Susanne Baumstark / 30.11.2019 / 06:00 / Foto: EPP / 57 / Seite ausdrucken

Wie sich das Bundeskanzleramt der Kontrolle entzieht

Was sich in diesem Antrag der FDP im Bundestag verbirgt, ist geradezu skandalös. Während aus dem Bundeskanzleramt ständig die Demokratie angemahnt wird, betreibt man just dort eine „hybride Praxis von Koordinationsbeauftragungen“. Beispiel: Der Chef des Bundeskanzleramts wurde im Oktober 2015 als Flüchtlingskoordinator aufgestellt, „der sich aufgrund seiner unklaren Rollenbeschreibung einer effektiven parlamentarischen Kontrolle entzogen hat“.

In diesem Zitat aus dem Antrag nur ein Beispiel unter vielen: „Dieser permanente Aufgabenausbau jenseits der Ressortfreiheit schlägt sich auch in den dafür beanspruchten Ressourcen nieder. Im Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes fand insbesondere in der Regierungszeit der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ein enormer Aufwuchs an Planstellen für Beamte und Stellen für Angestellte von 465,3 im Jahr 2005 auf insgesamt 706,5 im Jahr 2019 statt. In demselben Zeitraum hat sich das Budget des Bundeskanzleramtes von 45.858 Mio. Euro auf 183.453 Mio. Euro beinahe vervierfacht.“

In einer Meldung des Bundestags ist ergänzend von Gesamtausgaben aus dem Etat der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramts für 2019 in Höhe von 3,24 Milliarden Euro die Rede, im kommenden Jahr dann etwas weniger. Während man bei den Investitionen sparen will, sollen die Personalausgaben 2020 auf 344,6 Millionen Euro steigen. 

„Zersplitterung der parlamentarischen Kontrolle“

Der Bundestag wird also – entgegen sämtlicher Anmahnungen – weiter aufgebläht. Wo bleibt die demokratische Kontrolle durch den Journalismus? Nirgends. Die FDP will nun die „Einsetzung eines Kanzleramtsausschusses“. Der ständige Ausschuss soll für die parlamentarische Kontrolle des Bundeskanzleramts zuständig sein. Weitere Gründe dafür sind: Die Politik der Europäischen Union ist inzwischen „schlicht operative Innenpolitik“ und daher kontrollbedürftig. Außerdem: „Die Staatsministerin und Beauftragte ... für Migration, Flüchtlinge und Integration führt eine Behörde mit mehreren hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese Übernahme von Fachthemen steht im Spannungsfeld mit dem Grundsatz der Ressortfreiheit des Bundeskanzler-Amtes. Es droht eine Flucht aus der ministeriellen Verantwortung gegenüber dem Parlament in die Ressortfreiheit sowie eine Zersplitterung der parlamentarischen Kontrolle.“

Man darf angesichts dieser Regierungspraxis fragen, wie demokratisch gesinnt die Bundeskanzlerin selbst ist. Und inwieweit es ihre loyalen Zuträger sind. Heiko Maas etwa hatte in seiner Ex-Rolle als Bundesjustizminister „die Mitarbeiterzahl des Leitungsstabs in seinem Ministerium nahezu verdoppelt“. Und dass man in Berlin die Genossen gern mit hoch dotierten Posten versorgt und dafür lieber bei der Polizei spart, ist ebenso bekannt wie „Die Familienpartei“ in Brandenburg. Auf Moral und Demokratie können sich solche gekauften Mitspieler jedenfalls nicht berufen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.

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Leserpost

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Christian Noha / 30.11.2019

Deshalb saufen Merkels treueste Genossen, die SPD, auch gemeinsam mit ihr ab. Zu Merkels Demokratieverständnis sei noch ein Blick zurück gewagt: zu DDR-Zeiten FDJ-Propaganda-Funktionärin, also eher linientreu. Zur Wendezeit Eintritt in die Stasi-Splitter-Partei DA,Demokratischer Aufbruch. Also weiter linientreu. Dann durch viele Zufälle CDU-Vorsitzende. Hier forderte sie zuerst, dass die Partei nach Kohl endlich „laufen lerne“, nur um dann dessen monarchische Strukturen zu übernehmen und zu einem diskussionslosen Absolutismus zu perfektionieren. Wie noch so viele Leute in der CDU einfaches Mitglied sein können, kann man nur mit einem ausgeprägten Untertanengeist erklären.

