Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 15.03.2007 / 15:24 / 0 / Seite ausdrucken

Wie man ein Zerwürfnis inszeniert

Dass man mit Kritik an der Regierung von US-Präsident George W. Bush Stimmen und manchmal auch Wahlen gewinnen kann, ist keine neue Erkenntnis - schließlich wäre sonst Edmund Stoiber heute wahrscheinlich Bundeskanzler. Neu ist aber, dass man auch mit dem bloßen Eindruck eines Konflikts mit dem amerikanischen Präsidenten Politik machen kann. Wie das geht, haben die britischen Konservativen vorgemacht, und die heutige Ausgabe des Daily Telegraph berichtet davon.

Kurz nach seiner Wahl zum Parteichef hatte David Cameron eine Rede gehalten, in der er ausführte, dass die Beziehungen zwischen Großbritannien und den USA “solide, aber nicht sklavisch” sein sollten. Dies war eine vergleichsweise milde Kritik an Präsident Bush, vor allem aber an der Außenpolitik Tony Blairs, dem seine angeblich zu große Nähe zu George W. Bush immer wieder vorgeworfen worden war.

In Washington dürfte man die Bemerkungen Camerons zwar registriert haben, aber leider reagierte man nicht darauf. Dabei wäre doch gerade eine Reaktion das gewesen, was Cameron sich wahrscheinlich insgeheim gewünscht hätte, hätte er sich doch in Abgrenzung zur Bush-Regierung profilieren können.

Wenn aber Bush gar nicht reagiert, dann muss man eben den Anschein erwecken, dass er reagiert habe, dachten sich Camerons Berater. Also wurden unter britischen Journalisten offenbar gezielt Gerüchte gestreut, dass das US State Department einem hohen Vertreter der konservativen Partei gegenüber erklärt habe, Cameron sei im Weißen Haus nicht mehr willkommen, wenn er seine Angriffe auf die amerikanische Regierung nicht einstelle.

Daraufhin rief ein Journalist einer Londoner Zeitung bei der angeblichen Quelle im US State Department an, um mehr über die Angelegenheit zu erfahren, doch dort wusste man von nichts. Von einer entsprechenden Konversation mit dem führenden Tory-Politiker sei nichts bekannt. Folglich wurde die Geschichte über das angebliche Zerwürfnis von Cameron und Bush auch nie in dieser Zeitung gedruckt. Was blieb, war nur der Eindruck, in der Zentrale der britischen Konservativen habe man versucht, der Öffentlichkeit das Bild einer neuen konservativen Anti-Bush-Linie zu vermitteln.

Wenn auch die Beziehungen zwischen Cameron und Bush anfänglich noch nicht gestört waren, spätestens nach dieser Geschichte dürften sie es sein. Aber vielleicht nützt es den Tories ja sogar?

PS: Heute spricht Al Gore zum versammelten Schattenkabinett von Mr Cameron.

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