Volker Seitz / 28.03.2020 / 14:00 / Foto: Kate Holt/AusAID / 11 / Seite ausdrucken

Wie vermeintliche Entwicklungshilfe lokale Firmen ruiniert

Katrin Pütz zieht seit 2015 mit ihrem Biogasrucksack und ihrem Geschäftsmodell Aufmerksamkeit auf sich. Im Rahmen ihres Studiums der Agrartechnik in Hohenheim hat sie sich bereits mit Biogas beschäftigt und das als eine Technologie mit viel Potenzial für die Länder des globalen Südens erkannt. Über ihr Start-up vertreibt sie mobile Biogastechnik aus Biogassackanlage, Biogasrucksack und Biogasbrenner – an lokale Geschäftspartner in ländlichen Regionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas.  

Ziel Ihrer Firma (B)energy in Köln ist es, Menschen Zugang zu sauberer, innovativer und ökologischer Kochenergie zu verschaffen. Entscheidend ist dabei, dass die lokalen Unternehmer selbst Verantwortung für die Energieprobleme in ihren Ländern und für einen nachhaltigen lokalen Wandel übernehmen.

Wichtige Akteure vor Ort sind Importeure, Installateure und Gasproduzenten in den entsprechenden Ländern. Alle sind unabhängige Unternehmer, die entweder die technischen Komponenten im Land verfügbar machen, sie vermarkten und installieren oder eine Kombination aus diesen. Die Gasproduzenten sind typischerweise die Kunden der Installateure. Sie werden zu Biogas-Unternehmern, indem sie in mobile Biogastechnologie investieren. Sie produzieren Gas, füllen es in die Biogas-Rucksäcke und verkaufen es. Die Leute setzen das Geschäftsmodell eigenständig um und verdienen Geld damit und zwar aus eigenem Antrieb, aus eigenem Interesse und mit eigenen Mitteln, weil es sich für sie lohnt. Afrikaner, die vor Ort ein funktionierendes Business aufgebaut haben, können inzwischen auch Leute aus den Nachbarländern trainieren. Das ist ein zusätzliches Standbein der Importeure und Installateure, die ihr Unternehmen erfolgreich umsetzen.

Eine große Gefahr ist allerdings die Zerstörung des Marktes durch die Eingriffe von Hilfsorganisationen, die die Technik, die Frau Pütz zu verkaufen versucht, einfach verschenken. Verschenken Organisationen, wie gerade beispielsweise in Uganda geplant, 200 Biogasanlagen, werden lokale Unternehmen, die Biogastechnik langfristig in ihrem Land etablieren, zerstört. Wer glaubt, es ist besser, armen Menschen mit einer solchen Maßnahme zu sauberer Kochenergie zu verhelfen und dafür die Zerstörung lokaler Entrepreneure wissentlich in Kauf nimmt, der hat die grundlegenden Probleme nicht verstanden. Bei diesem Projekt der 200 kostenlosen Biogasanlagen von Caritas (Österreich) geht es beispielsweise darum, CO2 von Flugreisen aus Europa auszugleichen. Ich halte es für problematisch, wenn Menschen CO2-Kompensationen nutzen, um sich nach außen umweltfreundlich zu präsentieren. Das hat mit der Entwicklung der Menschen vor Ort nichts zu tun. Es darf nicht länger vorkommen, dass lokale Unternehmen durch verschenkte Waren aus Europa ruiniert werden.

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Drei Nachauflagen folgten 2019 und 2020. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: Kate Holt/AusAID CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

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Ulla Schneider / 28.03.2020

Hallo Herr Seitz, kennen Sie das? Wenn jemand etwas umsonst bekommt, ist es umsonst. Man geht mit diesen Sachen nicht fürsorglich um. Macht ja nichts. Man kriegt das ja wieder umsonst. Es gibt auch das Gegenteil, aber das ist selten. Dies ist das ständig wiederkehrende Problem der Entwicklungshilfen. Man übernimmt nur Verantwortung, wenn man selbst beteiligt ist. Bei den Entwicklungshilfen geht es wohl nur, neben dem Geld natürlich, um den Fisch und nicht die Angel. Deswegen klappt das seit Jahrzehnten nicht. Also auch nicht bibelfest. Und dann C0 2 ??? Hahaha. Meim alter Spruch” ...... in Kiel haben sie mal einen Matrosen erschossen, der hatte keine Ausrede .....” Ein tolles Geschäftsmodell, diese Entwicklungshilfen. Schade für diese kleine Firma. Da hätte sich richtig was entwickeln können, auf Kopfhöhe, versteht sich!

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