perspektive marginalisierter Gruppen“ beseitigt werden. Im Rahmen der Black-Lives-Matter-Proteste wurde die Wikimedia-Stiftung ab 2020 noch radikaler. Die oft gewalttätigen Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung werden unterstützt und gerechtfertigt. „Epistemic Justice“ (Erkenntnistheoretische Gerechtigkeit) zugunsten von „BIPOC“ soll innerhalb und außerhalb von Wikipedia unterstützt werden. 

Wikipedia will die woke Ideologie in Wissenschaft, in Kultur, im Technologie-Sektor und in Regierungsentscheidungen verankern und für „racial justice“ sorgen. Außerdem sollen strikte Richtlinien gelten, um „marginalisierte Gruppen“ innerhalb von Wikipedia zu schützen. Faktisch dient dieses „inklusive Umfeld“ und die Ideologie des „Safespace“ dazu, jede Form von Widerstand gegen die woke Gleichschaltung zu unterbinden und die Wikimedia-Bewegung dogmatisch auf Linie zu bringen.  

Böhmermanns Legende einer rechtslastigen Wikipedia 

Auch Wikimedia Deutschland will Wikipedia im Rahmen der Wikimedia Movement Strategy 2030 „diverser“ machen und für „Knowledge Equity“/Wissensgerechtigkeit und „Offene Wissenschaft“ sorgen. Ein Teil des Programms für „freies Wissen“ besteht darin, zu lernen, wie man als Wissenschaftler seine eigenen Privilegien checken und dabei das Konzept der Intersektionalität von Kimberley Crenshaw anwenden kann. Die Themenschwerpunkte bei „Offener Wissenschaft“ liegen auf „Privilegien und Diskriminierung“ in der Wissenschaft, „inklusiver Bildung“, sozialer Ungleichheit im Hochschulsystem und Sprachenvielfalt. All dies soll Wikipedia „diverser“, „partizipativer“ und „gleichberechtigter“ machen.

Dazu holt man sich Beratung für eine „intersektionale Perspektive“ von der Sprecherin der Neuen Deutschen Medienmacher Ferda Ataman, der Referentin für Feministische Netzpolitik Francesca Schmidt sowie von der Aktivistin des Center for Intersectional Justice Emilia Roig ein. Wenig überraschend unterstützt die deutsche Wikipedia-Community die intersektionale Agenda von Emilia Roig, die man beim Center of Intersectional Justice vorfindet. Jan Böhmermann im öffentlichen Rundfunk verbreitet die Legende einer rechtslastigen Wikipedia. Immerhin stellt auch Böhmermann die Integrität von Wikipedia infrage. Der Co-Gründer von Wikipedia und Wikipedia-Kritiker Larry Sanger warnte wiederholt vor „linkslastiger Propaganda“ auf Wikipedia. Konservative Sichtweisen würden entweder ausgeblendet oder nur verzerrt wiedergegeben. Er schäme sich für seine damalige Rolle bei der Gründung von Wikipedia. Niemand dürfe sich mehr auf die politisierten Inhalte des Wikipedia-Netzwerks verlassen. Dieses woke System verhindert es, falsche oder einseitige Darstellungen zu korrigieren.  

Wikipedia ist nur ein Beispiel der woken Transformation einst zuverlässiger Informationsquellen. Wie sich die Wokeness aus dem Milieu neulinker Akademiker in den Sozialwissenschaften im Laufe der letzten 40 Jahre und insbesondere seit 2010 so erfolgreich ausbreiten konnte, wird eines Tages eine wichtige Forschungsfrage für Historiker sein. Mainstream-Nachrichtenanbieter wie CNN und New-York-Times sind genauso ideologisiert wie Eliteuniversitäten wie Harvard und Yale. Die Aktivisten gehen strategisch immer gleich vor. Mithilfe der Rhetorik des „Antirassismus“ und als Kämpfer gegen „weiße Privilegien“ setzen sie sich in den Entscheidungsgremien renommierter Institutionen fest. Sobald sie die Entscheidungsgremien übernommen haben, benutzen sie das lange zuvor aufgebaute Renommeé, um woke Narrative in der Gesellschaft zu verbreiten und Kritiker zum Schweigen zu bringen. Ein Paradebeispiel dafür ist das „1619“-Projekt, welches sich der Neuschreibung der amerikanischen Geschichte widmet. Die Aufrechterhaltung der Sklaverei sei der wahre Grund für die Gründung der USA gewesen. Die Aktivistin Nikole Hannah-Jones erhielt für den Leitartikel zum 1619-Projekt sogar eine Pulitzer-Auszeichnung. 

