Nach einem recht kurzen Wahlkampf – über den wir hier berichteten – hat Australien am vergangenen Samstag gewählt. Der große Gewinner ist der bisherige liberal-konservative Premierminister und Kandidat der Coalition Scott Morrison – von den abkürzungsbegeisterten Australiern ScoMo genannt. Die beiden großen Verlierer sind die linke Labor Party mit ihrem Spitzenkandidaten Bill Shorten und die Wahlprognostiker.
Alle, wirklich alle in den letzen Monaten veröffentlichten Wahlprognosen hatten übereinstimmend einen deutlichen Sieg von Labor prognostiziert. Noch am Vorabend der Wahl sahen Kommentatoren Labor mit 15 Sitzen Vorsprung auf der Siegerstraße. Tatsächlich konnte Labor nur 67 Sitze erringen, die Coalition dagegen 76 und damit bereits die absolute Mehrheit. Einige der insgesamt 151 Sitze gehen an unabhängige Kandidaten und kleine Parteien, wie etwa die Grünen, deren Kandidaten sich (erneut) in lediglich einem Wahlkreis durchsetzen konnten.
Berücksichtigt man nur die erste Präferenz der abgegebenen Stimmen, hat lediglich gut ein Drittel der ca. 15 Millionen Wähler für Labor gestimmt. Ein Desaster, das noch getoppt wird von dem Ergebnis des im Nordosten des Kontinents gelegenen Bundesstaats Queensland, wo kaum mehr als ein Viertel für die Labor Party stimmte, obwohl diese immerhin die dortige Landesregierung stellt. Was sind die Gründe für die Niederlage von Labor, was erklärt den Erfolg der liberal-konservativen Coalition?
Labor hatte auf massive Lohnsteigerungen für die Geringverdiener und auf verschiedene soziale Wohltaten gesetzt, die über eine massive Erhöhung des Steueraufkommens, durch eine große Steuerreform, finanziert werden sollten. Aber diese Reform – darauf haben die Liberal-Konservativen immer wieder hingewiesen – hätte keinesfalls nur „Reiche“ getroffen und darüber hinaus wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsmarkt bedroht.
Die Umverteilung von oben nach unten hat zwar auch in Australien seine Freunde. Aber die Motivation, es selbst schaffen zu wollen, ist – ähnlich wie in den USA – deutlich stärker ausgeprägt als in Deutschland. Außerdem war die Labor-Strategie, den Wählern ein vermeintlich riesiges Gerechtigkeitsproblem nahezubringen, notwendigerweise verknüpft mit dem Schlechtreden der aktuellen Lebensverhältnisse in Australien.
Nach Brexit und Trump jetzt auch Australien?
Das aber trifft nicht den Nerv der meisten Australier, die es vielmehr sehr zu schätzen wissen, hier, und nirgendwo sonst, zu leben. Und die in ihrer jüngeren Geschichte gelernt haben, dass die Verdoppelung des Lebensstandards in den letzten 50 Jahren nicht durch steuerfinanzierte Umverteilungen, sondern eine wachsende Wirtschaft zustande kam. Die von der Regierung erwarten, dass die steuerfinanzierten öffentlichen Dienstleistungen funktionieren, ansonsten aber von ihr in Ruhe gelassen werden möchten.
Einige Beobachter stellen den unerwarteten Wahlsieg von Scott Morrison in eine Reihe mit der Brexit-Abstimmung und dem Triumph von Trump bei der letzten US-Wahl. Was das Scheitern der Wahlprognostiker anbelangt, trifft das zweifellos zu. Außerdem ist auch bei der Australien-Wahl ein gewisses Stadt-Land-Gefälle zwischen den Parteien zu registrieren: Labor, die alte Arbeiterpartei, hat in den meist schicken und teuren innerstädtischen Wohngebieten der Metropolen leicht zugelegt, aber in den Vororten, Provinzstädten und auf dem Land vergleichsweise deutlich stärker verloren. Aber die Mehrheit für die Coalition – und das macht den Unterschied zur Brexit- und Trumpwahl aus – basiert eben nicht auf einer mehr oder weniger wütenden und enttäuschten Wählerschaft.
