Fußball war lange Teil meines Lebens. Heute nicht mehr. Für mich ist nicht die AfD die größte Bedrohung der Demokratie – sondern öffentlicher Bekenntniszwang und grüner Paternalismus.
Der Trainer des Erstligisten RB Leipzig, Marco Rose, wurde bei der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Bayer Leverkusen von dem dpa-Journalisten Tom Bachmann darüber in Kenntnis gesetzt, dass zurzeit überall in Deutschland Demonstrationen gegen rechts stattfinden, außerdem, dass Freiburgs Trainer Christian Streich bei einer solchen Demonstration dabei war und am 21. Januar um 15 Uhr auch in Leipzig eine entsprechende Kundgebung stattfinde.
Die Frage des dpa-Journalisten zum Fußball-Spitzenspiel der Bundesliga lautete, wie der RB-Trainer allgemein zum Thema Rechtsextremismus stehe, ob er an dieser Demo gegen Rechtsextremismus teilnehme und ob es nicht angebracht wäre, wenn er es täte. Im Mitschnitt der Pressekonferenz fallen die hochgehenden Augenbrauen und die genervte Miene von Rose auf, als Bachmann seine Wortmeldung damit einleitete, dass er gern mal vom Thema Fußball wegkommen möchte.
Angesichts der Tatsache, dass solche öffentlich eingeforderten Bekenntnisse Prominenter absolut nichts wert sind, weil dem Betreffenden bei drohender Strafe des eigenen beruflichen und sozialen Untergangs gar keine andere Wahl bleibt, als die üblichen gestelzten Worthülsen abzusondern, stellte Roses Antwort, nämlich, dass er gegen „Dummheit, Rechtsextremismus und jede Form des Extremismus ist“, schon den Gipfel der Dissidenz dar. Dieser übergriffige, aggressive offizielle Bekenntniszwang erinnert mittlerweile nicht nur mich an DDR-Zeiten, so, wie der neue offizielle Gegen-Rechts-„Antifaschismus“ für mich eine Wiederauflage des alten, verlogenen DDR-Antifaschismus darstellt.
24/7 mit Regenbogen- und Buntpropaganda beschallt
Genau dieses zwanghafte Durchpolitisieren der Stadien hat dazu geführt, dass ich mich mittlerweile kaum noch für das interessiere, was früher ein wichtiger Teil meines Lebens war: Fußball. Ich bin noch zu Regionalligazeiten mit dem RB-Sonderzug nach Kiel gefahren, war in Lotte zum Aufstiegs-Relegationsspiel zur dritten Liga, bin nach Erfurt, Meuselwitz, Halle; war als Jahreskartenbesitzer bei jedem Heimspiel. Vorbei. Dieses ganze penetrante „Unser-Ball-ist-bunt“-Blabla, der lächerliche Kniefall vor dem Anpfiff, der eine Zeitlang so in Mode war, dass ich dachte, dass es der Profi-Fußball nie wieder schaffen wird, aus dieser modernen Pioniergrußnummer rauszukommen, kurzum, die Einführung des Haltungssports hat dazu geführt, dass wir als Familie unsere Jahreskarten zurückgegeben haben und auch im Fernsehen nur noch sehr gelegentlich Spiele ansehen. Nicht, um aktiv zu protestieren und zu boykottieren. Gott bewahre. Die Haltungseinforderer und Haltungsspieler haben es geschafft, unsere Begeisterung selbst für unsere Herzensmannschaft auf nahezu Null zu bringen. Man wird mittlerweile in Deutschland 24/7 mit dieser Regenbogen- und Buntpropaganda beschallt. Wenn man mir nicht einmal in der Woche für zwei Stunden im Stadion eine Pause davon gönnt, spare ich mir den Besuch im Zentralstadion.
