Thilo Spahl, Gastautor / 07.05.2021 / 12:00 / 43 / Seite ausdrucken

Wie Versicherungskonzerne die Klimakatastrophe beschwören

Die Bilder in unseren Köpfen (und auf manchem Zeitschriftentitel) zeigen geflutete Landschaften, vertrocknete Landschaften, brennende Landschaften. Aber die Realität ist eine andere: Der Klimawandel zerstört unsere Welt nicht, er führt zu graduellen Veränderungen, mit denen zurechtzukommen gewisse Kosten verursacht. Demgegenüber stehen mögliche Klimaschutzmaßnahmen, die auch Kosten verursachen. In einer rationalen Abwägung muss man beurteilen, welchen Aufwand man wofür betreiben möchte, um mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit später, zum Beispiel im Jahr 2100, zu erwartende Schäden beziehungsweise Anpassungskosten zu verringern. Wieviel Geld gebe ich für den Bau von Windrädern oder die Erhöhung von Deichen aus und wieviel Geld kann ich dadurch später durch die Vermeidung von Überflutungen vermeiden? Und so weiter.

An solchen Berechnungen beteiligen sich gerne Anbieter von Versicherungen. Und sie neigen dazu, zu sehr düsteren Prognosen zu kommen, denn die sind besser fürs Geschäft. So auch die Swiss Re in einer jüngst veröffentlichen Studie („The economics of climate change: no action not an option“) mit dem Ergebnis: 18 Prozent geringeres globales Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2050. Das macht schon etwas her (siehe Abbildung 1).

Die Zerstörungskraft der (un)bekannten Unbekannten

Wie kam man auf diese 18 Prozent? Im Sonderbericht-Bericht des IPCC zu den Folgen der Globalen Erwärmung um 1,5 Grad von 2018 war man zu einer ganz anderen Zahl gekommen. Dort heißt es (S. 256): „Beim Basisszenario ohne politische Gegenmaßnahmen steigt die Temperatur bis 2100 um 3,66°C, was zu einem Verlust des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,6% (5–95% Perzentilbereich 0,5–8,2%) führt, verglichen mit 0,3% (0,1–0,5%) bis 2100 beim 1,5°C-Szenario und 0,5% (0,1–1,0%) beim 2°C-Szenario.“

Das IPCC geht also im schlechtesten Fall, der sich auf das RCP 8.5-Szenario bezieht, das heute eigentlich niemand mehr als realistisch erachtet, von einer Verringerung des BIP um 2,6 Prozent im Jahre 2100 aus. Das Swiss Re Institute kommt auf 18,1 Prozent im Jahr 2050. Wie konnte diese rekordverdächtige Meisterleistung gelingen?

Nun, zunächst einmal wurde ein Temperaturanstieg von 3,2 Grad bis zum Jahr 2050 angenommen. Man hat sich wohl gedacht: Wenn es bis 2100 im Extremfall 3,66 Grad werden könnten, dann sind es vielleicht bis 2048 schon 3,2 Grad. Und dann hat man sich noch gedacht: Wenn im Extremfall bis 2100 die Kosten 2,6 Prozent des BIP sein könnten, dann sind es bis 2048 vielleicht schon, sagen wir mal, 2,2 Prozent. Und dann haben sie sich gesagt:

2,2 Prozent klingt irgendwie nicht nach besonders viel.

Was machen wir jetzt?

Ich habe eine Idee: Wir berücksichtigen noch die (un)bekannten unbekannten Verschlimmerungsfaktoren.

Ja, aber wieviel?

Machen wir zwei Szenarien: eins mit Faktor 5 und eins mit Faktor 10.

Okay, klingt gut. Damit müssten wir doch mindestens so auf 18 Prozent kommen.

Aber locker.

18 Prozent. Super Sache!

Gesagt, getan. Es werden Simulationen simuliert und Tabellen erstellt (siehe Abbildung 2).

