Die Genossen sind treue Seelen. Wen sie einmal in die Arme geschlossen haben, den lassen sie so schnell nicht fallen. Obwohl er als Falschmünzer enttarnt wurde, hat Malu Dreyer, die sozialdemokratische Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, entschieden, Robert Menasse wie geplant am 18. Januar mit der Carl-Zuckmayer-Medaille zu ehren.
Die literarische Auszeichnung, dotiert mit einem 30-Liter-Weinfass, werde dem Wiener Autor für seine „Verdienste um die deutsche Sprache“ verliehen. Außerdem habe „sein engagiertes Streiten für die europäische Idee ... die politische Debatte um die Zukunft der Europäischen Union sehr bereichert“.
Für diese ideologische Dienstleistung hatte sich die SPD bereits 2013 erkenntlich gezeigt. Für seinen Lobgesang auf die Brüsseler Bürokratie, erschienen unter den Titel „Der europäische Landbote“, bekam Robert Menasse den Literaturpreis der Friedrich-Ebert-Stiftung, eine hübsche Urkunde und 10.000 Euro dazu. Die Laudatio hielt Peer Steinbrück. Im Publikum saß neben anderen Frank-Walter Steinmeier, der dem Fabulierer noch als Bundespräsident seine Aufwartung machte, 2017 beim Antrittsbesuch an der schönen blauen Donau.
Gesucht und gefunden
Robert Menasse und die Genossen haben sich gesucht und gefunden. Sie sind ein Herz und eine Seele. Mit seinen Geschichten schmeichelt er den Linken, indem er die Welt erfindet, wie sie sie gern hätten, multikulturell, chic, ein bisschen verrucht, unkonventionell, sexy und wohl versorgt allemal. Dass er dabei bisweilen historische Ereignisse erfindet, die es zwar nie gab, die aber gerade deshalb ins vorgefasste Weltbild passen, hat seine Gemeinde nie gestört. Zuverlässig seit Jahrzehnten bedient er das Verlangen der Weltbürger im Krähwinkel nach dem politischen Kitsch. Schwermütig tragen seine Helden die Last des Lebens.
Erstmals aufgefallen ist mir das 1991. In einer Rezension für die Zeitschrift „Literatur und Kritik“ schrieb ich damals über den Roman „Selige Zeiten, brüchige Welt“: „Das Lachen ist des Autors Sache nicht, ein gequältes Lächeln allenfalls vermag er sich bisweilen abzuringen; am liebsten jedoch legt er die Stirn in Falten; gleich, ob er die hermaphroditischen Anwandlungen des Helden beschreibt oder in Bildern schwelgt, wenn er uns berichtet: "Leo sah Judith jetzt entschlossen in die Augen, mit einem langen zupackenden Blick, heiß und beinahe grob, ein Blick, der gleichsam ein glühendes Fragezeichen auf einen Amboss legte und zu einem Ausrufezeichen zurechtschlug.“
Bei so viel Qualm verschlägt es mir noch heute den Atem. Wie glücklich wäre Hedwig Courths-Mahler gewesen, wäre es ihr einmal gelungen, ähnlichen Schwulst zu dichten. „Hier müsse sich einer“, heißt in meiner ausgegrabenen Kritik weiter, „seinen Traum von der Seele geschrieben haben“. Einer zudem, der an anderer Stelle von sich sagte: „Ich habe eine so schwache Identität, dass ich mir Lebensläufe und Identitäten erfinden muss.“
Brüchige Welten und feuchte Augen
Mit meinen Zweifeln an dem „großen österreichischen Roman“ (Karl-Markus Gauß) stand ich ehedem allerdings ziemlich verlassen auf weiter Flur. Die älteren Kollegen wollten sich mit dem pubertären Geraune nicht befassen, während die jüngeren feuchte Augen bekamen, wenn sie lasen, wie da aus der brüchigen Welt selige Zeiten geschmiedet wurden. Dafür gab es Preis um Preis. Selbst verrissen wurde, wer nicht in den Lobgesang einstimmte. Der Autor ballte die Fäuste. Mir wollte er nach dem Erscheinen meiner Kritik „die Fresse“ polieren. Soweit ist es dann nie gekommen. Hunde, die bellen, beißen nicht.
Daran hat sich bis heute wenig geändert. Robert Menasse schwebt nach wie vor in Illusionen. Ihm wie seinen Lesern helfen sie, sich über die Realität hinwegzusetzen. Mehr als den politischen Kitsch, den ich ihm seinerzeit vorhielt, hat er nie zustande gebracht: „Nichts kennt der Autor besser als die geheimen Sehnsüchte seiner Generation, der Enttäuschten, die zu spät geboren wurden, um 68 schon auf die Barrikaden klettern zu können. Ihnen hat er eine romantische Geschichte auf den Nachttisch gelegt. Hier finden sie noch einmal die Welt, in der sie gern Außenseiter gewesen wären.“
Was wäre dem noch drei Jahrzehnte später und etliche Romane danach hinzuzufügen? Nichts! Robert Menasse ist geblieben, was er von Anfang an war: eine aufgeblasene Knalltüte. Und insofern mag es dann doch berechtigt sein, ihm eine Auszeichnung zu verleihen, die nach dem Autor der Geschichte des „Hauptmanns von Köpenick“ benannt ist. Wenigstens dem Schwindler könnte der Geehrte das Wasser reichen. Wie indes Carl Zuckmayer, der geniale Spötter, das Schmierentheater dieser politischen Preisvergabe auf die Bühne bringen würde, steht auf einem anderen Blatt.