Von der deutschen Nationalmannschaft ganz zu schweigen. Vor 15 Jahren waren selbst Spiele gegen die Färöer-Inseln Pflichttermine vor dem Fernseher. Ich hing Ewigkeiten am Hörer, um Karten für ein Freundschaftsspiel gegen Israel in Leipzig zu ergattern, weil ich einfach so verrückt darauf war, unsere Jungs endlich mal live zu sehen. Was haben wir beim WM-Finale 2014 gefiebert. Und bei der WM 2006 im eigenen Land vier Wochen Party gefeiert. Alles Geschichte. Nach all den Peinlichkeiten und Zumutungen, der Streichung von „deutsch“ und „national“ aus dem Mannschaftsnamen, dem billigen Dissen der kleinen, machtlosen Ungarn beim EM-Gruppenspiel in Deutschland wegen zu Unrecht behaupteter Homophobie, während die DFB-Funktionäre gleichzeitig den mächtigen und tatsächlich homophoben Scheichs den Allerwertesten küssten, nach Inszenierungen wie dem per knalligem Regenbogenmobil zum Anstoßkreis gefahrenen Spielball, der Mund-zuhalten-Geste, mit der uns die Mannschaft vor der ganzen Welt abzüglich der woken 20-Prozent-Minderheit im Westen zum Gespött gemacht hatte, nach einer deutschen Innenministerin, die wie vor 90 Jahren mit Armbinde im Stadion sitzt, ist mir „Die Mannschaft“ nicht nur völlig egal geworden. Ich freue mich jedes Mal diebisch, wenn ich am nächsten Tag mitkriege, dass sich unsere Rainbow & Diversity-Warriors mal wieder gegen einen kleinen Gegner so richtig zum Klops gemacht haben.
Wenn der RB-Trainer Rose meinte, dass es wichtig ist, gegen Dummheit und jeden Extremismus aufzustehen: Heißt das eigentlich, dass ich im Stadion gegen diesen ganzen woken, pseudofortschrittlichen, pseudodemokratischen grünen Wahn aufstehen darf, der unser Land gerade mit Vollgas gegen die Wand fährt? Und unsere Demokratie gleich mit dazu und zwar unter dem Vorwand, die Demokratie zu schützen? Heißt das, dass ich im Stadion Flagge zeigen darf gegen die türkischen Neonazis der Grauen Wölfe, gegen islamische Fundamentalisten, die offen davon träumen, hier einen Gottesstaat zu errichten? Gegen Klimakleber, gegen den linksextremen schwarzen Block? Schon gut, kleines Späßle. Die Antwort kennen wir.
Und was genau ist ein Rechtsextremer, würde ich gern Herrn Bachmann von dpa fragen. Früher wusste ich das, weil ich in Wendetagen in Leipzig selbst bei den Demos der linken Szene gegen die Rechtsextremisten von FAP, NPD, JN und so weiter auf der Straße war. Die Rechtsextremisten waren diejenigen, die mit Naziskin-Outfit oder mit Fascho-Frisuren auf der Suche nach (schon optisch offensichtlich) Linken wie mir oder Ausländern durch die Stadt streiften. Reudnitz zum Beispiel war damals ein echtes Nazipflaster mit den RR, den Reudnitzer Rechten. Das waren Leute, die zu dritt oder viert im Auto patrouillierten, um zu schauen, ob sie, wie es damals hieß, was zum Klatschen finden. Die Zeiten sind zum Glück vorbei, weil wir es geschafft hatten, diese wirklich Rechtsextremen aus der Stadt zu jagen. Deshalb weiß ich nicht, was Leute wie der zitierte Journalist mit „Rechtsextremisten“ meinen.
„Sinti*zze und Rom*nja“ – echt jetzt?
Heutzutage gilt man schon als Rechtsextremist, wenn man sagt, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt, wenn man das sogenannte ,Gendern‘ für die völlig beknackte Privatorthografie einer kleinen möchtegernfortschrittlichen Minderheit hält, die seit zwanzig Jahren mit der Brechstange versucht, diese Idiotensprache der 80-Prozent-Mehrheit aufzuzwingen. Wenn man eine Migrationspolitik fordert, die die Interessen der hier Lebenden berücksichtigt. Oder wenn man bestimmte Begriffe des Grünsprechs ablehnt, beispielsweise „Sinti*zze und Rom*nja“. Mit wie vielen Sinti*zzen und Rom*nja seid ihr denn privat befreundet oder zumindest bekumpelt, liebe Angehörige des grünen Hochadels? Ich hatte beispielsweise ungarische Schweißerkollegen, die Zi … ähm … ich meine, die Rotationseuropäer sind. Diese Kollegen bezeichnen sich stolz als … na, ihr wisst schon. Wort mit Z. Die nennen sich noch nicht einmal selbst Sinti und Roma, weil das denen zu doof ist. Und jetzt kommt denen unsere grüne chattering class in ihren garantiert rotationseuropäerfreien Bionadevierteln wie Berlin-Prenzlauer Berg oder dem Leipziger Waldstraßenviertel mit „Sinti*zze und Rom*nja“. Echt jetzt?