„Es gibt nur eine endlose Gegenwart“

Mittlerweile leben wir in einer Welt, in der woke Aktivisten einige der renommiertesten Institutionen übernommen haben. Eine solche Entwicklung wäre vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen. Auch in Deutschland bleibt einem Großteil der Menschen die Konsequenzen dieser rasanten Transformationen verborgen. Tatsächlich sind diese Konsequenzen unabsehbar. Es darf bezweifelt werden, dass die Ideologisierung der Wissensquellen mit dem Ziel, die Menschen gemäß den Dogmen der neomarxistischen „Critical-Race-Theory“ umzuerziehen, eine gerechtere, freiere und vielfältigere Wissenswelt hervorbringen wird. In Wirklichkeit werden dadurch klassische linke und liberale Errungenschaften gefährdet, da der hegemonial-koloniale Anspruch der Wokeness-Kultur keine alternativen Sichtweisen duldet. Nur das, was woke Ideologen für richtig halten, soll als Wissen gelten dürfen.    

Orwell beschreibt eine ähnliche Entwicklung in seinem Roman 1984: 
„Jede Aufzeichnung wurde vernichtet oder verfälscht, jedes Buch überholt, jedes Bild übermalt, jedes Denkmal, jede Straße und jedes Gebäude umbenannt, jedes Datum geändert. Und dieses Verfahren geht von Tag zu Tag und von Minute zu Minute weiter. Die Geschichte hat aufgehört zu existieren. Es gibt nur eine endlose Gegenwart, in der die Partei immer recht hat.“

Bei der Wikipedia lautet dieses Vorgehen so: „Wir hoffen, dass die Wikimedia Projekte eines Tages einen großartigen Wendepunkt dokumentieren werden. Eine Zukunft, in der alle Gemeinschaften, Systeme und Institutionen die Gleichheit und Würde aller Menschen anerkennen. Bis dahin stehen wir an der Seite derer, die für Gerechtigkeit und Transformation kämpfen. Mit jedem Eintrag schreiben wir Geschichte!”

(We hope that one day the Wikimedia projects document a grand turning point — a time in the future when our communities, systems, and institutions acknowledge the equality and dignity of all people. Until that day, we stand with those who are fighting for justice and for enduring change. With every edit, we write history.)

Niklas Brauer ist Student der Philosophie an der Universität Innsbruck. 

Foto: Pixabay

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Gudrun Meyer / 20.10.2021

Wenn es nur um woke Kommentare ginge und sich die Darstellung geschichtlicher/zeitgeschichtlicher Ereignisse selbst streng an vorliegende Fakten hielte, hätte ich trotz meiner Allergie gegen die Wokeness keine Einwände. Selbst ein Ineinanderfließen von Tatsachen, Vermutungen, möglichen Hintergründen und schlichtem Kommentar könnte ich noch hinnehmen, wenn auch mit Pickeln am ganzen Körper, sofern es nicht zu faktischen Fälschungen käme. Das aber ist der Fall. Was man bei Wikipedia über den “Fall Waldheim” lesen kann, der laut Simon Wiesenthal wahrscheinlich ein Verleumdungsfall war, weiß jeder westliche Mensch ab 50 besser, wenn er sich noch an die Schlagzeilen von 1986 bis 1989 und an den - in jeder wichtigen Hinsicht entlastenden -  Historikerbericht von 1989 erinnert. Die Historiker, die Waldheims Biographie durchrecherchierten, waren nicht seine Freunde und sollten es auch nicht sein. Laut ihrem Bericht gab es keine Hinweise auf eine Verstrickung W`s in Kriegsverbrechen während des 2. WKs. Der einzige “Beleg”, den es da jemals gab, war die Behauptung eines politischen Konkurrenten Waldheims, der 1986 brüllte “W ist ein Kriegsverbrecher!!!” Dieser Konkurrent wusste nichts über W´s Vergangenheit, und was er zu wissen glaubte, war falsch, nämlich, dass W ein alter SS-Mann sei. Nach dem Historikerbericht gab es einen Moment lang tiefes Schweigen, danach fiel die Journaille auch noch über Wiesenthal her, den sie zum vollendeten Trottel erklärte. Es war abscheulich. W und die Historiker von 1989 sind tot. Da kann man fast risikofrei fälschen, und das hat der Wikipedia-Schreiber über den “Fall W” denn auch getan: er behauptet, laut dem Historikerbericht sei W als Schreibtischtäter aktiv gewesen und habe Judentransporte in KZs organisiert. Als ob ein Journo von 1989 einen so glühend erwünschten Befund für sich behalten hätte! Wenn übrigens W´s Konkurrent 1986 gewusst hätte, dass W gar kein SS-Mann war, hätte er er wahrscheinlich gebrüllt: “W ist ein Kinderschänder!”