CZECH ALEX / 30.11.2019

Die gute Frau und ihre rote Entourage ein Fall für das Klima-Notstandsgesetz. In anderen Ländern hätte die KlimaBuntWehr schon lange dem roten Treiben ein Ende gesetzt. In Buntland jedoch wartet man auf ...... was eigentlich?

Karl-Heinz Peters / 30.11.2019

Und ich muss mit meinem sauer verdienten Geld diese Bagage finanzieren. Da soll einer noch ruhig bleiben ...

Gert Köppe / 30.11.2019

So funktioniert halt Merkels “feudaler Beutestaat”. aber der Bevölkerung Sparsamkeit, Verzicht, Gesetzestreue und “Demokratie leben” verordnen. Das nenne ich doch mal “Moral” und “Bürgernähe”. Der deutsche “Michel” ist allerdings mehrheitlich zufrieden und braucht nun mal seine Kaiserin.

Siegurd Möller / 30.11.2019

Die Verschwendung und Fehlverwendung von Steuergeldern mit immer neuen Steuerabpressungen und zunehmender Vollkontrolle über das Individuum bis zum Bargeldverbot und Kontrolle der letzten Freiheiten wie z.B Vermögenssicherung durch Kauf physischen Goldes nimmt immer weiter zu.  Die Aufblähung des Merkelschen Leviathan ist grenzenlos. Sinnlose Posten mit unfähigen Inhabern und gigantische Beraterkosten, die darin selbst auch nur eine Gewinnbranche für sich sehen und unfähigen Rat geben werden massenhaft erschaffen.  Als Lakaien die ihren gemütlichen Job mit täglich wachsendnen Maßregelungen der arbeitenden Bevölkerung verbringen, prassen sie und hängen sich dafür gegenseitig Orden an die Brust und beglückwünschen sich für den Dreck, denn sie immer weiter anrichten. Die Geldvernichtung unter der Regierung Merkel, alleinig zum ewigen Machterhalt der Monarchin wird noch ganz böses Blut machen.

Gabriele Kremmel / 30.11.2019

Dass unsere Bundeskanzlerin Demokratie nicht kann (oder nicht schätzt, wenn es ihr nicht ins Konzept passt) wurde schon früh sichtbar. Eigentlich konnte man es sich denken, denn wer in der DDR sozialisiert wurde und dort seine politische Karriere begonnen hat, woher sollte der einen freiheitlichen Demokratiebegriff haben? Ich hatte derlei Bedenken geäußert, als Merkel Kanzlerkandidatin wurde, doch das wurde als absurdes Vorurteil gewertet. Inzwischen hat sich zu meinem großen Bedauern diese Befürchtung bestätigt. Insofern überrascht das nicht wirklich. Was mich aber tatsächlich schockiert ist die Bereitwilligkeit, mit der Parlament und demokratische Korrektive wie, v.a. die Presse diese Demokratieverachtung hinnehmen und das Machtspiel der Angela Merkel mitmachen (und erst ermöglichen). Sie führt sich auf wie eine Patin, und Gertrud Höhler hat das bereits 2012 in ihrem gleichnamigen Buch beschrieben. Es freut mich, zu hören, dass die FDH hier einen Antrag stellt - meine Erwartung, dass sie etwas damit erreicht ist jedoch eher gering.

Rolf Lindner / 30.11.2019

Danke, das reicht! sagte der Staatsanwalt. Lang ist es her, aber in meiner Erinnerung gab es Jahre, da wäre das schon längst eine Skandalgeschichte - ein richtiger Aufreißer - im Spiegel oder anderer bekannter Journale gewesen. Da die Zahlen und die Vorgänge eigentlich bekannt sind, ist es traurig, dass diese Missstände erst jetzt und durch einen Antrag der FDP in den Fokus geraten. Ist aber “nur” eine der Metastasen des Merkeloms, das an Deutschland frisst.

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