„Unsere Motivation ist es nicht, alarmistisch zu sein“

So kommt man zur allgemeinen Zufriedenheit zu dem Fazit:

„Unsere Analyse zeigt, dass erhebliche wirtschaftliche Schäden auftreten werden, selbst wenn die Zusagen und Ziele zum Klimaschutz eingehalten werden. Das entsprechende Szenario und das Basisszenario für den Temperaturanstieg bis Mitte des Jahrhunderts (2°C bis 2,6°C und x10-Multiplikator für [un]bekannte Unbekannte) zeigen einen Verlust der globalen Wirtschaftsleistung im Vergleich zu einer Welt ohne Klimawandel von 11% bzw. 14%. […]  In einem extremeren Szenario mit ungebremstem Klimawandel und einer überdurchschnittlichen Erwärmung von 3,2°C könnten die Verluste bis zur Mitte des Jahrhunderts bis zu 18% betragen.“

Und man möge sie nicht falsch verstehen: „Unsere Motivation ist es nicht, alarmistisch zu sein, sondern die Schwere der potenziellen Risiken, einschließlich der Restrisiken, aufzuzeigen, wenn die Gesellschaft nichts gegen den Klimawandel unternimmt.“

Bjørn Lomborg kommentiert auf Twitter: „Swiss Re stellt fest, dass sogar ein schlimmerer als der schlimmste der Temperaturanstiege im Worst-Case-Szenario 2,2% des BIP kosten wird. Aber weil das nicht genug ist, multiplizieren sie es einfach mit 10. Das erregt mehr Aufmerksamkeit und verkauft wahrscheinlich mehr Versicherungen.“ (Dass 2,2 mal 10 das Ergebnis 18,1 ergibt, ist wohl den Finessen der komplexen Simulationsrechnung der Versicherungsmathematiker geschuldet, die hier nicht weiter erkundet werden sollen.)

Im Volksmund heißen diese Kosten mittlerweile Klimakatastrophe

Abschließend noch ein Hinweis zu den BIP-Verlusten. Es geht natürlich nicht um einen realen Rückgang im Vergleich zu heute. Es geht um eine Reduzierung der zu erwartenden Höhe des zu erwartenden Wohlstands in der Zukunft. Wenn wir also zum Beispiel davon ausgehen, dass das BIP pro Kopf in den nächsten 79 Jahren im Schnitt um moderate 1,5 Prozent pro Jahr wachsen würde, dann wären wir im Schnitt im Jahr 2100 um 224 Prozent reicher.

Zieht man davon die 2,6 Prozent ab, die der Klimawandel uns kosten wird, dann werden wir (nach dieser Beispielrechnung) im Jahr 2100 nur noch 215 Prozent reicher sein, weil wir in einigen Regionen eben Kosten für Deicherhaltung, Klimatisierung, Bewässerung oder ähnliches haben, die ohne Klimawandel geringer ausfallen würden. Im Volksmund heißen diese Kosten mittlerweile Klimakatastrophe. Im Jahr 2100 wird man das rückblickend wohl als irreführende Bezeichnung betrachten.

Im IPCC-Bericht Climate Change 2014: Impacts, Adaptation, and Vulnerability. Part A: Global and Sectoral Aspects. Contribution of Working Group II to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change” steht hierzu (S. 662): „Für die meisten Wirtschaftssektoren werden die Auswirkungen des Klimawandels im Vergleich zu den Auswirkungen anderer Treiber gering sein (mittlere Evidenz, hohe Zustimmung). Veränderungen der Bevölkerung, des Alters, des Einkommens, der Technologie, der relativen Preise, des Lebensstils, der Regulierung, der Regierungsführung und viele andere Aspekte der sozioökonomischen Entwicklung werden einen Einfluss auf das Angebot und die Nachfrage von wirtschaftlichen Gütern und Dienstleistungen haben, der im Vergleich zu den Auswirkungen des Klimawandels groß ist.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Novo-Argumente.