Harald Unger / 20.10.2021

“Wie sich die Wokeness aus dem Milieu neulinker Akademiker ... so erfolgreich ausbreiten konnte, wird eines Tages eine wichtige Forschungsfrage für Historiker sein.” - - - Es ist das Palästinenser-Prinzip. Oder der Krieg ernährt den Krieg. Während normale Menschen, heute Neurechte, sich um Job, Firma, Familie kümmern - haben Marxisten nur eins im Sinn. Den Marxismus. Wie die Plästinerser, die nichts zur eigenen Daseisnvorsorge leisten müssen, um den höchsten Lebensstandard in der arabischen Nachbarschaft zu haben, leben Linke ausschließlich in parasitären Strukturen. Haben somit alle Zeit der Welt, wie die Palästienser für den Terror, für den Marxismus. Das Zentrum der Krake, das “Southern Poverty Law Center” ist die inzwischen $ milliardenschwere Dachorgansition, zu dessen Offshoots z.B. BurnLootMurder gehört. Angesichts der astronomischen Summen, die von Corporate America in diese Terrororganisationen gepumpt werden, dürfte BLM inzwischen auch zu den $ Milliardären zählen, deren Führungsfiguren in groteskem Pomp & Luxus leben. - - - Das Fußvolk indes, das sich für links hält, ist zu ungebildet und narzistisch, um zu kapieren, für wen sie arbeiten: Die reaktionärste Herrschaftsform, zu der Menschen fähig sind.

Ludwig Luhmann / 20.10.2021

An Wikipedia kann man lernen, dass im Kommunismus nichts Unpolitisches existiert.

Karl Wenz / 20.10.2021

Das Fatale ist, dass diese Transformation erst so richtig in Gang kam, nachdem wikipedia ein Qusi-Monopol erlangt hatte.

Detlef Dechant / 20.10.2021

Die Digitalisierung und der Aufstieg der neuen und “sozialen” Medien hat dafür gesorgt, dass die früher Taxi fahrenden Ewigstudenten und geisteswissenschaftlichen Jungakademiker nunmehr eine neue Beschäftigung gefunden haben: sie schreiben mit ihrem links-grün-sozialwissenschaftlichem Hintergrund genau für diese Medien. Zeit haben sie ja. Haben doch die wertkonservativen MINT-Absolventen und die im Mittelstand beschäftigten Facharbeiter und Unternehmer immer noch nicht kapiert, dass sie die durch ihre Anstrengungen in produktiver Arbeit - was ansich sehr dankenswert ist - erwirtschafteten Steuern und durch ihr Nichtkümmern um gesellschafts- und bildungspolitische Themen gerade dieser Mischpoke das Feld bereitet und überlassen haben, der Jugend links-grünes “Wissen” zu oktrohieren. Und da mittlerweile einige dieser Gruppe nun auch an Universitäten diese diffusen Gender- und andere Lehrstühle innehaben und ihre Studierenden auch noch anhalten, gerade dieses “Wissen” aus links-grün-dominierten Quellen zu nutzen (der Professor, der seinen Studierenden verbietet, Wikipedia zu zitieren, ist die Ausnahme). So dreht sich die Spirale des Erkenntnisgewinnes immer mehr linksrum.

Wilhelm Lohmar / 20.10.2021

Ich habe drei Konversationslexika aus den 60ern, den 70ern und den 80ern. In diesen Bänden ist der jeweilige Zeitgeit gut konserviert. So wird in dem dtv-Lexikon aus den 70ern, basierend auf dem Brockhaus, noch ganz selbstverständlich der Begriff “Negermusik” erklärt. Wikipedia fühlt sich nun dem Zeitgeist von heute verpflichtet - und das weltweit. Was die Geschichtsschreibung betrifft, so gibt es zum Glück immer noch auf Papier gedruckte Bücher, und die lassen sich nicht so einfach löschen oder neu schreiben wie dieser Digitalscheiß. Und selbst wenn, die Altversionen werden mit Sicherheit in etlichen Bibliotheken überleben. Es sei denn, daß sie verbrannt werden.

Nikolaus Szczepanski / 20.10.2021

Noch - ich betone noch - ist Wikipedia in einem wichtigen Bereich informativ und aussagekräftig. Wenn ich z.B. nach einem Autor eines politischen oder an der Geschichte anknüpfenden Buches suche, beachte ich genau, ob dort z.B. das Wort “umstritten” auftaucht. Das ist allemal ein ausreichender Hinweis darauf, daß der/die Gesuchte kein linker Ideologe bzw. kein Vertreter des Sozialismus oder Islam ist. Auch begleitende Literaturhinweise mit entsprechender kritischer Anmerkung sind dabei unterstützend und hilfreich. Insgesamt ist die Fähigkeit zwischen den Zeilen lesen zu können außerordentlich wichtig.

Walter Weimar / 20.10.2021

Im Internet gibt es Meinungen, kein Wissen. Niemand verschenkt sein Wissen. Mitunter ist eine Meinung von jemanden auch richtig und stellt Wissen und Tatsachen dar.

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