Ich habe dieses „Sinti*zze und Rom*nja“, das auf einer Social-Media-Kachel der Grünen stand, einmal den beiden Kollegen gezeigt (die übrigens Super-Schweißer sind und einwandfrei deutsch sprechen, und mit denen keiner der deutschen Kollegen irgendwelche Probleme hatte, am allerwenigsten die 50 plus x Prozent, die mittlerweile aus Protest gegen die verächtliche, normalbürgerfeindliche Politik der Ampel AfD wählen). Den Schweißern aus Ungarn ging es wie uns. Man weiß nicht, ob man bei dieser Dummheit, die versucht, sich als hochmoralische Weltoffenheit und Nachdenklichkeit zu kleiden, ob dieser Paternalismus, der sich anmaßt, ungefragt zum Sprachrohr von Leuten aufzuschwingen, die gar nichts mit einem zu tun haben wollen, lachen oder heulen soll.
Diesen Punkt müssen wir echt klären, bevor wir uns damit beschäftigen, was solche Fragen auf einer Bundesliga-Pressekonferenz zu suchen haben. Meinte der dpa-Vertreter rechtsextreme Rechtsextreme? Dann wäre ich völlig bei ihm. Gegen Extremisten muss man etwas tun. Auch wenn ich dieses Tun in den Händen von Polizei und Justiz sehen möchte und nicht in den Händen militanter Linksextremer. Oder ist damit die moderne Definition der Qualitätsdemokraten gemeint? Dieses: „Alles rechts von Angela Merkel ist rechtsextrem“?
Nur noch die Wahl zwischen Fifty Shades of Green?
Dann kann ich nur sagen: schuldig im Sinne der Anklage. Wie übrigens auch einige Leute, die ich noch aus Wendetagen aus der Leipziger Anarchoszene rund um Eiskeller, Zorro, Mockauer Keller kannte, und die heute sagen, dass sie keine Angst vor der AfD haben, sondern dass sie die Grünen fürchten und die Gegen-Rechts-Kundgebungen als durchgeknallten, autoritären Kult wahrnehmen.
Der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz von der CDU, meinte, ein Verbot der AfD würde „der Demokratie eine Atempause verschaffen“.
Nein, Freunde, genau das Gegenteil ist der Fall. Ein Verbot einer Partei, die im Osten 30 bis 40 Prozent der Wählerstimmen auf sich zieht und vermutlich ein noch höheres Potenzial hätte, wenn sie nicht so oft krawallig und unsympathisch daherkommen würde, wäre das Ende der Demokratie. Es wäre der Beweis, dass man als Bürger eben nicht mehr die Möglichkeit hat, durch Wahlen den Kurs der Politik zu ändern und mitzubestimmen, sondern sich nur noch zwischen Fifty Shades of Green entscheiden kann.
Viel Spaß in dieser „befriedeten Demokratie“ kann ich da nur wünschen. Nur fürchte ich, dass diese „befriedete Demokratie“ der DDR sehr viel mehr ähnelt als der alten Bonner Republik, in der die Demokratie noch eine echte Demokratie war und keine „liberale“ Demokratie modernen Zuschnitts, in der Leute zur Urne dürfen, am Ende aber fast immer das geschieht, was die selbsterklärten liberalen Demokraten für richtig halten. Ich frage mich, worin sich das eigentlich noch von SED-Chef Walter Ulbrichts Satz unterscheidet: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“
Dieser Beitrag erschien zuerst bei publico.
Wolfram Ackner, 52, nahm 1989 an den Leipziger Montagsdemonstrationen teil, lebte einige Zeit als Punk und baute sich später eine Radikalexistenz als Schweißer, Familienvater und Hausbesitzer in Leipzig auf.