Hinweis zum Foto oben: Die Bild-Schlagzeile "Wir haben nur noch 13 Jahre..." stammt vom 23 Februar 2007.

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Leserpost

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giesemann gerhard / 07.05.2021

Wenn das dazu führt, dass die Leute weniger Kinder machen, aus Angst für deren Zukunft, warum nicht? Dann gibt es weniger Menschen, die das Klima machen - der Planet sagt danke. Denn er wächst nicht mit, Näheres unter “die Reichen werden Todeszäune ziehen”, gute Rezension zum Thema im “Spiegel 16” von 1982. Ziel erreicht, schön wär’s.

Elias Schwarz / 07.05.2021

Die große Katastrofe wird dann passieren, wenn es mit einem Grad heißer eben nichts passiert, außer daß die Wirtschaft ruiniert ist, der Wohlstand in die Geschichtsbücher verschwindet, die Menschen bis ins unendliche verblöden unw. Das größte Problem wird, Nahrungsmittel zu finden und das zweitgrößte - die medizinische Versorgung. Solche Risiken sollten sie abschätzen.

S.Müller-Marek / 07.05.2021

Ja, ja, ja, dieses ganze Zahlengedöns ist und bleibt ein zusammengeschustertes Konstrukt. Es wird so lange hin und her gerechnet bis es halt passt. Kennen wir doch alles u.a. von Corona- Inzidenzwerten. Unterm Strich geht es immer nur um Geld (Abzocke) und Machtgehabe (Kontrollwahn).

Rainer Mewes / 07.05.2021

Zum Thema Prognosen hab ich was. Mein Beitrag hat allerdings nichts mit dem Klima zu tun, es ist ein DDR-Witz aus den 80ern: Man füttert um die Zeit einen dicken Computer mit allen verfügbaren Daten und stellt ihm die Frage “Wie wird es in 50 Jahren in Europa aussehen?” Die Kiste rappelt eine ganze Weile und dann spuckt sie die Antwort aus: “Im Augenblick herrscht Ruhe an der Chinesisch-Finnischen Grenze!”

lutzgerke / 07.05.2021

Die abrupte Stillegung aller Industrien und Aktivitäten könnte genau das Gegenteil bewirken und eine neue Eiszeit auslösen. Daß das Ökosystem die plötzliche Stillegung verkraftet, ist zumindest fraglich. Auch hat von den Staatslenkern die Gefahr einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung nicht auf dem Schirm. Eine Pandemie könnte die Folge des Glaubens an die Pandemie werden. In den 70er Jahren hat in den USA die Prophezeiung einer Erdölknappheit genau dazu geführt. Vor den Tankstellen bildeten sich lange Staus und jeder raffte, was er an Sprit kriegen konnte. Die Ölknappheit war da. Wenn alle glauben, das Schiff kentert und rennen auf die Backbordseite, kriegt es Schlagseite und geht unter. / Im Mittelalter folgte auf eine Wärmeperiode ganz abrupt die kleine Eiszeit und es kam zu Hungersnöten. Die Kultur der Mayas ging an einer abrupten Kälteperiode unter.

Claudius Pappe / 07.05.2021

Der April 2021 war der kälteste April seit 40 Jahren. Der bisherige Mai, der kälteste seit 43 Jahren…...................

Michael Schweitzer / 07.05.2021

Herr Spahl,bei mir vor der Tür,hat es heute morgen(am 7 Mai) geschneit.Liege bei 460 Meter über Meeresspiegel(Sauerland). Den Klimahüpfern empfehle ich ein Trampolin gegen die Kälte,das macht Sinn.Sie mißverstehen die Versicherer,es geht in Wirklichkeit um eingefrorene Insektenschredderanlagen und blackouts(brownouts),das kostet.

Boris Kotchoubey / 07.05.2021

Allein Lockdown sorgt für einen 18%-igen Verlust des BIP nicht in 13, sondern in den nächsten 5-7 Jahren, und einen Temperaturanstieg braucht man dazu gar nicht.

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