Die genannten sozialen Themen spielten im Wahlkampf durchaus eine wichtige Rolle, standen aber meist im Schatten der äußerst ambitionierten, ja geradezu utopischen Vorstellungen von Labor zum Thema Klimaschutz. Konnte man bei den geplanten sozialen Wohltaten noch auf eine durchgerechnete Gegenfinanzierung verweisen, weigerte sich Shorten nicht nur beharrlich, die Kosten für seine Klimaagenda – drastisches Herunterfahren der CO2-Emissionen, rasanter Ausbau von E-Mobilität, Wind- und Solarenergieanlagen – zu beziffern, sondern bezeichnete entsprechende Fragen gar als „dämlich“. Schließlich sei der Kampf gegen den Klimawandel alternativlos und Nichtstun mit Sicherheit teurer. Außerdem würde der Strom billiger werden und selbstverständlich jede Menge neue Arbeitsplätze entstehen.
Die Stimmung völlig falsch eingeschätzt
Auch beim Thema Klimaschutz hat Shorten die Stimmung völlig falsch eingeschätzt, da sind sich nahezu alle Kommentatoren einig. Es gilt vielmehr weiterhin, dass in Australien keine Wahl gewonnen wird, indem man sich gemein macht mit den Klimahysterikern aus den gentrifizierten Stadtvierteln der Metropolen. Die Australier scheinen zwar in ihrer großen Mehrheit damit einverstanden zu sein, sich an die im Pariser Abkommen vereinbarten CO2-Zusagen zu halten. Eine deutliche Mehrheit ist aber ganz offensichtlich nicht bereit, beim sogenannten Klimaschutz weltweit an der Spitze zu marschieren, Politikern einen entsprechenden Blankoscheck auszustellen und damit den Lebensstandard oder gar den eigenen Arbeitsplatz zu gefährden.
Und das auch noch weitgehend sinnfrei, denn jede von Australien vermiedene Tonne CO2 würde dann eben irgendwo anders in Südostasien produziert werden, zudem unter deutlich schlechteren Umweltstandards. Dieser Pragmatismus und diese Nüchternheit bei einem moralisch so aufgeladenen Thema ist umso bemerkenswerter, als für Australien in puncto weiterer Erwärmung nur noch wenig Luft nach oben ist und man vor nicht allzu langer Zeit überdurchschnittlicher Hitze und Dürre ausgesetzt war, gegen die unser Sommer 2018 ein laues Lüftchen war.
Diese Wahlanalyse wäre unvollständig, ohne den aktuellen und künftigen Premierminister Scott Morrison zumindest kurz zu würdigen. Bereits in den Wahlumfragen war er der deutlich beliebtere Kandidat. Morrison wirkt im Vergleich zu Shorten authentischer, bescheidener, deutlich volksnäher und verkörpert in gewisser Weise den Durchschnittsaustralier. Im Gegensatz zu Shorten hat er darüber hinaus bereits als Minister für Immigration bewiesen, auch schwierige Probleme wie die australische Flüchtlingskrise vor wenigen Jahren, rasch, konsequent und nachhaltig lösen zu können.
Allerdings trägt er seitdem das ihm von den einschlägigen Kreisen aufgedrückte Kainsmal einer Person, die nicht davor zurückschreckt, arme, unschuldige und verfolgte Flüchtlinge oder gar deren Kinder auf finsteren Südseeinseln in noch finstereren Lagern festzuhalten. Sollte auf Druck der australischen Bundesregierung demnächst gar die umstrittene Adani-Kohlemine im Norden von Queensland ihren Betrieb aufnehmen, dürfte ScoMo und mit ihm Australien endgültig ein Lieblingsfeind der Klimahysteriker werden.
Bei einem Staatsbesuch von Scott Morrison in Deutschland wäre also nicht nur mit einer Mahnwache vor der australischen Botschaft zu rechnen, sondern mindestens auch mit einer Lichterkette vom Potsdamer Telegrafenberg – dem Sitz des PIK – bis zum Bundeskanzleramt. Da sei es an dieser Stelle erlaubt, dem neuen und alten australischen Premierminister viel Erfolg und vor allem Standfestigkeit zu wünschen.